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Aufklärungskampagne: Wenn die Bild-Zeitung zu Antibiotika berät …

Screenshot: Bild.de

Man möchte zu dem Gedanken verleitet sein „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, wenn man die Überschrift in der Bild Zeitung liest: „Sieben gefährliche Irrtümer über Antibiotika“ titelte das Boulevardblatt am Montag. Sollte eine Beratung zu Antibiotika nicht in die Hände von Apothekern oder Ärzten gehören? Eigentlich schon. Allerdings stammen die Tipps zum richtigen Umgang mit Antiinfektiva auch nicht aus der redaktionellen Feder der Bild. Der unter „Bild Brand Stories“ zu findende Anzeigen-Beitrag stammt von einem pharmazeutischen Unternehmer: Reckitt Benckiser. Medizinische Unterstützung leistet eine Ärztin, Dr. Susanne Huggett. Die Medizinerin leitet die Krankenhaushygiene der Asklepios-Kliniken in Hamburg. Doch warum widmet sich Reckitt Benckiser Antibiotika? Der Bild-Beitrag ist Teil einer im Januar gestarteten Aufklärungskampagne „Verantwortung ist die beste Medizin – stoppe unnötigen Antibiotika-Gebrauch“ an dem Dobendan beteiligt ist. Zur Verantwortung wird auch der Patient in einer eigens kreierten Patientenbroschüre gezogen: „Nicht auf ein Antibiotikum bestehen“, mahnen die Initiatoren der Kampagne. Denn in diese Bredouille werden Ärzte gebracht, wenn Patienten eine Antibiose einfordern, weil sie sich schnelle Besserung wünschen, aber vielleicht an einer viralen Infektion leiden, bei der Antibiotika nun mal machtlos sind. Auch eine Umfrage der DAK 2018 ergab, dass drei Viertel der Erkältungspatienten beim Arzt ein Antibiotikum erwarten.

Dobendan macht Aufklärungskampagne zu Antiinfektiva

Das Engagement ist durchaus löblich – denn dass das Wissen um Antibiotika bei den Bundesbürgen recht miserabel ist, förderte bereits eine Umfrage des BAH (Bundesverband der Arzneimittel-Herstelle) im Jahr 2017 zutage. Damals wusste nicht einmal die Hälfte aller Befragten, wogegen Antibiotika überhaupt wirken – Viren? Bakterien? Beides? Oder vielleicht gar nichts? Somit tut Aufklärung Not und die Bild Zeitung hat durchaus Vorteile: ihre Reichweite. Nach wie vor ist die Bild die auflagenstärkste Tageszeitung hierzulande und darf sich auch über die meisten Onlinebesucher freuen.

Mit welchen antibiotischen Mythen möchte Bild aufräumen?

Insgesamt in sieben Irrtümer zu Antibiotika möchte der Bild-Beitrag Klarheit bringen

  • „Eine Erkältung ist mit Antibiotika schneller vorbei“ 
  • „Wenn es mir besser geht, setz ich das Medikament ab“ 
  • „Antibiotika gehören in die Hausapotheke“ 
  • „Breitband-Antibiotika sind Allheilmittel“ 
  • „Wenn ich nur selten Antibiotika genommen habe, kann ich auch keine Resistenz entwickeln“ 
  • „Wenn ein Antibiotikum bei mir nicht mehr wirkt, verschreibt mir der Arzt halt ein anderes“ 
  • „Resistenzen sind nicht so schlimm – das ist nur Panikmache“ 

Ob dies tatsächlich die wichtigsten Mythen rund um antiinfektive Therapien sind, darüber lässt sich geteilter Meinung sein. Denn: Denken die Bundesbürger tatsächlich, dass jede ordentliche Hausapotheke doch ein Antibiotikum beinhalten sollte? Dass einfach ein anderes Antibiotikum verordnet werden kann, sollte das erste nicht wirken? Das mag manche PTA und Apotheker sicherlich verwundern, denn nicht selten fördern Kundengespräche in der Offizin zutage, dass viele Patienten jedes Antibiotikum sei automatisch ein Penicillin. Dass es andere Wirkstoffe wie Cefaclor oder Ciprofloxacin, Doxycyclin oder Clarithromycin gibt, ist vielen Patienten fremd. Und auch dass Diskussionen um Resistenzen in den Augen der Patienten reine Panikmache sind, mag nicht jeder Apotheker teilen. Ist nicht gerade „Resistenz“ ein Schlagwort, mit dem Kunden gerne um sich werfen und davor eher Angst zu haben scheinen? So mögen manche PTA hingegen das Vorurteil vermissen, dass Antibiotika generell nicht mit Milchprodukten eingenommen werden dürfen – und dieses hält sich durchaus hartnäckig.

