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Zum Tag der Epilepsie : Die „heilige“ Krankheit

Über Jahrhunderte hinweg glaubten Menschen, dass bei Epilepsie (Fallsucht) höhere Mächte im Spiel seien. Heute weiß man: Plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen in der Hirnrinde führen zu den typischen Symptomen. | Bild: DonkeyWorx / Adobe Stock

Erschreckende Szenen

Ein epileptischer Anfall kann einen dramatischen Anblick bieten: Der Betroffene stürzt unkontrolliert zu Boden; sein Körper ist verkrampft; die Pupillen sind geweitet; der ganze Körper wird von groben Zuckungen ergriffen; es kann zu Verletzungen kommen. Nach kurzer Zeit erlangt der Patient das Bewusstsein wieder, ist aber total erschöpft. Er hat einen sogenannten Grand Mal erlitten – einen „großen Anfall“. Dies ist eine schwere Epilepsieform, gekennzeichnet durch tonisch-klonische Krämpfe und Bewusstseinsverlust.

Von Gott oder des Teufels?

Epileptische Anfälle ängstigen die Menschen schon seit Urzeiten. Über Jahrhunderte herrschte die Meinung vor, bei der Epilepsie (Fallsucht) seien höhere Mächte im Spiel. Es wurde von der „heiligen“ oder „übernatürlichen“ Krankheit gesprochen. Auch Bezeichnungen wie „Mondkrankheit“, „dämonisches Leiden“ oder „Zuchtrute Christi“ zeugen vom früheren Aberglauben. Allerdings vertrat bereits der berühmte antike Arzt Hippokrates etwa 400 vor Christus die Ansicht, dass die Epilepsie auf einer Gehirnerkrankung beruhe.

Tag der Epilepsie am 5. Oktober

Um Vorurteile auszuräumen und die Öffentlichkeit zu informieren, hat die Deutsche Epilepsievereinigung 1996 den „Tag der Epilepsie“ ins Leben gerufen. Er findet alljährlich am 5. Oktober statt. In diesem Jahr steht er unter dem Motto „25 Jahren Tag der Epilepsie – gemeinsam stark“. Damit soll auf die stetig wachsende Selbsthilfearbeit hingewiesen werden. 

Aufschlussreiche Hirnströme

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machte die Wissenschaft eine entscheidende Entdeckung: Das epileptische Geschehen hängt mit elektrischen Vorgängen an Gehirnzellen zusammen. Mit Kaliumbromid wurde außerdem das erste Medikament gefunden, das epileptische Anfälle hemmen konnte. Einen weiteren Fortschritt brachte die Entwicklung der Elektroenzephalographie (EEG) im Jahr 1929. Krankhafte Hirnveränderungen ließen sich nun durch die Aufzeichnung der Hirnströme genauer analysieren.

Synchrone neuronale Entladungen

Heute wissen wir, dass es beim epileptischen Anfall zu einer plötzlichen, unkontrollierten elektrischen Entladung größerer Nervenzellverbände der Hirnrinde kommt. Klassische Antiepileptika wie beispielsweise Carbamazepin, Lamotrigin oder Valproat erhöhen sozusagen die elektrische Entladungsschwelle der Neuronen, indem sie Ionenkanäle oder Neurotransmitterkonzentrationen beeinflussen. Auf diese Weise beugen sie Anfällen vor. Es gibt verschiedene Formen von Epilepsie. Manche Anfallsformen sind durch nur lokale Muskelzuckungen oder kurze Absencen gekennzeichnet und für Außenstehende kaum wahrnehmbar.

Keine Geistesschwäche

Die Epilepsie ist eine häufige neurologische Erkrankung. Bis zu 3 Prozent der Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens daran. Ursachen können zum Beispiel Hirntraumata, Stoffwechselstörungen oder Entzündungen sein. Trotz der weiten Verbreitung halten sich nach wie vor viele Fehlinformationen. So hat die Epilepsie nichts mit einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche zu tun. Auch führen wiederholte Anfälle nicht zu kognitivem Abbau. Es handelt sich auch nicht um eine klassische Erbkrankheit – wenngleich häufig eine genetische Veranlagung mitspielt. Quellen: Deutsche Gesellschaft für Epileptologie e.V.; Deutsche Epilepsievereinigung e.V.; Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN); W. U. Eckart: Geschichte der Medizin, Springer-Verlag 2005