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Dimethylsulfoxid – kein neues Wundermittel

Zweifelhafte Internetseiten propagieren DMSO als neues Wundermittel gegen Schmerzen jeder Art. Was steckt dahinter? |  Bild: fotoduets / Adobe Stock

DMSO ist die Abkürzung für Dimethylsulfoxid. Bei dieser Substanz handelt es sich um eine farblose und geruchlose Flüssigkeit. Glaubt man zahlreichen Berichten vor allem im Internet, handelt es sich bei Dimethylsulfoxid um ein neues Wundermittel mit zahlreichen Anwendungsgebieten. Unsere Rezepturexpertin Dr. Annina Bergner hat sich für Sie einmal angeschaut, was es mit diesen Berichten auf sich hat.

Ab über 15 Prozent verschreibungspflichtig

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass Produkte mit Dimethylsulfoxid – sofern sie als Arzneimittel vertrieben werden – in Deutschland der Rezeptpflicht unterliegen. Ausgenommen davon sind Zubereitungen zur kutanen Anwendung bis 15 Prozent DMSO. Die Reinsubstanz ist allerdings auch außerhalb der Apotheke erhältlich.

Verwendung als Wirkstoff oder Hilfsstoff?

Zur Herstellung von Arzneimitteln ist Dimethylsulfoxid als Rezeptursubstanz sowohl in API-Qualität (als aktiver pharmazeutischer Wirkstoff) als auch als Hilfsstoff erhältlich. Vor der Herstellung einer entsprechenden Zubereitung muss daher zunächst überprüft werden, ob die Substanz als Wirk- oder als Hilfsstoff eingesetzt wird. 

Bei lokaler Anwendung wirkt Dimethylsulfoxid analgetisch, antiphlogistisch, gefäßerweiternd und antiödematös. Die entzündungshemmende Wirkung der Substanz ist dabei auf eine Inaktivierung bestimmter Radikale, die bevorzugt bei Entzündungen gebildet werden, zurückzuführen. 

Dimethylsulfoxid kann bei dermaler Anwendung gut durch die Haut resorbiert werden und wird daher vor allem bei Sportverletzungen, bei Arthrose im Kniegelenk, aber auch bei komplexen Schmerzsyndromen wie dem Sudeck-Syndrom eingesetzt. Neben diesen eigenen, pharmakologischen Wirkungen wird DMSO auch als Lösungsmittel und Penetrationsverstärker für andere Arzneistoffe verwendet.

In Deutschland: Nur als Rezepturarzneimittel

In der Schweiz und in Österreich sind Schmerzgele zum Auftragen auf die Haut mit 15 Prozent Dimethylsulfoxid, Heparin und Dexpanthenol erhältlich. In Deutschland sind dagegen keine entsprechenden Fertigarzneimittel mehr auf dem Markt. Dimethylsulfoxidhaltige Arzneimittel können aber auf Grund einer ärztlichen Verordnung als Rezepturen in der Apotheke abgegeben werden. Im NRF sind dazu zwei geprüfte Vorschriften aufgeführt: Eine Creme und ein Hautspray mit jeweils 50 Prozent Dimethylsulfoxid.

Als halbfeste Zubereitung mit oder ohne Diclofenac

Bei der hydrophilen Dimethylsulfoxid-Creme 50 % (NRF 2.6.) wird DMSO in Basiscreme DAC eingearbeitet. Um dem Abscheiden von Flüssigkeit in der fertigen Creme vorzubeugen, wird zur physikalischen Stabilisierung als anionischer Gelbildner Carbomer 50000 zugesetzt. 

Häufig wird auch eine Kombination von DMSO mit Diclofenac-Natrium angefragt. Das Analgetikum kann dabei in Konzentrationen von ein bis acht Prozent problemlos in die NRF-Monographie 2.6. ergänzt werden. Als Primärpackmittel für Dermatika mit Dimethylsulfoxid sind Aluminiumtuben nicht geeignet, Spenderdosen oder Weithalsgläser können aber verwendet werden.

Oder als Lösung zum Aufsprühen

Manche Patienten empfinden die Applikation halbfester Zubereitungen als schmerzhaft. In solchen Fällen können auch Lösungen mit DMSO zum Auftragen auf die Haut als Spray appliziert werden. Solche Zubereitungen sind leicht herzustellen und können neben Gereinigtem Wasser auch Ethanol 96 Prozent als weitere Flüssigkeit enthalten. Die fertigen Lösungen können dann in eine Glasflasche mit Zerstäuberpumpe abgefüllt werden. 

Sowohl das Spray als auch die halbfeste Zubereitung sollen von den Patienten über zwei bis drei Monate bis zu fünfmal täglich aufgetragen werden. Da Dimethylsulfoxid die Aufnahme anderer Substanzen in die Haut beschleunigt, dürfen unmittelbar vor oder nach der Applikation auf der gleichen Hautstelle keine anderen Arzneimittel oder kosmetische Produkte aufgetragen werden.

Lokale Reizungen und Knoblauchatem

Mit steigender Konzentration an Dimethylsulfoxid lässt sich zwar eine verbesserte Wirkung erzielen, allerdings nehmen auch unerwünschte Wirkungen zu. Es kann unter anderem zu schweren Reizungen der Haut wie Brennen, Jucken und Rötungen kommen, teilweise wurde auch schon eine Blasenbildung beobachtet. Diese Hautreaktionen werden durch die durchblutungssteigernde Wirkung von DMSO hervorgerufen. 

Bei großflächiger Verwendung kann es auch zu systemischen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Brechreiz und Magen-Darm-Beschwerden kommen. Auch bei bestimmungsmäßigem Gebrauch wird ein Teil desDimethylsulfoxids über die Lunge metabolisiert und das entstehende Stoffwechselprodukt Dimethylsulfid sorgt für einen knoblauchartigen Atem und Geruch. Da Dimethylsulfoxid die Freisetzung von Histamin erhöhen kann, dürfen zudem Personen, die zu Allergien neigen, keine entsprechenden Zubereitungen verwenden.

Fazit: Was sagen Sie der Kundin?

Gegen Schmerzen in Muskeln und Gelenken zeigt Dimethylsulfoxid tatsächlich therapeutische Wirksamkeit, allerdings unterliegen entsprechende Zubereitungen der Verschreibungspflicht. Wie bei allen Arzneimitteln sind auch hier Empfehlungen zur Dosierung und Anwendung einzuhalten, da jede Form der Überdosierung schwerwiegende gesundheitliche Schäden zur Folge haben kann. Von Selbstversuchen mit reinem Dimethylsulfoxid muss daher dringend abgeraten werden.