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PTA aus der Ukraine – eine Chance für deutsche Apotheken?

Können ukrainische PTA in deutschen Apotheken ihren Beruf ohne Weiteres ausüben? | Bild: IMAGO / aal.photo

Kommen Menschen, die im Ausland eine pharmazeutische Ausbildung absolviert haben, nach Deutschland, können sie zum Nachweis der Gleichwertigkeit zwischen einem Anpassungslehrgang oder einer Kenntnisprüfung wählen. Werden in der Kenntnisprüfung Defizite festgestellt, müssen diese nachgeschult werden. Andernfalls kann eine Berufserlaubnis nicht erteilt werden. 

Angemessene Sprachkenntnisse erforderlich

Berufsangehörige, deren ausländische Ausbildung anerkannt wird, müssen außerdem über Sprachkenntnisse verfügen, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit in Deutschland erforderlich sind. 

Anerkennung in der Praxis deutlich schwieriger

Burkhard Pölzing, Schulleiter der Völker-Schule in Osnabrück. | Bild: Völker-Schule

Nach Erteilung der Berufserlaubnis dürfen die anerkannten PTA dann in deutschen Apotheken arbeiten. So weit die Theorie. In der Praxis sieht es jedoch anders aus, berichtet Burkhard Pölzing.  

Er ist Schulleiter der Völker-Schule in Osnabrück, die bereits seit August 2020 einen speziellen Vorbereitungskurs anbietet. Mit diesem soll ausländischen Fachkräften der Zugang zu deutschen Apotheken ermöglicht werden. Außerdem ist er auch als Gutachter für die Einschätzung ausländischer Abschlüsse und deren Anerkennung in Deutschland tätig.  

Herr Pölzing, Sie bereiten seit knapp zwei Jahren ausländische PTA auf die Eignungs- bzw. Kenntnisprüfung vor. Darunter befinden sich auch viele Geflüchtete, beispielsweise aus Syrien oder anderen Staaten. Aktuell kommen viele Geflüchtete aus der Ukraine nach Deutschland. Gibt es in der Ukraine den PTA-Beruf? 

Burkhard Pölzing:

In der Ukraine gibt es den Beruf „Junior Spezialistin Pharmazie“ oder auch „Junior Spezialist Pharmazie“. Ähnlich wie in Deutschland ist der Anteil der Frauen in diesem Beruf sehr hoch. Die Apotheker in der Ukraine heißen „Spezialisten Pharmazie“. Die Eingangsvoraussetzung für eine Ausbildung zur Junior Spezialistin Pharmazie ist ein mittlerer Schulabschluss. Es handelt sich um eine dreijährige Ausbildung an einer Fachschule. 

Wie unterscheidet sich die ukrainische Ausbildung von der deutschen?

Burkhard Pölzing:

Es gibt im Vergleich zur deutschen PTA-Ausbildung einige ähnliche Fächer. Schwierig wird es manchmal, zwischen theoretischem und praktischem Unterricht zu unterscheiden. Ist in den Unterlagen beispielsweise von „Arzneimittelherstellung“ die Rede, ist nicht klar, ob die Kollegin aus der Ukraine auch praktische Kenntnisse hat oder sich nur in der Theorie mit der Herstellung von Rezepturen auskennt. Meine Erfahrung hat bislang gezeigt, dass es in Sachen praktischer Übungen sehr viel Nachholbedarf gibt bei den ukrainischen Kollegen.

Leibeserziehung, philosophische Kenntnisse und Geschichte der Ukraine

Welche Probleme gibt es bei der Anerkennung noch?

Burkhard Pölzing:

Die angehenden Junior Spezialistinnen Pharmazie haben Unterricht in Fächern, die es in der deutschen Ausbildung gar nicht gibt. Dazu gehören beispielsweise Sport und Leibeserziehung, Grundlagen philosophischer Kenntnisse, Soziologie und Wirtschaftstheorie oder auch Geschichte der Ukraine. Damit fallen sehr viele Unterrichtsstunden weg, die wir in Deutschland so nicht anrechnen können. Auch die Erarbeitung von Referaten oder ein Selbststudium können nicht als Unterrichtsstunden angerechnet werden.  

