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Leseprobe PTAheute 18/2021: Fit und selbstbestimmt – Krafttraining für Senioren

Regelmäßige körperliche Bewegung kann die Selbstständigkeit im Alter erhalten und einem erhöhten Sturzrisiko entgegenwirken. | Bild: LIGHTFIELD STUDIOS/AdobeStock

Das Wichtigste vorweg: Muskelaufbau ist in jedem Alter möglich. Muskelkraft und Ausdauer können auch beim älteren Menschen um bis zu einhundert Prozent verbessert werden. Tut man nichts dagegen, so beginnt bereits ab dem dreißigsten Lebensjahr der Abbau von Muskelmasse und Muskelkraft. Beim Erreichen des siebzigsten Lebensjahres kann der Körper zwischen dreißig und vierzig Prozent seiner ursprünglichen Muskelmasse verloren haben. Eine ausreichend ausgebildete Muskulatur ist aber die Voraussetzung für Mobilität und für ein selbstbestimmtes, selbstständiges Leben. Den Alltag kann nur alleine meistern, wer in der Lage ist, Treppen zu steigen, Einkäufe zu tragen oder auch in einer angemessenen Zeit aus seinem Sessel aufzustehen, um beispielsweise zur Toilette zu gelangen. Genau dies ist vielen Menschen sehr wichtig: bei alltäglichen Handlungen nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.

Sarkopenie verhindern

Zwei Begriffe beschreiben den Verlust an Kraft und an Selbstständigkeit im Alter. Wenn ein Mensch von Sarkopenie betroffen ist, so leidet er an nachlassender Muskelmasse, Muskelkraft und damit auch an mangelnder Ausdauer. Hier ist nicht nur die verringerte körperliche Leistungsfähigkeit ein großes Problem, auch kommt es bei Betroffenen häufiger zu Stürzen. Knochenbrüche führen zu vorübergehender Immobilität und damit zu noch stärkerem Abbau der Muskelmasse. Da sich anstelle der abgebauten Muskelfasern Fettgewebe einlagern kann, ist die Entwicklung einer Sarkopenie nicht immer offensichtlich am Erscheinungsbild festzumachen. Auch adipöse Menschen können von Sarkopenie betroffen sein. Daher wird diese an Faktoren wie dem Gehtempo und der Griff­stärke gemessen. Außerdem kann die vorhandene Muskelmasse durch Dual-Röntgen-Absorptiometrie bestimmt werden, die auch zur Knochendichtemessung bei Verdacht auf Osteoporose angewandt wird.

Mehr zum Thema Sarkopenie, zur Prophylaxe und Behandlung erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der PTAheute.

Mit Krafttraining gegensteuern

Als zweiter wichtiger Begriff, der eng mit der Sarkopenie verbunden ist, gilt Frailty – die Gebrechlichkeit. Der englische Ausdruck bezeichnet eine Ansammlung von körperlichen und auch psychischen Defiziten. Neben der verlangsamten Gehgeschwindigkeit und geringeren Handgriffstärke, die auch die Sarkopenie kennzeichnen, zählen hierzu auch eine auffällige Erschöpfung, wenig körperliche Aktivität wie auch ein starker unfreiwilliger Gewichtsverlust oder depressive Symptome.

Da Betroffene unter einer starken Einschränkung der Lebensqualität bis hin zum Verlust der Selbstständigkeit leiden, ist es wichtig, rechtzeitig gegenzusteuern. Neben einer ausreichenden Versorgung mit hochwertigem Eiweiß und Vitamin D spielt hier Bewegung und Krafttraining eine zentrale Rolle. Dabei kann es hilfreich sein, das Training unter Anleitung in einer Gruppe durchzuführen. Viele Übungen kann man aber auch zu Hause ohne große Anschaffungen ausführen.

Training ohne große Hilfsmittel

Als Hilfsmittel dienen eine Wand oder ein Stuhl in Verbindung mit dem eigenen Körpergewicht, eventuell kann man noch Gewichtsmanschetten oder elastische Bänder zu Hilfe nehmen. Wichtig ist, die Übungen wiederholt auszuführen und zwei- bis dreimal pro Woche, an nicht aufeinanderfolgenden Tagen, zu trainieren. Auch Übungen zur Balance sollten Teil des Trainings sein. Man kann sie auch in den Alltag integrieren, zum Beispiel indem man sich angewöhnt, beim Zähneputzen immer auf einem Bein zu stehen oder bestimmte Strecken auf Zehenspitzen zu gehen. 

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellt Broschüren unter www.gesund-aktiv-aelter-werden.de zur Verfügung, die man sich herunterladen oder auch bestellen kann. Hier sind Übungen beschrieben, die man zu Hause leicht durchführen kann. Ebenfalls von der BZgA angeboten werden Übungsvideos unter www.aelter-werden-in-balance.de/online-bewegungsangebote. Hat man sich entschieden, aktiv zu werden, so ist es natürlich sinnvoll und wichtig, vorher mit dem Hausarzt zu besprechen, welche Art und welches Ausmaß an Training individuell zu empfehlen sind. Dies gilt vor allem auch, wenn Grunderkrankungen wie Rheuma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegen.

Training für alle?

