Rezeptur
Praxiswissen
7 min merken gemerkt Artikel drucken

Tipps zur Verarbeitung von Tretinoin

Ethanol wird abgewogen
Zur Herstellung von Rezepturen mit Tretinoin empfiehlt sich auch im Sinne des  Arbeitsschutzes die Verwendung von Rezepturkonzentrat oder alkoholischer Stammlösung. | Quelle: Schelbert / PTAheute

Tretinoin dient der Therapie von Verhornungsstörungen der Haut und wird deshalb häufig zur Behandlung verschiedener Akne-Formen eingesetzt, gleichzeitig wird es aber auch bei Hyperkeratosen und lichtinduzierter Hautalterung angewendet. Der Wirkstoff reichert sich in der Hornschicht an und bewirkt so eine Verdünnung und Auflockerung des Stratum corneum. Einer Verstopfung der Talgdrüsen wird auf diesem Wege vorgebeugt und der Talg kann wieder besser abfließen. Durch die zusätzliche antiphlogistische und immunmodulierende Wirkung von Tretinoin kann zudem eine bereits bestehende Infektion der verstopften Talgdrüsen abheilen.

Üblicherweise tritt bei Akne nach einer Behandlung von 6 Wochen eine deutliche Verbesserung des Hautbildes auf, die Therapiedauer beträgt meist zwischen 8 und 10 Wochen. In dermalen Zubereitungen liegt die Konzentration an Tretinoin meist zwischen 0,025 und 0,1%, die obere Richtkonzentration beträgt 0,1%. 

Eigenschaften und Stabilität

Chemisch gesehen handelt es sich beim Tretinoin um die oxidierte Form von Vitamin A, der Arzneistoff wird daher auch als Vitamin-A-Säure bezeichnet. Er kann als gelbes oder leicht orangefarbenes, kristallines oder mikrofeines Pulver bezogen werden. Tretinoin ist praktisch unlöslich in Wasser und lipophilen Verbindungen und liegt daher in den meisten Dermatika-Grundlagen überwiegend suspendiert vor.

Aufgrund seiner ungesättigten Strukturformel gehört Tretinoin zu den besonders oxidationsempfindlichen Rezepturgrundstoffen. Zur Verbesserung der Stabilität wird die Substanz daher nach dem ersten Öffnen im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C gelagert und kann dann bis zu zwei Jahre verwendet werden. Für die Verarbeitung sollte es ungefähr 30 Minuten zuvor aus dem Kühlschrank genommen werden. Zum Schutz vor Licht und Sauerstoff werden Tretinoin-haltige Rezepturen am besten in lichtdichte Packmittel wie Aluminiumtuben oder Braunglasflaschen abgefüllt.

Der rezeptierbare pH-Bereich der Substanz liegt bei pH-Werten ≥ 3, das Stabilitätsoptimum bei pH 5. In wasserhaltigen Zubereitungen ist grundsätzlich der Zusatz eines Antioxidans notwendig, verwendet wird dabei meistens Butylhydroxytoluol (BHT) in einer Konzentration von 0,04%. Das Antioxidans wird dabei am einfachsten in Form einer Stammverreibung verarbeitet, dazu kann in der Apotheke ein Butylhydroxytoluol-Paraffinkonzentrat 2% nach NRF-Vorschrift S.35. hergestellt werden.

Gefahr durch teratogene Wirkung

Da es sich bei Tretinoin um ein teratogen wirkendes Retinoid handelt, sind bei der Verarbeitung der Substanz umfangreiche Arbeitsschutzmaßnahmen nötig. Das Tragen einer Atemschutzmaske, Schutzhandschuhen aus Gummi und einer Schutzbrille ist zwingend erforderlich, Schwangere dürfen zudem grundsätzlich keine Rezepturen mit Tretinoin herstellen. Nach Möglichkeit sollte der direkte Umgang mit der Rezeptursubstanz vermieden und stattdessen ein halbfestes Rezepturkonzentrat oder eine alkoholische Stammlösung verwendet werden. Auch aus galenischen Gründen bietet der Einsatz solcher Konzentrate einige Vorteile: So ist beispielsweise eine Direkteinwaage der Substanz bei niedrigen Konzentrationen wegen der unzureichenden Genauigkeit häufig problematisch. Weiterhin entfällt bei der Verwendung eines Rezepturkonzentrates bei der Herstellung einer Suspensionszubereitung das Anreiben des mikrofein gepulverten Tretinoins mit einem Anreibemittel, denn durch das Rezepturkonzentrat ist die erforderliche Teilchengröße und agglomeratfreie Verteilung des Arzneistoffs gesichert. 

