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Leseprobe PTAheute 11/2022: Harnwegsinfekt beim Mann – (Harn)wege zum Arzt

Foto: Heidloss Tilo Geringswald Felixi iStockphoto.com 

Harnwegsinfekte kommen bei Männern wesentlich seltener vor als bei Frauen – nur etwa jeder 20. Patient mit einem Harnwegsinfekt ist ein Mann. Allerdings ist die Infektion bei Männern gefährlicher. Geht der Patient zu spät zum Arzt oder erhält das falsche Antibiotikum, kann sich die Infektion auf das Nierenbecken, die Hoden, Nebenhoden oder die Prostata ausweiten. Daher erfordert ein Harnwegsinfekt beim Mann grundsätzlich einen Arztbesuch.

Es liegt an der Anatomie

Dass Männer so viel seltener an Harnwegsinfekten erkranken als Frauen, liegt in der Anatomie begründet. Die Harnröhre beim Mann ist bis zu 25 Zentimeter lang und damit deutlich länger als die Harnröhre der Frau mit drei bis vier Zentimetern. Damit ist der Weg für aufsteigende Bakterien zur Blase ebenfalls länger. Man geht davon aus, dass die allermeisten Keime bereits beim Wasserlassen aus den unteren Harnwegen ausgespült werden, bevor sie überhaupt die Blase erreichen können. Außerdem sorgt ein antimikrobielles Sekret der Prostata für eine Reduktion der Keime.

Meist ist eine Vergrößerung der Prostata schuld

Ein Großteil der Harnwegsinfekte bei Männern entsteht, wenn der Urinabfluss gestört ist und Restharn in der Blase verbleibt. Dann werden Bakterien – in 75 % der Fälle der Erreger Escherichia coli – verschleppt. Diese gelangen durch die Harnröhre in die Blase und steigen im schlimmsten Fall sogar bis ins Nierenbecken auf.

Meist sind ältere Männer betroffen, bei denen eine Vergrößerung der Prostata die Harnröhre verengt und den Urinabfluss stört. Auch Tumoren in den ableitenden Harnwegen, Vorhautveränderungen oder Steinleiden können zur Verengung der Harnröhre führen. Des Weiteren können neurologische Erkrankungen wie etwa Multiple Sklerose, Demenz oder Querschnittslähmung zu Harnentleerungsstörungen führen.

Diabetiker haben, insbesondere wenn sie schlecht eingestellt sind, ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte. Der Zucker, der sich im Urin befindet, liefert den Bakterien eine ideale Ernährungsgrundlage. Eine weitere Ursache von Harnwegsinfekten können Fremdkörper wie Dauerkatheter sein. Sie werden schnell mit Bakterien besiedelt und stellen eine potenzielle Eintrittspforte dar. Auch ein geschwächtes Immunsystem durch Erkrankungen oder die Einnahme von Immunsuppressiva leistet einem Harnwegsinfekt Vorschub.

Sexuell übertragbare Erreger wie Gonokokken oder Chlamydien können das Entstehen eines Harnwegsinfekts ebenfalls begünstigen.

Wenn es brennt

Eine Harnblasenentzündung macht sich vorwiegend durch eine erschwerte Blasenentleerung bemerkbar. Es kommt zu häufigem Harndrang, bei dem allerdings nur geringe Urinmengen ausgeschieden werden. Außerdem treten meist Brennen oder Schmerzen beim Wasserlassen auf. Die Schmerzen sind mitunter krampfartig und können über Schambein und Unterbauch ausstrahlen.

Breitet sich die Infektion weiter aus, kann es zu Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und Erbrechen kommen. Zudem treten zum Teil starke Schmerzen auf, die bis in die Nierengegend ausstrahlen. In dem Fall ist das oft ein Hinweis, dass eine Nierenbeckenentzündung vorliegt.