In Deutschland sind 2.600 Stunden Anwesenheit im Schulbetrieb vorgesehen. Zusätzlich bekommen die PTA-Schüler Hausaufgaben und müssen Ausarbeitungen bzw. Referate vorbereiten (in ihrer Freizeit). In der Ukraine wird das teilweise als Unterrichtszeit mit angerechnet. Deshalb ist es nicht ganz einfach, festzustellen, ob die Ausbildung wirklich der unseren entspricht und gleichwertig ist. Und man muss sich da eigentlich immer mit dem Einzelfall beschäftigen, was bei den Behörden im Grunde auch genau so passiert.

Integration ukrainischer PTA in der Apotheke

Herr Pölzing, gehen wir mal von einem schönen Fall aus: Eine Junior Spezialistin Pharmazie kommt in eine Apotheke, ist dabei, die deutsche Sprache zu erlernen, und möchte gerne in ihrem Beruf arbeiten. Wie können die Apothekenteams bzw. die Leitungen sie hier unterstützen?

Burkhard Pölzing:

Auch ohne bereits erfolgte Anerkennung als PTA gibt es Möglichkeiten, in einer Apotheke tätig zu werden. Im Rahmen einer Hospitation könnte die ukrainische Kollegin dem Apothekenteam einfach zuschauen und sich ein Bild von den Abläufen in einer deutschen Apotheke machen.  

Selbst pharmazeutisch mitarbeiten darf sie natürlich noch nicht. Aber sie könnte die Kolleginnen und Kollegen bei der Beratung und Rezepturherstellung beobachten, sich die Fertigarzneimittel anschauen und sich mit Fachinformationen und Fachliteratur beschäftigen.  

Neben der Hospitation gäbe es auch noch die Möglichkeit, im nichtpharmazeutischen Bereich der Apotheke mitzuarbeiten und sogar Geld zu verdienen. Ein Beispiel wäre das Backoffice inklusive Botendienst. Beides kann eine gute Möglichkeit sein, die deutschen Sprachkenntnisse auszubauen und sich mit den Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Parallel kann sie den Schritt der Anerkennung ihres ausländischen Abschlusses gehen.

BVpta e. V. hilft bei der Anerkennung ukrainischer „PTA“

Der BVpta e. V. möchte ukrainische Geflüchtete mit pharmazeutischer Ausbildung, die in Deutschland bleiben und arbeiten möchten, unterstützen.

Hierzu bietet der Verband Eingangsgespräche und Erstberatung zu einer beruflichen Tätigkeit in einer Apotheke oder im pharmazeutischen Sektor in Deutschland, hilft bei der Prüfung der individuellen Voraussetzungen, vermittelt Gutachter zur Prüfung der möglichen Anerkennung des erlernten Berufes und unterstützt beim Erlernen der deutschen Sprache. 

Betroffene können sich unter info@bvpta.de oder telefonisch unter 0681-960230 melden.

Mit dem Vorbereitungskurs zur Anerkennung

Wenn der Berufsabschluss aus der Ukraine nicht so ohne Weiteres anerkannt wird, was können die Kolleginnen und Kollegen tun?

Burkhard Pölzing:

Die Völker-Schule in Osnabrück bietet einen länderübergreifenden Vorbereitungskurs für die Eignungs- bzw. Kenntnisprüfung für pharmazeutisch-technische Assistenten an. Zugewanderte mit im Ausland erworbenem pharmazeutischem Abschluss können sich bundesweit für den Kurs anmelden. Voraussetzung ist ein (Teil-)Gleichwertigkeitsbescheid der zuständigen Anerkennungsbehörde und mindestens das Sprachniveau B1.  

