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Erster Migräne-Antikörper kurz vor EU-Zulassung

Foto: goodluz / Adobe Stock

Erenumab heißt der erste Antikörper, der das Leben von Migränepatienten erleichtern soll. Seit Mai 2018 dürfen US-amerikanische Ärzte Aimovig® bereits verordnen, in Europa fehlt derzeit noch die allerletzte Hürde – die Zulassung durch die Europäische Kommission. Allerdings rechnet Pharmahersteller Novartis noch in diesem Jahr mit dem europäischen Marktzugang. Erenumab ist nicht nur der erste Antikörper bei episodischer und chronischer Migräne. Aimovig® – aus der forschenden Zusammenarbeit von Novartis und Amgen – richtet sich auch gegen ein völlig neues Ziel bei Migräne. Der Antikörper greift in das CGRP-System ein. CGRP steht für Calcitonin Gene-Related-Peptide, das proinflammatorische Neuropeptid ist ein wichtiger Faktor im Entzündungsgeschehen bei Migräne. 

Amgen vermarktet Erenumab in den USA, während Novartis die Vermarktungsrechte für Europa besitzt.

Wie wirkt Erenumab?

Erenumab ist ein Antikörper, der den Rezeptor von CGRP blockiert. Somit verhindert Erenumab, dass das natürliche Substrat CGRP diesen aktivieren kann. CGRP erweitert meningeale Gefäße und trägt so zum Migränekopfschmerz bei. Diese CGRP-Hypothese wird durch zwei Beobachtungen gestützt: So weisen Patienten während einer Migräne-Attacke erhöhte Spiegel an CGRP auf. Zudem sind Injektionen mit dem proinflammatorischen Neuropeptid in der Lage, bei Migränikern Anfälle auszulösen.

Für wen wird Erenumab zugelassen?

Laut den Zulassungsunterlagen darf – so die Europäische Kommission die Zulassung erteilt – Erenumab bei erwachsenen Patienten mit episodischer und chronischer Migräne eingesetzt werden, wenn diese monatlich mindestens vier Kopfschmerztage haben. Eine chronische Migräne liegt ab 15 Migränetagen pro Monat vor. Frauen leiden etwa dreimal häufiger unter Migräne als Männer. Schätzungen gehen davon aus, dass Migräne rund 10 Prozent der Weltbevölkerung trifft. 

Erenumab ist hinsichtlich der Verabreichung recht patientenfreundlich: Eine einmal monatliche Dosis genügt. Novartis wird Aimovig® in einer Stärke von 70 mg anbieten, die Patienten können sich, nach erfolgter Einweisung, die monatliche Dosis durch einen Autoinjektor auch selbst applizieren.

Wie wird Migräne seither behandelt?

Die wirksamsten Substanzen bei akuten Migräne-Attacken stellen Triptane dar. Sie sind Agonisten an Serotonin-Rezeptoren (5HT1B/5HT1D), kontrahieren Gefäße und sollen dann zum Einsatz kommen, wenn Analgetika und NSAR nicht ansprechen. Innerhalb der Gruppe der oralen Triptane zeigen Eletriptan (Relpax®) und Rizatriptan (Maxalt®) die beste Wirksamkeit. Vom Nebenwirkungsprofil scheinen Eletriptan und Almotriptan (Almogran®; Selbstmedikation: Dolortriptan®) am verträglichsten. Dauern Migräne-Attacken sehr lange, sollten Ärzte auf Frovatriptan (Allegro®) und Naratriptan (Selbstmedikation: Formigran®) zurückgreifen. 

Aus der Gruppe der Analgetika und NSAR wirken ASS (1000 mg), Ibuprofen (200 – 400 mg), Metamizol (1000 mg), Diclofenac (50 – 100 mg) oder Kombinationsanalgetika (zwei Tabletten mit ASS 250 mg + Paracetamol 200 mg + Coffein 50 mg, Thomapyrin®). Verträgt der Patient NSAR nicht, sind Therapien mit 1000 mg Paracetamol oder 1000 mg Metamizol möglich. Migräne-bedingte Übelkeit kann mit Metoclopramid oder Domperidon bekämpft werden.

Erenumab hat das Rennen gemacht, aber weitere CGRP-Antikörper sind in der Pipeline

Amgen und Novartis ist es gelungen, mit Aimovig® den Migräne-Antikörper-Startschuss zu geben. Doch auch andere Pharmaunternehmen forschen an CGRP – und haben ihre Antikörper auch bereits recht weit in Studien untersucht. In Tevas Pipeline findet sich Fremanezumab. Der Antikörper richtet sich direkt gegen CGRP und nicht, wie Erenumab, gegen den Rezeptor von CGRP. Auch Eli Lilly und Alder Biopharmaceuticals verfolgen mit Galcanezumab und Eptinezumab den CGRP-Ansatz. Auch diese Antikörper antagonisieren CGRP direkt und nicht den Rezeptor.

Wie wurde Migräne seither präventiv behandelt?

Ein spezifisches Arzneimittel zur Prävention der Migräne gab es bislang nicht. Zum Einsatz kommen Wirkstoffe, die eigentlich in anderen therapeutischen Bereichen zuhause sind. Beispiele hierfür sind Betablocker oder Antiepileptika. Die aktuelle Leitlinie zur Therapie der Migräne und Migräne-Prophylaxe nennt die Betablocker Metoprolol und Propranolol, den Calciumantagonisten Flunarizin, die Antikonvulsiva Topiramat und Valproinsäure und Amitriptylin als am besten untersuchte Wirkstoffe. Ebenfalls wirksam sind laut den Experten Bisoprolol und Sartane. Diese seien allerdings weniger gut untersucht. Bei chronischer Migräne können auch Topiramat und OnabotulinumtoxinA zum Einsatz kommen.