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Wenn das Immunsystem scharf gestellt wird: CAR-T-Zellen in der Krebsbehandlung

Mit Hilfe der Car-T-Zell-Therapie werden körpereigene Immunzellen so modifiziert, dass sie Tumorzellen attackieren. | Bild: imago images / Science Photo Library

Eigentlich ist es Aufgabe des Körpers und des Immunsystems, entartete Körperzellen zu erkennen und zu bekämpfen, so dass ein Tumor erst gar nicht entstehen kann – ähnlich, wie unsere körpereigene Abwehr auch Bakterien und Viren aufspürt und diese eliminiert. Wichtige Immunzellen sind hierbei bestimmte weiße Blutkörperchen (Leukozyten), die cytotoxischen T-Zellen (T-Lymphozyten).

Wenn das Immunsystem „versagt“

Allerdings gelingt es dem Immunsystem nicht immer, alle entarteten Zellen zu erkennen und auszumerzen. Letztendlich kann ein Tumor nur deshalb entstehen, da unser Immunsystem versagt. Dieses Wissen um das „Versagen“ des Immunsystems macht man sich jedoch bei neuen Therapien in der Krebsbehandlung zunutze. Auch wenn die Gabe klassischer Zytostatika, Bestrahlung und Operationen noch immer wichtige Säulen in der Behandlung von Tumorerkrankungen darstellen, wurden in den letzten Jahren auch Therapiemöglichkeiten entwickelt, die direkt am Immunsystem angreifen und versuchen, dieses handlungsfähig gegen Krebszellen zu machen.

Das Immunsystem bekämpft den Krebs

Um dieses „handlungsfähige“ Immunsystem geht es auch bei der CAR-T-Zell-Therapie. Diese erweitert seit kurzem – zumindest für bestimmte Formen des Blut- und Lymphdrüsenkrebses – die Behandlungsmöglichkeit der Patienten. Hier erhalten die Tumorerkrankten keine körperfremden Arzneimittel (beziehungsweise nur in Vorbereitung auf die CAR-T-Zellgabe) wie klassische Zytostatika, die vor allem die Zellteilung beeinflussen und eine gewisse Krebszellselektivität dadurch erreichen, dass sich Tumorzellen schneller teilen als gesunde Körperzellen. Vielmehr werden die Patienten mit ihren eigenen T-Zellen therapiert. Diese müssen zuvor jedoch „bearbeitet“, sprich gentechnisch verändert werden.

Bei Blutkrebsarten und Tumoren des Lymphgewebes

Bislang sind zwei Präparate zugelassen: Tisagenlecleucel in Kymriah® von Novartis und Axicabtagen Ciloleucel in Yescarta® von Gilead: Beide erhielten am 23. August 2018 die EU-Zulassung. Eingesetzt werden diese Wirkstoffe bei bestimmten Blutkrebsarten und Tumoren des Lymphgewebes (Leukämie und Lymphom) und bislang nur, wenn andere Behandlungsmöglichkeiten versagt haben.

Kymriah® ist zugelassen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis 25 Jahre mit refraktärer (therapieresistenter) oder rezidivierender, also wiederkehrender (nach Transplantation oder zweitem bzw. späterem Rezidiv) akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie (ALL). Außerdem hat Kymriah® die Zulassung für Erwachsene mit refraktärem oder rezidiviertem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom nach zwei oder mehr Linien einer systemischen Therapie. 

Yesacarta® ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom und primär mediastinalem großzelligem B-Zell-Lymphom nach zwei oder mehr systemischen Therapien.

