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Warum Pentasa Zäpfchen angefeuchtet werden müssen

Bild: Ferring / chinnarach / Adobe Stock

Die AMK (Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker) erreichen seit Mitte 2019 vermehrt Meldungen zu Pentasa® 1000 mg Zäpfchen. Das mesalazinhaltige Arzneimittel verordnen Ärzte zur Behandlung der Colitis ulcerosa, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. Die Zäpfchen werden dafür einmal täglich rektal [Rektum = Mastdarm, Teil des Dickdarms (Colon), dient der Zwischenspeicherung des Kots] eingeführt.

Zur Erinnerung: Was ist Colitis ulcerosa?

  • Colitis ulcerosa (CU) zählt – wie auch Morbus Crohn – zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Im Gegensatz zu Morbus Crohn ist von der Entzündung jedoch nur der Dickdarm kontinuierlich betroffen, und die Entzündung beschränkt sich auf die Darmschleimhaut (Mukosa und Submukosa). In Deutschland erkranken statistisch gesehen jährlich 3 bis 3,9 Patienten neu an CU. Frauen und Männer trifft die Erkrankung gleich häufig, wobei klassischerweise das Alter der Ersterkrankung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr liegt.

Allerdings berichten laut AMK seit geraumer Zeit sowohl Patienten als auch Heilberufler über Arzneimittelrisiken in Zusammenhang mit der Anwendung von Pentasa® 1000 mg Zäpfchen. Konkret beanstandeten die Meldenden, dass die Zäpfchen eher Tabletten glichen und daher nicht korrekt gekennzeichnet seien. Zudem erreichten die AMK die beiden folgenden Nebenwirkungen:

  • Anhaften des Zäpfchens im Analkanal (mit Schleimhaut ausgekleidetes Lumen des Anus, der den Dickdarm mit der Außenwelt verbindet), in dessen Folge ein vermehrter Defäkationsreiz auftrat, in Verbindung mit örtlichem Brennen bis hin zum Aufweichen (Mazeration) der Schleimhaut mit Blutbeimengungen. Die Beschwerden besserten sich, nachdem das Zäpfchen entfernt wurde.
  • Häufig wurde zudem berichtet, dass sich das Zäpfchen nicht „auflöst“.

Nach Einschätzung der AMK lassen sich die Nebenwirkungen und Beobachtungen auf Anwendungsfehler beim Einführen zurückführen, denn die „spezielle Galenik der Zäpfchen“ erfordere „eine besondere Handhabung zum Einführen in das Rektum“. Was macht Pentasa® Zäpfchen so „speziell“ und „besonders“?

Zur Erinnerung: Wie wirkt Mesalazin? 

Bei Colitis ulcerosa kommt unter anderem Mesalazin – der wirksame Bestandteil von Sulfasalazin – oral oder rektal zum Einsatz. Der genaue Wirkmechanismus von Mesalazin ist nicht verstanden.

Patienten, die an CU leiden, zeigen eine verstärkte Einwanderung von weißen Blutkörperchen (Leukozytenmigration) und neigen zu einer verstärkten Produktion von Entzündungsmediatoren wie Cytokine und Leukotriene sowie zur Bildung freier Radikale. Mesalazin hemmt sowohl die Leukozytenmigration als auch die Cytokin- und Leukotrienproduktion und fängt darüber hinaus freie Radikale ab. Welcher der Mechanismen dabei den stärksten Effekt auf die Kontrolle der CU ausübt, ist nicht bekannt.

Zäpfchen ohne Hartfett – zerfällt lediglich!

Die AMK erklärt: „Die bei Pentasa® Zäpfchen verwendete Grundmasse besteht nicht wie üblich aus Hartfett, sondern unter anderem aus wasserunlöslichem Talkum und Magnesiumstearat.“ Das an eine Oblongtablette erinnernde Zäpfchen zerfalle daher lediglich im Rektum und bilde dort eine Suspension – das könne beim Patienten den Eindruck des „Nicht-Auflösens“ erwecken.

