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Schlafmittel bei Stiftung Warentest: Melatonin, Schlaf-gut-Tee oder Antihistaminika? Was hilft wirklich?

Bild: Andrey Popov / Adobe Stock

Laut Stiftung Warentest „plagen“ sich circa 30 Prozent der Deutschen gelegentlich oder regelmäßig mit Schlafproblemen. 2017 sollen die Hersteller rezeptfreier Schlafmittel einen Umsatz von 219 Millionen Euro erzielt haben. Der Umsatz beziehe sich allein auf Apotheken, andere Vertriebswege wie Drogerien, Reformhäuser und Onlineshops sind nicht eingerechnet. Genügend Anlass für die Warentest-Gutachter, entsprechende Studien auf Wirksamkeit und Risiken zu sichten. Deren Fazit: „Die meisten Mittel schneiden schlecht ab.“ 

Getestet wurden insgesamt 55 rezeptfreie schlaffördernde Präparate. 48 davon zählen laut Stiftung Warentest zu den „Medikamenten“: Arzneitees, Antihistaminika und Baldrianpräparate. Sechs der geprüften Präparate zählen zu den Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) oder diätetischen Lebensmitteln. Gekauft wurden die Präparate zwischen Dezember 2017 und Januar 2018. Die Preise wurden aus der Lauer-Taxe (Stand 1. Juni 2018 abgerufen). Bei Marken aus Drogerien wurden die Preise in der ersten Maihälfte 2018 bei den Anbietern erfragt.

Diphenhydramin und Doxylamin sind „geeignet“

Generell wurde bei den Präparaten geprüft, ob „günstige Effekte“ auf das Schlafen belegt sind und, ob Nutzen und Risiken einer Selbstbehandlung ohne ärztlichen Rat ausreichend geklärt sind. Nach welcher Methode Stiftung Warentest Arzneimittel grundsätzlich bewertet, kann man im Internet nachlesen. 

Antihistaminika – Diphenhydramin und Doxylamin – sollten maximal zwei Wochen angewendet werden. Der Körper kann sich an die Substanzen gewöhnen, sodass sie nicht mehr ausreichend wirken. Nebenwirkungen, die vor allem bei erhöhter Dosis auftreten können, sind Schwindel, Benommenheit und Verwirrtheit. Ältere Menschen sollten auf die Mittel möglichst verzichten. 

Den Wirkstoff Doxylamin enthalten die Präparate Schlafsterne®, Hoggar® Night und Gittalun®. Schlafsterne® ist mit 30 mg statt 25 mg pro Tablette etwas höher dosiert und laut Stiftung Warentest am preisgünstigsten (3,80 Euro für zehn Tabletten). Bei Gittalun® handelt es sich um Brausetabletten zum Trinken. Ebenfalls den Wirkstoff Doxylamin enthalten laut Lauer-Taxe die Präparate Schlaf Tabs® von Ratiopharm, der Saft Sedaplus® von CNP Pharma GmbH und die Lösung Valocordin® Doxylamin von Krewel Meuselbach GmbH. Bemerkenswert ist, dass unter der Dachmarke Valocordin auch rezeptpflichtige Diazepam-Tropfen (Valocordin® Diazepam) im Handel sind. 

Den Wirkstoff Diphenhydramin findet man laut Stiftung Warentest am preisgünstigsten in Vivinox® Sleep Schlaftabletten stark (50 mg pro Tablette). Die Hälfte des Wirkstoffs pro Tablette ist in Vivinox® Sleep Schlafdragees zum gleichen Preis enthalten. Als weitere Alternativen listet Stiftung Warentest die Halbmond-Tabletten® von Cheplapharm Arzneimittel GmbH und Betadorm®-D von Recordati Pharma GmbH.

Alle Tees wurden negativ bewertet

Außer Antihistaminika und Baldrian wurden alle rezeptfreien Präparate negativ bewertet, auch Tees. Schadstoffe waren laut Stiftung Warentest nicht das Problem. Frühere Untersuchungen hätten zwar gezeigt, dass Tees Pestizide oder beispielsweise Pyrrolizidin- und Tropanalkaloide enthalten können. Stiftung Warentest hat für die Juli-Ausgabe 2018 aber alle Tees auf Schadstoffe getestet und gibt diesbezüglich Entwarnung: Wenn, dann wurden nur geringe Mengen gefunden. 

Das Ritual eines Tees vor dem Zubettgehen mag wohltun und beruhigen und die typischerweise enthaltenen Pflanzen (Baldrian, Melisse, Hopfen, Passionsblume) gelten auch laut Stiftung Warentest als schonend. Trotzdem verleiht Warentest allen überprüften Tees nur das Urteil „wenig geeignet“, weil die Wirksamkeit der Zubereitungen nicht ausreichend in Studien belegt ist. 

Im Salus Gutnacht-Kräutertee Nr. 33 (Baldrianwurzel, Melissenblätter, Passionsblumenkraut, Pfefferminzblätter) wurden keinerlei Schadstoffe nachgewiesen. Auch „sehr gering mit Schadstoffen belastet“ ist der H&S Schlaf- und Nerventee (Baldrianwurzel, Melissenblätter, Hopfenzapfen).

Besser abraten: Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin

Drei der sechs getesteten Nahrungsergänzungsmittel und diätetischen Lebensmittel enthalten Vorstufen des „Schlafhoromons“ Melatonin: Tryptophan und 5-HTP (5-Hydroxytryptophan). Stiftung Warentest hat keinen Nachweis dafür gefunden, dass deren künstliche Zufuhr die Schlafqualität verbessert. Für Melatonin selbst gebe es mehr Evidenz – es fällt in Deutschland aber unter die Rezeptpflicht. Am ehesten könnte Melatonin laut Stiftung Warentest bei Jetlag helfen. Langzeitstudien zu Risiken fehlten.