Halbfeste Zubereitungen

Gut geeignet zur Verarbeitung mit verschiedenen Dermatika-Grundlagen ist ein lipophiles Konzentrat, das im NRF als Stammzubereitung unter der Vorschrift S.29. monographiert ist. Als Grundlage dient Weißes Vaselin, in dem der Wirkstoff suspendiert vorliegt.

Lipophiles Tretinoin-Rezepturkonzentrat 2% (NRF S.29.)

  • Tretinoin 2,0 g
  • Butylhydroxytoluol-Paraffinkonzentrat 2% (NRF S.35.) 2,0 g
  • Weißes Vaselin 96,0 g

Zur Herstellung der Verreibung wird der mikrofein gepulverte Wirkstoff zunächst mit dem Butylhydroxytoluol-Paraffinkonzentrat angerieben und dann mit etwa einem Fünftel der Vaseline ohne Anwendung von Wärme verrührt. Anschließend kann der Rest der lipophilen Grundlage ergänzt werden. Unmittelbar nach der Fertigstellung wird das Konzentrat in eine Aluminiumtube abgefüllt und kann dann 1 Jahr zur Herstellung von Rezepturen eingesetzt werden. Das lipophile Tretinoin-Rezepturkonzentrat 2% kann zur Herstellung von Pasten, Salben und Cremes verwendet werden und ist auch zur Verarbeitung mit bestimmten hydrophilen Grundlagen wie beispielsweise Basiscreme DAC geeignet (siehe nachstehende Tabelle).

Geeignete Grundlagen zur Verarbeitung des lipophilen Tretinoin-Rezepturkonzentrats

GrundlageDarreichungsformNRF-Vorschrift
Hypromellose-Haftpaste 40%PasteNRF 7.9.
Weißes VaselinLipophile SalbeNRF 11.101. 
Hydrophobe Basiscreme DACLipophile CremeNRF 11.123.
Basiscreme DACHydrophile CremeNRF 11.100.

Lösungen und Gele

Zur Herstellung von Lösungen und alkoholischen Hydrogelen kann kristalline Rezeptursubstanz oder eine alkoholische Stammlösung 3,33 g/L verwendet werden. Im Gegensatz zum lipophilen Konzentrat kann diese Tretinoin-Lösung vorgefertigt bezogen werden und enthält neben Ethanol auch Ethylmethylketon als Lösungsmittel und zusätzlich bereits Butylhydroxytoluol zum Schutz vor oxidativer Zersetzung. Ethanolische Lösungen können aber auch durch Abwiegen der Rezeptursubstanz hergestellt werden.

Ethanolhaltige Tretinoin-Lösung 0,05% NRF 11.102.

  • Tretinoin 0,05 g
  • Butylhydroxytoluol 0,055 g
  • Propylenglycol 50,0 g
  • Ethanol 96% zu 100,0 g

In einem Becherglas wird zunächst das Antioxidans Butylhydroxytoluol in einem Großteil des Ethanol 96% gelöst. In einem weiteren, zum Lichtschutz mit Aluminiumfolie umwickelten, Becherglas wird Tretinoin im restlichen Ethanol dispergiert. Nach Zugabe der Butylhydroxytoluol-Lösung kann dann der Arzneistoff unter leichter Zufuhr von Wärme aufgelöst und anschließend das Propylenglycol ergänzt werden.

Kombinationen mit anderen Wirkstoffen

In nicht standardisierten Vorschriften kann eine gemeinsame Verarbeitung von Tretinoin mit anderen Wirkstoffen nicht empfohlen werden. Eine Kombination des Arzneistoffs mit Erythromycin ist zwar therapeutisch sinnvoll, galenisch aber wegen unterschiedlicher rezeptierbarer pH-Werte problematisch. Die Firma Dr. August Wolff Arzneimittel gibt für die rezepturmäßige Verarbeitung beider Wirkstoffe eine geprüfte Zubereitung an.