Entnehmen, verändern, zurückführen

Das Interessante bei der CAR-T-Zell-Therapie ist, dass die patienteneigenen T-Zellen letztlich den Tumor bekämpfen. In einem ersten Schritt werden dem Patienten weiße Blutkörperchen (Leukozyten) entnommen und daraus seine T-Zellen gewonnen. Anschließend wird ihre Erbsubstanz mit einem speziellen Gen erweitert, sodass aus den „normalen“ T-Zellen schließlich aggressive Tumorkiller (CAR-T-Zellen) werden. CAR steht dabei für „chimärer Antigen-Rezeptor“. Haben die T-Zellen das zusätzliche Gen erhalten, werden sie vermehrt und anschließend dem Patienten wieder per Transfusion zurückgeführt, wo sie ihre Arbeit, den Tumor zu bekämpfen, beginnen können.

CAR-T-Zellen erkennen den Krebs

Das neue Gen führt dazu, dass ein bestimmtes Eiweiß auf der Oberfläche der T-Zelle eingebaut wird, das zielgenau bestimmte krebsspezifische Oberflächenstrukturen  der Krebszelle erkennt und dann nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an die Tumorzelle bindet. Dadurch wird die T-Zelle aktiviert und in die Lage versetzt, die Krebszelle zu zerstören.

Hinweis

Unser Artikel CAR-T-Zellen – Wissen Sie, wie's funktioniert? erklärt die CAR-T-Zell-Behandlung noch detaillierter und beantwortet auch die Frage, ob Kymriah® und Yescarta® nun „Allheilmittel“ bei Krebserkrankungen sind.

CAR-T-Zell-Therapien nur an spezialisierten Kliniken 

Immer mehr Kliniken bieten auch in Deutschland CAR-T-Zell-Therapien an, wobei CAR-T-Zell-Behandlungen nur spezialisierten Zentren vorbehalten sind. Um Patienten die Therapieoption  zu bieten, muss sich das Klinikum zunächst qualifizieren. Jüngst gab auch das Uniklinikum Jena bekannt, den ersten Patienten mit CAR-T-Zellen behandelt zu haben.

CAR-T-Zellen sollen dauerhaft Krebszellen bekämpfen

Der behandelnde Oberarzt PD Dr. Ulf Schnetzke fasste die Vorteile der CAR-T-Zell-Therapie in zwei Punkten zusammen: „Die CAR-T-Zell-Therapie hat vor allem zwei Vorteile: Zum einen greift sie sehr zielgerichtet die bösartigen Zellen an. Zum anderen sollen die veränderten T-Zellen dauerhaft im Körper bleiben. Das heißt, sollten wieder Krebszellen auftauchen, bekämpfen die T-Zellen auch diese.“

Nebenwirkungen von CAR-T-Zell-Therapien: Zytokin-Freisetzungssyndrom

Doch die Behandlung ist nicht ganz ohne, weiß der Mediziner: „Die CAR-T-Zell-Therapie hat vor allem zwei mögliche Nebenwirkungen.“ So könne die Therapie zu Neurotoxizität führen, also beispielsweise Verwirrtheit, Verlangsamung oder Müdigkeit auslösen. Gefürchtet ist auch das Zytokin-Freisetzungssyndrom.  „Das sogenannte Zytokin-Freisetzungssyndrom kann entstehen, weil in relativ kurzer Zeit sehr viel Lymphom zerfällt“, so der Mediziner. Durch die große Menge an Zytokinen, unter anderem Interleukin-6 (IL-6), die frei werden, können die Patienten dann an hohem Fieber, Schüttelfrost, Hypertonie (Bluthochdruck) und Übelkeit leiden.

Tocilizumab bei Zytokin-Freisetzungssyndrom

In manchen Fällen kann diese Nebenwirkung tödlich enden, jedoch steht sie offenbar auch in Zusammenhang mit einem Ansprechen auf die CAR-T-Zell-Therapie: Man hat die Beobachtung gemacht, dass bei Non-Respondern, also Patienten, die auf eine CAR-T-Zelltherapie nicht ansprechen, auch diese Nebenwirkung ausbleibt. 

Kommt es zum Zytokin-Freisetzungssyndrom, gibt man Tocilizumab (RoActemra®), einen Interleukin-6-Rezeptor-Antagonisten, und versucht, diese Nebenwirkung „abzufangen“.