„Nicht geeignet“

Kritisch merkt Stiftung Warentest an, dass drei Melatoninpräparate mit Dosierungen ab 0,5 mg rezeptfrei zu erhalten waren: „Alsiroyal Gut Einschlafen Melatonin hochdosiert“ Kapseln enthalten 2 mg Melatonin sowie einen Extrakt aus Passionsblume, Hopfenzapfen und Melisse. Das Präparat wird als „nicht geeignet“ eingestuft. In der Lauer-Taxe findet man dieses Präparat genau so wenig wie „Dreamquick Schlaf-Optimierer“ (enthält 3 mg Melatonin und Vitamin D3, B6, Taurin, Isovaleriansäure, Valeriansäure, Piperine), der ebenso „nicht geeignet“ ist. In der Lauer-Taxe gelistet, oder auch bei dm zum Verkauf angeboten, wird zwar „Green Doc Schneller Einschlafen“ (enthält 0,5 mg Melatonin und Melissenextrakt) – geeignet ist dieses Nahrungsergänzungsmittel laut Stiftung Warentest aber auch nicht. Eigentlich dürften alle drei NEM so gar nicht im Handel sein. Denn 2017 hat der Bundesgerichtshof die Revision gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle nicht zugelassen: NEM, die Melatonin enthalten, sind „Funktionsarzneimittel“, das Inverkehrbringen ohne Zulassung ist somit nicht erlaubt.

„Wenig geeignet“

Auch „wenig geeignet“, aber noch eher in Frage kommt dann laut Stiftung Warentest beispielsweise die „Cherry Plus Silence Nacht-Formulierung“, die im „Montmorency-Sauerkirschextrakt-Pulver“ 6 µg Melatonin enthält. Außerdem ist zum Beispiel Griffonia Simplicifolia Extrakt enthalten, in dem wiederum 50 mg 5-HTP enthalten sind. Melatonin ist laut Stiftung Warentest in diesem Präparat nur in Spuren enthalten und deshalb vernachlässigbar. Der Nutzen sei aber insgesamt nicht belegt. „Wenig geeignet“ ist auch das Präparat „Sleep2Relax“. Es ist zusätzlich kritisch zu betrachten, weil Brechnuss in nicht bekannten Mengen enthalten ist. In dieser Kategorie am ehesten, aber trotzdem auch „wenig geeignet“ ist das Präparat „Zein Pharma L-Tryptophan 500 mg“. Die Risikoangaben auf dem diätetischen Lebensmittel sind laut Stiftung Warentest zwar auch nicht ausführlich genug, außer Tryptophan scheinen aber keine weiteren Wirkkomponenten enthalten zu sein.

„Besonders schonend“: Baldrianpräparate

Von 33 getesteten Baldrian-Präparaten erachtet Stiftung Warentest bei acht die Wirksamkeit als am besten belegt. Zwei davon sind Kombinationspräparate mit Hopfen, die restlichen sechs sind Monopräparate aus Baldrian. Diese enthalten alle Trockenextrakte mit festgelegten Gehalten und Auszugsmitteln, sie sind laut Stiftung Warentest ausreichend hoch dosiert. 

Die am besten beurteilten Präparate erhalten das Urteil „mit Einschränkung geeignet“. Aus der Apotheke bekannt ist davon bei den Monopräparaten vor allem „Baldriparan Stark für die Nacht“ (441,35 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzel (6-7,4:1), Auszugsmittel: Ethanol 70 Prozent). Bei den Zweifachkombinationen aus Baldrian und Hopfen werden zwei Präparate als „mit Einschränkung geeignet“ betrachtet: „Abtei Nachtruhe Baldrian+Hopfen Einschlafdragees“ (200 mg Baldrianwurzel-Trockenextrakt (4-7:1), 14 mg Trockenextrakt aus Hopfenzapfen (7,7-9,5:1), Auszugsmittel: Methanol 45 Prozent) sowie „Klosterfrau Nervenruh Einschlafdragees“ (250 mg Baldrianwurzel-Trockenextrakt (4-5:1), 65 mg Hopfenzapfen-Trockenextrakt (3,4-4,2:1), Auszugsmittel: Methanol 50 Prozent).

Manche Baldrianpräpate sind „wenig geeignet“

„Baldriparan zur Beruhigung“ enthält neben Trockenextrakt aus Baldrianwurzel (95 mg, 3-6:1, Auszugsmittel: Ethanol 70 Prozent) und Hopfenzapfen (15 mg, 4-8:1, Auszugsmittel: Ethanol 40 Prozent) auch einen Trockenextrakt aus Melissenblättern (85 mg, 4-6:1, Auszugsmittel: Wasser), gilt aber als „wenig geeignet“. „Wenig geeignet“ seien beispielsweise auch „Vivinox Night Einschlafdragees, „Kytta-Sedativum“ und „Sedariston Konzentrat“, das neben Baldrianwurzel-Trockenextrakt auch Johanniskraut-Trockenextrakt enthält. Deshalb ist es aber auch nicht bei reinen Schlafstörungen indiziert: „Zur unterstützenden Behandlung von leichten vorübergehenden depressiven Störungen mit nervöser Unruhe und nervös bedingten Einschlafstörungen.“ 

Stiftung Warentest betont nochmals den verzögerten Wirkeintritt von Baldrian, der in der Apotheke ohnehin bekannt sein dürfte: Oft brauche es mehrere Tage bis Wochen Geduld. Außerdem wird geraten, entsprechende Verhaltenstipps zur Schlafhygiene zu nutzen und spätestens nach vier Wochen Schlafproblemen zum Arzt zu gehen.