Ziel des Vorbereitungskurses ist es, die fachsprachlichen Deutschkenntnisse sowie die beruflichen Fähigkeiten und Kompetenzen zu vermitteln, um die Berufserlaubnis als PTA in Deutschland zu erhalten.

Da der Kurs in der Lernform „Blended Learning“ (einer Mischung aus Präsenzveranstaltungen und E-Learning) angeboten wird, können Teilnehmer aus ganz Deutschland online mitmachen und auch einen Nebenjob ausüben. Für die Praxiswochen treffen sie sich in Osnabrück.  

Ein Einstieg in den Modulkurs ist ganzjährig möglich. Der Kurs dauert insgesamt ein Jahr. Er umfasst theoretischen Online-Unterricht im virtuellen Klassenzimmer und vier Präsenzwochen mit praktischem Unterricht in der Völker-Schule in Osnabrück.  

Wie funktioniert der Kurs in der Praxis?

Burkhard Pölzing:

In einer schuleigenen „Übungsapotheke“ probieren sich die Teilnehmenden an Beratungsgesprächen zu verschiedenen Apothekenpraxisthemen.

Im Theorieunterricht werden Kenntnisse in Arzneimittelkunde, Medizinproduktekunde, Ernährungskunde und Diätetik oder Körperpflegekunde sowie auch in Mathematik, EDV, rechtlichen Fragestellungen oder chemisch-pharmazeutischen Übungen vermittelt.  

Der Umfang der jeweiligen Qualifizierung richtet sich nach den individuellen Vorkenntnissen der Teilnehmenden und wird bedarfsorientiert aus unterschiedlichen Modulen zusammengesetzt. Abschließend findet die Eignungs- bzw. Kenntnisprüfung statt.

Der Kurs umfasst 32 Wochenstunden, die vormittags absolviert werden müssen. Das soll den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Chance bieten, einen Teilzeitjob (zum Beispiel in einer Apotheke) auszuüben und so ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Wer trägt die Kosten für den Vorbereitungskurs?

Wie wird der Kurs finanziert? Welche Kosten kommen auf die Teilnehmenden zu?

Burkhard Pölzing:

Die Teilnahme ist für Fachkräfte mit Migrationshintergrund kostenfrei. Die Finanzierung erfolgt über das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“. Dieses zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. 

Das Programm wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und den Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert sowie durch das Land Niedersachsen kofinanziert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Bundesagentur für Arbeit (BA).

Ukrainische PTA – eine Chance gegen den Fachkräftemangel?

Eine wichtige Frage zum Schluss: Denken Sie, dass mit der Zuwanderung, vor allem ukrainischer PTA, der Fachkräftemangel im Apothekenbereich in einigen Jahren behoben werden könnte?

Burkhard Pölzing:

Es werden Fachkräfte zusammenkommen, das glaube ich ganz gewiss. Aber es wird allein nicht reichen, um die Personalsituation in den Apotheken nachhaltig zu verbessern. 

Könnte es für Apotheken eine Chance sein, ukrainisches Personal zu beschäftigen?

Burkhard Pölzing:

Die Apotheken gewinnen mit einer ukrainischen PTA letztendlich Personal, das wiederum (ukrainisch sprechende) Kundschaft an sich bindet. Da ist ja auch die Sprachkompetenz ein ganz wichtiger Aspekt. Und wenn man sich ansieht, wie viele Menschen aus der Ukraine hierherkommen, ja, dann wird man auch erkennen, dass sich eben da auch ein gewisser Umsatz generieren lässt.  

Wenn ich es schaffe, mich als Apotheke da zu positionieren, und ich habe eine ukrainische PTA in meiner Apotheke, dann werden viele ukrainische Kunden zu mir in den Betrieb kommen. Also insofern ist das sicherlich eine gute Chance, aber den Fachkräftemangel kriegen wir so nicht in den Griff.  

Vielen Dank für das Interview, Herr Pölzing!