Absolute Kontraindikationen für ein Krafttraining sind diese Grunderkrankungen allerdings sehr selten. So weist zum Beispiel die Deutsche Rheuma-Liga darauf hin, dass Menschen mit rheumatoider Arthritis elfmal häufiger von Sarkopenie betroffen sind als Menschen gleichen Alters ohne diese Grunderkrankung. Hier ist es daher besonders wichtig, dass diese Entwicklung nicht noch durch einen Mangel an Bewegung verstärkt wird. Was als Übungsprogramm möglich ist, muss individuell je nach Krankheitszustand entschieden werden. Auch nach dem Einsatz einer Hüftprothese wird heutzutage eindeutig zu Bewegung und Krafttraining geraten. Früher kam es durch Belastung zu Materialverschleiß beim künstlichen Hüftgelenk. Eine dadurch ausgelöste Entzündung führte oft zum Knochenabbau in der Umgebung und dadurch zu einer Lockerung des künstlichen Gelenks. Dies ist bei modernen Materialien jedoch nicht mehr zu befürchten. Daher wird nun sogar empfohlen, die Muskulatur um die Hüftendoprothese gezielt zu stärken. Allerdings sollte mit dem Training erst drei bis sechs Monate nach der Operation begonnen werden. Auch dann sollten Belastungsspitzen und abrupte Drehbewegungen vermieden werden. So ist es auch bei Gelenkersatz sinnvoll, sich vor Beginn eines Trainings individuell beraten zu lassen.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Für viele Übungen braucht man gar keine besonderen Hilfsmittel. Man kann beispielsweise Wasserflaschen als Gewichte benutzen. Viele Übungen lassen sich auch direkt in den Alltag einbinden.“
  • „Während man früher oft zu Ruhe geraten hat, weiß man heute, dass auch schon moderate Bewegung viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringt.“
  • „Eine gewisse Grundfitness und Muskelkraft sind essenziell, damit Sie weiterhin ohne fremde Hilfe Ihren Alltag gestalten können.“

Angepasste Intensität

Dasselbe gilt bei Vorliegen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Krafttraining wird in der kardiologischen Rehabilitation ausdrücklich empfohlen. Es weist vieles darauf hin, dass durch Krafttraining zum Beispiel der Ruheblutdruck gesenkt werden kann. Hier ist es natürlich extrem wichtig, das richtige Maß des Trainings vorher durch ärztlichen Rat festzulegen. Tatsächlich gibt es auch wenige Erkrankte, denen ein Krafttraining nicht empfohlen werden kann. Ausschlusskriterien können unter anderem eine nicht eingestellte Angina pectoris, unkontrollierte Herzrhythmusstörungen oder eine nicht ausreichend behandelte Herzinsuffizienz sein. Daher gilt die unbedingte Grundregel, bei Vorliegen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung vor Beginn eines Trainings immer erst vom Arzt das kardiologische Risiko bestimmen zu lassen und Trainingsart sowie Intensität vorab zu besprechen. So kann der Arzt zum Beispiel bestimmen, wie hoch die Herzfrequenz beim Training ansteigen darf. Empfiehlt der Arzt, ein Training zu beginnen, so kann man sich auch hier viele Anregungen im Internet suchen. Beispielsweise bietet die Firma Novartis Trainingsvideos bei Herzinsuffizienz unter www.ratgeber-herzinsuffizienz.de/leben-mit-herzinsuffizienz/bewegungsvideos. Ist man unsicher, welches Trainingsausmaß das richtige ist, so sind betreute Herzsportgruppen zu empfehlen.

Besser wenig Bewegung als keine Bewegung

Zusammenfassend kann man sagen, dass ein regelmäßiges Kraft- und Ausdauertraining für den gesunden älteren Menschen und auch für viele, die an Grunderkrankungen leiden, absolut empfehlenswert ist. Sarkopenie und Gebrechlichkeit kann so aktiv entgegengewirkt werden. Muskelkraft und Knochendichte werden aufgebaut und das Sturzrisiko wird vermindert. Allerdings kann man sicher nicht jeden älteren Menschen auf längere Sicht motivieren, mehrmals die Woche Sport zu treiben. Die WHO empfiehlt für Erwachsene mindestens 150 Minuten Bewegung in der Woche. In diesem Zusammenhang ist aber wichtig, dass jeder kleine Schritt in Richtung mehr Bewegung ein Erfolg ist. Daher ist jedem, der (noch) nicht bereit für regelmäßiges gezieltes Training ist, zu raten, mehr Bewegung in seinen Alltag einzubauen. 

Das Wichtigste in Kürze

  • Muskelkraft und Ausdauer können auch beim älteren Menschen verbessert werden. Eine ausreichend ausgebildete Muskulatur ist die Voraussetzung für Mobilität und für ein selbstbestimmtes, selbstständiges Leben.
  • Neben Übungen aus Onlinekursen, Videos und Broschüren sollte bei einigen Grunderkrankungen, wie Herzinsuffizienz, ein Arzt beratend zur Seite stehen. Er kann dabei helfen, die Trainingsintensität und -art an den Gesundheitszustand anzupassen.
  • Während früher oft zu Ruhe und Schonung geraten wurde, ist heute mehr über die positiven Wirkungen von körperlicher Bewegung und gezieltem Training bekannt.