Zäpfchen vor dem Einführen anfeuchten!

Zudem sei die Oberfläche der Presslinge nicht wachsartig, sondern könne rau sein und scharfe Kanten aufweisen. „Daher kann ein allseitiges Befeuchten mit Wasser zur Erleichterung der Applikation nötig werden, um ein sicheres Einführen in das Rektum zu ermöglichen.“ Ansonsten steige das Risiko, dass das Zäpfchen im Analkanal haften bleibt und dort örtlich zu Nebenwirkungen führt.

Beipackzettel informiert nicht über richtige Anwendung

Erklären PTA und Apotheker bei der Abgabe von Pentasa® 1000 mg Zäpfchen diese beiden Besonderheiten – Zäpfchen löst sich nicht und muss vor dem Einführen angefeuchtet werden –, fördert dies die richtige Anwendung, senkt das Nebenwirkungsrisiko und trägt zur Therapietreue der Patienten bei. Diese Hinweise bei der Beratung sind vor allem vor dem Hintergrund wichtig, dass die Fach- und Gebrauchsinformationen der Pentasa® 1000 mg Zäpfchen nicht über diese Besonderheiten aufklären. Im Beipackzettel finden die Patienten lediglich:

Wie sind Pentasa® Zäpfchen anzuwenden?
Wenden Sie Pentasa® Zäpfchen immer genau nach der Anweisung des Arztes an. Bitte fragen Sie bei Ihrem Arzt oder Apotheker nach, wenn Sie sich nicht ganz sicher sind.
Falls vom Arzt nicht anders verordnet, ist die übliche Dosis:
Erwachsene: Täglich 1 Zäpfchen in den Darm einführen.
Art der Anwendung
Rektale Anwendung.“

Die AMK fordert hier den Hersteller auf, nachzubessern und „die notwendigen (Anwendungs-)Hinweise im offiziellen Teil der Gebrauchsinformation zu ergänzen“.

Haben Apotheken seither schlecht oder gar nicht beraten?

Die Frage kommt auf, warum denn offensichtlich seitens der Apotheken diese Hinweise für den Patienten seither versäumt wurden, sodass sich die Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei der AMK jüngst häuften. Allerdings nimmt die AMK Apotheker und PTA an dieser Stelle in Schutz, denn „eine zielgerichtete Beratung zur Anwendung der Zäpfchen […] konnte offensichtlich nicht erfolgen, weil weder die Bezeichnung des Arzneimittels oder die Umverpackung noch die Apothekensoftware – abgesehen von der hilfsstofflichen Zusammensetzung – hierzu Anlass bot“. Erst bei Entnahme des Zäpfchens aus dem Aluminiumblister sei zu erkennen, dass Pentasa® keine Hartfettzäpfchen sind – im Gegensatz zum Marktführer (Salofalk®).

Warum häufen sich die Meldungen erst seit Mitte 2019?

Verwunderlich ist auch, warum sich – obwohl Pentasa® 1000 mg Zäpfchen seit 1993 zugelassen sind – erst seit letztem Jahr die Meldungen zu Arzneimittelrisiken häufen? Das hängt nach Einschätzung der AMK mit dem neuen Rahmenvertrag zusammen, der seit Anfang Juli 2019 „häufig verpflichtet, den Marktführer gegen Pentasa® Zäpfchen auszutauschen“.

Pharmazeutische Bedenken geltend machen

In diesem Zusammenhang übt die AMK Kritik an diesem Austausch und bittet Apotheker und PTA darum, insbesondere Erstanwender von Pentasa® Zäpfchen (auch Importe) angemessen zu beraten und „bei Hinweisen zur mangelnden Therapietreue gegebenenfalls pharmazeutische Bedenken geltend zu machen und zu dokumentieren“.