Aktuelles
6 min merken gemerkt Artikel drucken

Influenza bedroht Weltbevölkerung: WHO rüstet sich gegen Grippepandemie und will bessere Impfstoffe

Bild: Mike Fouque / Adobe Stock

Was ist eine Pandemie?

Bei einer Pandemie kommt es zu einer länder- und kontinentübergreifenden Ausbreitung einer Krankheit (Infektionskrankheit) beim Menschen. Allerdings kann es auch Gebiete geben, die nicht von der Krankheit betroffen sind, wie beispielsweise abgelegenen Regionen (Gebirgstäler, Inseln, Urwald). Bekanntes Beispiel einer Pandemie ist die Spanische Grippe, die in den Nachkriegsjahren zwischen 1918 und 1920 weltweit rund 500 Millionen Menschen erkranken ließ und schätzungsweise 50 Millionen Tote forderte. Verantwortlich zeichnete damals das Influenzavirus A(H1N1). Anders bei einer Epidemie. Hierunter versteht man zwar eine zeitliche und auch örtliche Häufung einer Krankheit (Seuche, Ausbruch) – aber eine Epidemie ist, einfach formuliert, „kleiner“ als eine Pandemie oder umgekehrt erklärt: „Eine Pandemie bezeichnet eine weltweite Epidemie“, so definiert diese das RKI.

Grippepandemie bedroht die Welt – wie Ebola und Impfgegner

Die Gefahreneinschätzung zu Grippe kommt nicht überraschend. Vor kurzem definierte die Weltgesundheitsorganisation die nach ihrer Ansicht größten globalen Gefahren – darunter fand sich neben Impfgegnern, Ebola und HIV auch die Grippepandemie. In einem Elfjahresplan, „Global Influenza Strategy 2019-2030“, nimmt sich die WHO nun dieser Bedrohung an und wappnet sich gegen eine nächste Influenzapandemie. Außerdem möchte die WHO die Belastungen der saisonalen Grippe reduzieren und die Gefahr zoonotischer Influenza minimieren, sprich das Risiko einer Viren-Übertragung von Tier auf Mensch.

Mobilität fördert Ausbreitung von Grippe bei Pandemie

Gefährlich ist im erneuten Falle einer Pandemie, dass sich diese wohl deutlich schneller ausbreiten würde als frühere Influenzapandemien. Der Grund liegt in der zunehmenden Globalisierung und Urbanisierung – Menschen fliegen täglich um die Welt, zusätzlich findet man in Städten eine stärkere Konzentration der Bevölkerung und höhere Bevölkerungsdichte als noch vor Jahrzehnten.

Ziele der WHO im Kampf gegen Influenza bis 2030

  • Die Belastungen der saisonalen Grippe reduzieren. 
  • Das Risiko zoonotischer Influenza minimieren (das Risiko einer Viren-Übertragung von Tier auf Mensch). 
  • Die Auswirkungen einer nächsten Grippepandemie abmildern, was bedeutet, sich auf die nächste Pandemie vorzubereiten.

Damit diese Ziele bis 2030 erreicht werden, will die Weltgesundheitsorganisation unter anderem bessere Grippeimpfstoffe und die Forschung zu antiviralen Arzneimitteln vorantreiben.

Bessere Grippeimpfstoffe

Grippeimpfstoffe weisen in der Tat – verglichen mit anderen Vakzinen – einige Schwächen auf. Geschuldet ist dies zum einen der großen Wandlungsfähigkeit der Grippeviren, die die Entwicklung saisonal passender Impfstoffe erschwert. Zum anderen ist auch die Herstellung von Influenzavakzinen mit Unwägbarkeiten verknüpft. Denn nach wie vor werden laut WHO etwa 90 Prozent aller Influenzavakzine in Hühnereiern produziert – und das benötigt Zeit. Im Falle einer tatsächlichen Pandemie ist eine eibasierte Grippeimpfstoffproduktion allerdings schwer bis nicht möglich, wenn diese sodann fünf bis sechs Monate dauert. Kritisch ist nach Ansicht der WHO bei einer eibasierten Grippeimpfstoffproduktion auch, wenn das pandemische Grippevirus zusätzlich zum Menschen auch Geflügel befalle – was letztlich die Eier zur Grippeimpfstoffproduktion liefern soll.

Zellkulturbasierte Grippeimpfstoffe: schnellere Produktion

Aus diesem Grund befürwortet die WHO, dass neue Methoden zur Grippeimpfstoffherstellung erforscht und gefördert werden. Als Beispiel für eine innovative Technologie bei der Influenzavakzinproduktion nennt die Weltgesundheitsorganisation zellkulturbasierte Grippeimpfstoffe, die ohne Hühnereier hergestellt werden können. Die US-Bundesbehörde des amerikanischen Gesundheitsministeriums (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) erklärt den Vorteil von Säugetierzellkulturen bei der Impfstoffproduktion auf ihrer Homepage: „Ein großer Vorteil der Zellkulturtechnologie ist die Möglichkeit für einen schnelleren Start des Impfstoffherstellungsprozesses im Falle einer Pandemie."