Beispiel

  • Erythromycin 1,0 g
  • Tretinoin 0,025 g
  • Linola® zu 50,0 g

Laut den durchgeführten Untersuchungen zur Stabilität beträgt die Aufbrauchsfrist der Rezeptur beim Abfüllen in eine Aluminiumtube 2 Monate. 

Auch das Fertigarzneimittel Aknemycin® Plus enthält als arzneilich wirksame Bestandteile Erythromycin und Tretinoin. Bei dieser Zubereitung handelt es jedoch um eine wasserfreie Lösung, weshalb Zersetzungen durch pH-Wert-Einflüsse nicht zu befürchten sind.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Tragen Sie Ihr Arzneimittel abends dünn auf die betroffene Körperstelle auf und waschen Sie sich danach gründlich die Hände.“
  • „Zu Beginn der Behandlung kann Ihre Haut sich zunächst röten oder schuppen, sollten die Beschwerden zu stark werden, sprechen Sie noch einmal mit Ihrem Arzt“.
  • „Es ist normal, dass sich das Hautbild bei Akne nach Auftragen der Zubereitung zunächst verschlimmern kann. Das ist kein Grund für einen Abbruch der Therapie, diese Erstverschlimmerung klingt nach einer Weile wieder ab.“
  • „Der Wirkstoff steigert die Lichtempfindlichkeit Ihrer Haut, vermeiden Sie daher einen Aufenthalt in der Sonne oder tragen Sie auf unbedeckten Hautstellen ein Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor auf.“
  • „Tretinoin-haltige Zubereitungen dürfen nicht vor einer geplanten oder während einer Schwangerschaft angewendet werden.“

Für den Überblick: Verarbeitung von Tretinoin in Rezepturen

Tretinoin Ph. Eur. Hinweise
SynonymeTretinoinum, Vitamin-A-Säure, Retinolsäure
therapeutische Konzentration
  • 0,025% bis 0,1%
  • obere Richtkonzentration 0,1%
rezeptierbarer pH-BereichpH ≥ 3
Stabilität

Oxidationsempfindlicher Wirkstoff:

  • Aufbewahrung der Substanz im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C
  • Abfüllung der Zubereitungen in lichtdichte Packmittel wie Aluminiumtuben
  • Zusatz von Butylhydroxytoluol (0,04%) als Antioxidans
InkompatibilitätBasisch reagierende Arzneistoffe wie Erythromycin
Herstellung
  • Aufgrund der teratogenen Wirkung direkten Umgang mit der Rezeptursubstanz möglichst vermeiden.
  • Suspensionszubereitungen: Verwendung eines halbfesten Konzentrats (Lipophiles Tretinoin-Rezepturkonzentrat 2 % NRF S.29.) oder mikronisierte Rezeptursubstanz
  • Lösungen und Hydrogele: Verwendung einer alkoholischen Stammlösung 3,33 g/L oder Rezeptursubstanz
Konservierung
  • Propylenglycol 20% (bezogen auf die Wasserphase)
  • Kaliumsorbat 0,14% in Kombination mit Wasserfreier Citronensäure 0,07%
  • PHB-Ester

Frage aus der Rezeptur?

Sie hatten eine schwer oder gar nicht herstellbare Rezeptur? Die Inhaltsstoffe waren beispielsweise nicht kompatibel? Die Phasen haben sich getrennt oder Ähnliches? Dann schicken Sie uns gerne eine Kopie des Rezepts. Wir greifen interessante Rezepturthemen in unserer Rubrik „Fragen aus der Rezeptur“ auf. Die Anfragen werden von unserer erfahrenen Rezeptur-Expertin Dr. Annina Bergner oder einem anderen kompetenten Ansprechpartner bearbeitet. Hierfür wird Ihre Anfrage per E-Mail weitergeleitet. Ihre persönlichen Daten werden nach der Bearbeitung gelöscht. Bitte beachten Sie, dass wir keine akute Hilfestellung vor der Abgabe leisten können.

Jetzt einsenden

Zurück