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Stiftung Warentest: Helfen Online-Programme bei Depressionen?

Bei leichten Depressionen können Online-Programme hilfreich sein. Acht Programme hat Stiftung Warentest jetzt etwas genauer untersucht. | Bild: That Stock Company / Adobe Stock

Eine Online-Hilfe bei Depressionen kann durchaus Vorteile haben. Noch immer haftet Depressionen ein Stigma an. Manche Patienten schämen und scheuen sich, professionelle Hilfe zu suchen. Zudem klappt es mit Psychotherapeuten-Terminen meist nicht schnell und zeitnah, teilweise warten Patienten Monate, bis sie eine Behandlung beginnen können. Online geht es fraglos einfacher – die Hemmschwelle ist geringer und auf einen freien „Therapeutenplatz“ brauchen die Depressiven auch nicht zu warten. Doch helfen die Online-Programme auch? Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Müssen Patienten für eine niederschwellige und schnelle Hilfe tief in die Tasche greifen, oder übernimmt, wie bei einem „leibhaftigen“ Psychotherapeuten, – nach Genehmigung – die Krankenkasse die Kosten für das Online-Programm? Beziehungsweise: Was ist von kostenlosen Angeboten zu halten? Stiftung Warentest hat sich die Online-Landschaft zur Hilfe bei Depressionen genauer angeschaut. 

Online-Programme nur bei leichten Depressionen 

Acht Programmen haben die Verbraucherschützer auf den Zahn gefühlt – interessiert hat sie das therapeutische Potenzial: Erklären die Anbieter transparent, auf welche psychotherapeutischen Verfahren sich ihr Online-Programm stützt, weisen sie auf therapeutische Grenzen hin und wo Patienten schnell persönliche Hilfe bekommen? Die Verbraucherschützer wollten auch wissen, welchen Wert Online-Programme auf Datenschutz legen und ob es Studien gibt, die den Nutzen des Online-Programmes zur Depressionshilfe belegen. Wichtig ist, und das betonen auch die Verbraucherschützer: „Onlinehilfen sind oft nur für leichte bis mittlere psychische Leiden“, für eine genaue Diagnose seien „Profis vor Ort wichtig“. Und weiter: „Bei Selbstmordgedanken zählt schnelle persönliche Hilfe!“ 

Wie funktionieren Online-Depressionsprogramme? 

Laut Stiftung Warentest liegt Onlinehilfen bei Depressionen meist die kognitive Verhaltenstherapie zugrunde – Patienten sollen strukturierte Techniken lernen, um verzerrte Gedanken zu erkennen und diese umzulenken, oder Verfahren, um Probleme zu lösen oder zu entspannen. Wichtig findet Warentest hierbei auch „Fragebögen zur Stimmung“, diese helfen Gefühle zu verstehen und Fortschritte zu erkennen.

Vier Online-Depressionsprogramme empfehlenswert 

Das Fazit der Verbraucherschützer ist ganz gut. Von den acht getesteten Programmen – Deprexis 24, Get.On Depression Akut und Get.On Depression Prävention, iFight Depression, Moodgym, Novego, Selfapy und TK-DepressionsCoach – findet Stiftung Warentest immerhin die Hälfte „empfehlenswert“. Dieses Urteil trifft auf Deprexis 24, die beiden Get.On-Programme und Moodgym zu. Sie überzeugten beim Konzept, außerdem belegten Studien ihre Wirksamkeit, so Stiftung Warentest. iFight Depression, Novego und Selfapy können die Verbraucherschützer „eingeschränkt empfehlen“, für den TK DepressionsCoach erhalten nur Versicherte Zugang, weswegen Stiftung Warentest keine Bewertung erstellen konnte. Jedes Programm hat Vor- und entsprechend auch Nachteile. Auch bei den Testsiegern war nicht alles einwandfrei. Bei Deprexis 24 läuft viel über ein Frage-Antwort-System, der Patient bekommt mehrere Auswahlantworten und wählt sodann die passendste. Die Wirksamkeit ist laut Warentest sehr gut belegt, die Kosten von 298 Euro übernehmen manche Krankenkassen. Abzug gibt es für Deprexis 24 dafür, dass die Android-App die Identifikationsnummer des Endgerätes an den Betreiber des Programmes übermittelt. Das bemängeln die Verbraucherschützer auch bei den Get.On-Depressionsprogrammen. Die Wirksamkeitsbelege bewertet Warentest bei beiden – Akut und Prävention – wie auch bei Deprexis 24 mit „hoch“. Die Kosten (bis zu 359 Euro) tragen ebenfalls manche Krankenkassen – die Variante für die Akut-Therapie wird von einem Psychotherapeuten begleitet. 

Moodgym besonders niederschwellig 

Moodgym ist das einzige getestete Programm, das Hilfesuchende völlig anonym nutzen können. Es genügt, wenn man sich mit einem Phantasienamen und ohne E-Mail-Adresse anmeldet – „niederschwelliger geht es nicht mehr“, so Warentest. Ein weiterer Vorteil von Moodgym: Das Programm ist komplett kostenfrei. Ursprünglich entwickelten es australische Forscher, die Belege zum Nutzen sind laut Warentest „gut“. 

iFight Depression in mehreren Sprachen 

Ebenfalls gratis, doch den Verbraucherschützern zufolge nur „eingeschränkt empfehlenswert“ ist das vom Europäischen Bündnis gegen Depression und von EU-Geldern geförderte Tool iFight Depression. Bislang fehlten Wirksamkeitsbelege (Studie läuft), vor allem aber erlaubt das Programm nur eine „begleitete“ Therapie – das bedeutet: Es muss zwingend ein Arzt oder Psychotherapeut eingebunden sein. Der Vorteil: Das Programm wird in vielen Sprachen angeboten.

Auch Novego und Selfapy sind nach Meinung von Stiftung Warentest nur „eingeschränkt empfehlenswert“, Hauptmanko sind bislang fehlende Wirksamkeitsbelege (Selfapy) oder die Studien zeigten methodische Schwächen (Novego). Selfapy bekommt zusätzlich Abzug, da die Anforderung an das Passwort gering sind – „leicht zu knacken“, so Stiftung Warentest. Novego scheint etwas „unstrukturiert“. Beide Programme sind kostenpflichtig, werden aber von manchen Krankenkassen unterstützt. 

Was für wen? 

Wer also auf „hohe“ Wirksamkeitsbelege setzt, ist mit Deprexis 24 oder Get.on Depression – so Online-Programme für die Depression überhaupt infrage kommen – nicht schlecht beraten. Für Patienten, die auf die Kosten schauen, könnte Moodgym mit „mittleren“ Wirksamkeitsbelegen eine Option sein – vor allem, wenn Anonymität gewünscht ist. Wünschen Patienten in keinem Fall eine therapeutische Begleitung zum Programm, so geht dies bei Deprexis 24, teilweise bei Get.On Depression Prävention und bei Moodgym.