Bessere Wirksamkeit neuer Influenzavakzine

Das ist nicht zuletzt auch der Wunsch der WHO. In ihrer Global Influenza Strategy 2019-2030 will sie langfristig bessere Grippeimpfstoffe – die rascher produziert werden können und breiter, länger und effektiver vor Grippe schützen. Letzteren Vorteil – einen besseren Grippeschutz – könnten tatsächlich auch zellkulturbasierte Vakzine mit sich bringen. Hinweise darauf zeigte eine vor kurzem veröffentlichte Kohortenstudie an 1,3 Millionen US-Patienten, die die Wirksamkeit von hühnereibasierten mit zellkulturbasierten Grippeimpfstoffen verglichen hatte.

Was Grippeimpfstoffe aus Hühnereiern kritisch macht

Problem bei der Produktion in Hühnerembryonen ist, dass für menschliche Grippeviren das Huhn nicht der natürliche Wirt ist. Das bedeutet, dass das Influenzavirus sich anpassen muss, um sich dennoch im Hühnerei vermehren zu können. Diese Anpassungen können dann jedoch wieder dazu führen, dass das Virus seine Oberflächenstrukturen ändert (antigene Eigenschaften – vor allem am Hämagglutinin), sodass der so produzierte Impfstoff später nicht optimal auf die tatsächlich zirkulierenden Grippeviren passt. Vor allem Influenza A(H3N2) ist hier ein schwieriger Kandidat, das wurde erst jüngst nochmals deutlich. Als die Weltgesundheitsorganisation Ende Februar 2019 die Grippeimpfstoffzusammensetzung der Nordhalbkugel für die bevorstehende Influenzasaison 2019/20 bekannt gab, vertröstete sie die Grippeimpfstoffhersteller bei der Influenza-A(H3N2)-Komponente. Diese folgte erst am 21. März 2019, da die WHO zunächst weitere Daten zu den unterschiedlichen Influenza-A(H3N2)-Viren sammeln wollte, um eine Empfehlung für die Komponente A(H3N2) auszusprechen.

Antivirale Arzneimittel wichtig bei Pandemiebeginn

Auch der Entwicklung neuer antiviraler Arzneimittel misst die WHO einen enormen Stellenwert bei. Derzeit ist der Einsatz antviraler Arzneimittel gering – was zur Folge hat, dass die Arzneimittelhersteller ihre Produktion dem Bedarf anpassen. Während einer Pandemie würden jedoch antivirale Arzneimittel eine wichtige Rolle spielen, so die WHO, vor allem in den ersten Monaten, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine Pandemieimpfstoffe geben werde. Somit empfiehlt die WHO: „Länder sollten antivirale Medikamente im Rahmen der Pandemievorsorge angemessen berücksichtigen“, da diese auch vorrätig auf Lager gehalten werden könnten.

„Angesichts der Bedeutung antiviraler Medikamente sowohl für die saisonale als auch für die pandemische Grippe ist es unerlässlich, diese Medikamente zu optimieren, auch durch neue Formulierungen, Darreichungsformen und Verabreichungswege und Therapiekombinationen“, erklärt die WHO. Das ist bei Zanamivir derzeit in Arbeit. Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) empfahl jüngst intravenöses Zanamivir zur Zulassung.

Wenige antivirale Arzneimittel

Derzeit stehen drei antivirale Arzneimittelklassen bei Influenza zur Verfügung. Das therapeutische Spektrum ist folglich überschaubar mit dem Uncoatinghemmstoff Amantadin (verhindert das Freisetzen der Virus-RNA, wirkt nur bei Influenza A und findet kaum noch Anwendung) und den Neuraminidasehemmstoffen Oseltamivir in Tamiflu®, Zanamivir in Relenza® (verhindern das Freisetzen neuer Viren nach Vermehrung) und seit der EMA-Zulassung im April 2018 Peramivir in Alpivab® (nicht in Deutschland verfügbar). Peramivir steht in den USA seit 2014 zur Verfügung, der Handelsname dort ist RabivabTM. Neuester Kandidat und innovativ im Wirkansatz ist Roches Baloxavir (XofluzaTM). Baloxavir hemmt die CAP-abhängige Endonuklease und somit einen der ersten Schritte bei der Vermerung des Influenzavirus. Vorteilhaft bei Baloxavir ist zudem die einmalige Einnahme. Die FDA erteilte Baloxavir im Oktober 2018 die Zulassung.