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Protestmarsch in Berlin: Apotheker reagieren auf EU-Brief

Bild: privat

Am vergangenen Donnerstag war bekannt geworden, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland intensiviert, in dem es um die Rx-Preisbindung geht. Nach Informationen von DAZ.online hat die EU die Bundesrepublik nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung schon mehrfach angeschrieben, Deregulierungen gefordert und mit härteren Maßnahmen gedroht, nun folgte eine offizielle mit Gründen versehene Stellungnahme. In dem Brief fordert die Kommission die Bundesrepublik auf, innerhalb von zwei Monaten die Rx-Preisbindung für ausländische Apotheken komplett zu streichen. Die Kommission kritisiert das System der Festpreise aber grundsätzlich und argumentiert, dass es dem freien Binnenmarkt in der EU schade.

Welchen Einfluss diese Entwicklung auf den politischen Prozess hierzulande hat, ist noch völlig unklar. Dem Vernehmen nach wollen sich die gesundheitspolitischen Spitzen der Union noch in dieser Woche treffen, um über einen möglichen Konsens im Versandhandelskonflikt zu beraten. Und auch eine Stellungnahme der ABDA bleibt nach wie vor aus: Auf mehrfache Nachfrage von DAZ.online, wie man auf das Vertragsverletzungsverfahren reagieren wolle, gab es keine Antwort.

Etwas schneller sind dagegen drei junge Apotheker aus Berlin und Schleswig-Holstein. Die Berliner Inhaberin Maria Zoschke und ihr Angestellter Maximilian Wilke sowie der schleswig-holsteinische Apotheker Dr. Joachim Schrot wollen die jüngste Entwicklung nicht mehr einfach nur hinnehmen. Sie haben beim Bundesinnenministerium und der Polizei nun ganz offiziell einen Protestmarsch beantragt. Konkret soll es am kommenden Sonntag, also am 24. März, vom S-Bahnhof Friedrichstraße in Richtung Brandenburger Tor gehen. Die Route liegt in unmittelbarer Nähe des Bundesgesundheitsministeriums. Ganz gesichert ist der Protestmarsch noch nicht: Noch fehlt die Erlaubnis des Innenministeriums.

Hashtag #rettedeineapotheke

Auf Facebook und Twitter rühren die Jungpharmazeuten bereits die Werbetrommel und rufen zum Mitmachen auf. Sie haben ihrer Aktion auch einen Namen gegeben: Unter dem Hashtag #rettedeineapotheke werben sie für den Erhalt der inhabergeführten Apotheke vor Ort. Apothekerin Maria Zoschke, die gemeinsam mit einer anderen jungen Apothekerin zwei Apotheken in Berlin und Brandenburg betreibt, erklärt ihre Motivation:

Wir sind junge Apotheker und uns macht die neueste Entwicklung Angst. Wir haben Angst, dass unsere Zunft keine Zukunft mehr hat. Konkret sorgen wir uns jetzt darum, dass die Rx-Preisbindung komplett kippen könnte und wir dann schutzlos den großen, internationalen Versandkonzernen ausgeliefert wären. Finanziell wäre das nicht zu leisten. Einige Apotheker haben das ja schon gerechnet: Bei einem Rx-Bonus von 2,50 Euro wären das etwa 80.000 Euro Rohertragsverlust pro Apotheke und Jahr, das würde sicherlich die eine oder andere Apotheke in den Ruin treiben. Wir sind der Meinung, dass die Apotheker vor Ort einer der wichtigen Pfeiler im Gesundheitswesen ist. Wir sind nicht nur Arzneimittel-Abgeber, wir leisten mehr.“
Apothekerin Maria Zoschke

Worum geht es hier eigentlich? Gesundheitspolitik für PTA 

Was bedeutet dieser Brief der EU eigentlich und worum geht es beim Rx-Versandverbot? Welche Auswirkungen können oder werden entsprechende Entscheidungen auch auf die Zukunft von PTA in der öffentlichen Apotheke haben? Das erfahren Sie in dieser Podcast-Folge:

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Mit ihrer Aktion treffen die drei Apotheker einen sensiblen Zeitpunkt: Denn noch immer ist unionsintern nicht geklärt, wie es mit der von Jens Spahn (CDU) geplanten Apotheken-Reform weitergehen soll.

Spahn selbst würde der EU-Kommission am liebsten bedingt folgen, er hatte einen Rx-Boni-Deckel bei 2,50 Euro vorgeschlagen. Doch es gibt fraktionsinternen Gegenwind: Viele – auch prominente Unionspolitiker – wollen die Apotheken schützen und weisen auch darauf hin, dass in den vergangenen Wahlkämpfen für das Rx-Versandverbot getrommelt wurde.

Zoschke erklärt, was die drei Apotheker mit ihrem Marsch erreichen wollen:

Mit unserem Protestmarsch wollen wir die Menschen darauf hinweisen, dass es da derzeit ein Problem gibt mit den Apotheken. Auf politischer Ebene möchten wir natürlich auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn signalisieren, dass er sich gut überlegen soll, was er tut. Wir würden uns freuen, wenn er sich dafür entscheidet, der EU die Stirn zu bieten. Denn für uns steht fest: Das Gesundheitswesen muss in deutscher Hand bleiben und sollte nicht durch EU-Regularien unterwandert werden. Auch wollen wir darauf hinweisen, dass es aus unserer Sicht ein großer Fehler ist, davon auszugehen, dass Arzneimittel ein normales Wirtschaftsgut sind. Arzneimittel sind ein besonderes Gut, das dem Schutz der menschlichen Gesundheit dient. Sie sollten von der EU auch so behandelt werden und nicht immer nur unter dem Punkt ‚Binnenmarkt‘ besprochen werden.“
Apothekerin Maria Zoschke