Die Ratschläge und Tipps, die die Leser zu Antibiotika erhalten, sind jedoch recht fundiert. So zum Beispiel zur Dauer der Therapie mit Antibiotika. Galt früher: Die Packung in jedem Fall aufzubrauchen, hat sich dieses Dogma in den letzten Jahren gelockert. Darauf geht auch die Ärztin in der Bild Zeitung ein. So sollten Patienten sich an die vom Arzt festgelegten Tage der Antibiose halten – weder die Packung grundsätzlich aufbrauchen, aber auch nicht bei Besserung der Symptome die Antibiose einfach beenden.

Nicht immer Breitband-Antibiotika

Auch wenn sicherlich nicht jeder Bild-Leser weiß, dass es Breitspektrum- und Schmalspektrum-Antibiotika gibt, weist die Ärztin in der Bild-Zeitung korrekt darauf hin, dass es sinnvoll ist in jedem Fall das verursachende Antibiotikum möglichst genau zu treffen – so dieses bekannt sei. Auch könne man in manchen Fällen gar gänzlich auf eine Antibiose verzichten – bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen beispielsweise. Dies empfiehlt auch die Leitlinie. So kann Bei leichten bis mittelgradigen Symptomen auf ein Antibiotikum verzichtet werden und in Absprache mit der Patientin symptomatisch nichtsteroidale Antirheumatika (zum Beispiel Ibuprofen) eingesetzt werden.

Keine Antibiotika horten

Bei manchen Irrtümern zu Antibiotika, mit der die BILD aufräumen möchte, kann man sich durchaus die Frage der Relevanz stellen. Denken die Menschen tatsächlich, eine ordentliche Hausapotheke müsse unbedingt mit einem Antibiotikum bestückt sein? Ganz aus der Luft gegriffen ist die Vermutung wohl nicht, denn auch der BAH kam bei seiner Umfrage zu dem Ergebnis, dass ein Viertel der Deutschen nicht benötigte Antibiotika im Badschrank in Reserve bunkert. Laut BILD ist der „Hortungstrieb“ bei Medikamenten nachvollziehbar. Sinnvoll ist durchaus, wie die BILD argumentiert beziehungsweise die zu Rate gezogene Ärztin: „Sie sollten bei jeder Infektion prüfen lassen, ob es sich um eine bakterielle Infektion handelt und auch nur dann ein Antibiotikum einnehmen. Dieses aufzubewahren für den Fall, dass Sie irgendwann eine andere Infektion bekommen, ist nicht zu empfehlen. Denn: Die nächste Infektion wird wahrscheinlich nicht durch die gleichen Bakterien verursacht werden wie die aktuelle, daher wird auch das aufgehobene Antibiotikum nichts nützen.“

Bakterien werden resistent

BILD spricht auch ein beliebtes und tatsächlich weit verbreitetes Unverständnis zu Resistenzen bei antibiotischen Wirkstoffen an. Resistenzen entwickeln die Bakterien, und nicht die Menschen – wie jedoch viele Patienten denken. Somit schützt auch eine nie erhaltene Antibiose nicht vor resistenten Keimen und kann auch ein antibiotisch jungfräulicher Patient sich mit resistenten Keimen infizieren.

Aufruf zur Grippeimpfung – da es nur wenige Antibiotika gibt

Ein wenig irreführend klingt dagegen der Satz: „Vermeiden Sie es krank zu werden und nutzen Sie die zur Verfügung stehenden Impfungen, zum Beispiel für Grippe! Es gibt nur wenige Antibiotika-Alternativen und jedes Antibiotikum hat Nebenwirkungen!“, erklärt die Ärztin zum Problem mit den Resistenzen. Nun ist es allerdings so, dass gegen eine Influenza natürlich kein Antibiotikum wirkt – was allerdings manche Leser sicherlich nicht wissen. Allerdings lässt sich tatsächlich durch Grippeimpfungen der Antibiotikaverbrauch reduzieren – da auch opportunistische bakterielle Sekundärinfektionen weniger Chancen haben.