Wenn das brennende Gefühl beim Wasserlassen von einem dickflüssigen und gelblichen Ausfluss aus der Harnröhre begleitet wird, ist das ein typisches Anzeichen für eine Harnröhrenentzündung, die durch Erreger wie etwa Chlamydien oder Gonokokken, seltener auch durch Mykoplasmen ausgelöst wird. Diese erfordert eine rasche Behandlung. Zudem sollten, da es sich um ansteckende Infektionen handelt, in jedem Fall die Personen, mit denen im Vorfeld sexuelle Kontakte bestanden haben, informiert und ebenfalls ärztlich untersucht werden.

Auf zum Arzt: Was ist bei der Diagnose wichtig?

Wichtig für eine korrekte Diagnose ist eine sorgfältige Anamnese, also die Besprechung der akuten Beschwerden mit dem Arzt. Es empfiehlt sich, direkt einen Facharzt, einen Urologen, aufzusuchen. Mithilfe eines Ultraschalls der Nieren und Blase lassen sich ein Urinstau und das Vorhandensein von Restharn sichtbar machen. Zudem sollte die Diagnostik neben der Auswertung eines Urinteststreifens immer durch das Anlegen einer Bakterienkultur ergänzt werden, um im Anschluss eine gezielte Antibiotikatherapie zu ermöglichen. Dies ist besonders bei ­sexuell aktiven Männern wichtig, um eine Gonokokken- oder Chlamydieninfektion auszuschließen. 

Um Erkrankungen wie Diabetes, ­Tumoren und neurologische Erkrankungen auszuschließen, werden insbesondere bei Männern über 50 Jahre unter Umständen weitere Untersuchungen erforderlich.

Beteiligung der Prostata

Liegt zusätzlich zum Harnwegsinfekt noch eine bakterielle Entzündung der Prostata vor, kommt es meist zu einem sehr plötzlichen Beginn der Beschwerden mit starkem Krankheitsgefühl, heftigen Schmerzen, Fieber und Schüttelfrost. Es treten außerdem Schmerzen am Penis, an den Hoden, im Bereich der Blase, des Damms, des Afters, im Rücken und in der Leiste auf. Ist dies der Fall, sollte dringend der Arzt aufgesucht werden, da eine Antibiotikabehandlung dann unumgänglich ist.

Was sagt die Leitlinie?

Da Harnwegsinfekte bei Männern eher selten vorkommen, sind die Behandlungsmöglichkeiten weniger intensiv untersucht als bei Frauen, und es gibt deutlich weniger durch Studien untermauerte und zugelassene Therapieoptionen. Zurzeit hat noch die S3-Leitlinie „Brennen beim Wasserlassen“ von 2018 Gültigkeit.

Wenn es keine Hinweise auf Komplikationen oder eine Beteiligung der Prostata gibt, kann eine Therapie mit einem Penicillin wie Pivmecillinam (z. B. in Pivmelam, X-Systo), dreimal täglich 200 bis 400 Milligramm, über drei bis sieben Tage erfolgen.

Fosfomycin-Trometamol und Nitrofurantoin haben keine Zulassung bei Harnwegsinfekten bei Männern und können allenfalls off-label eingesetzt werden, obwohl Nitrofurantoin in der Leitlinie bei Harnwegsinfekten ohne Prostatabeteiligung empfohlen wird.

Seit 2019 sollten Fluorchinolone wie Ciprofloxacin bei unkomplizierten Harnwegsinfekten – bei Männern wie bei Frauen – nicht mehr verordnet werden. Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen dieser Gyrasehemmer gehören Komplikationen des Bewegungsapparats wie Sehnenentzündungen, Sehnenruptur, Muskelschmerzen und -schwäche, Gelenkschmerzen und -schwellungen und Gangstörungen. Zu den schwerwiegenden neurologischen Nebenwirkungen gehören periphere Neuropathie, Schlaflosigkeit, Depressionen, Ermüdung (Fatigue), eingeschränktes Erinnerungsvermögen sowie Seh-, Hör-, Geruchs- und Geschmacksstörungen.

Auch Cotrimoxazol wird mittlerweile bei Harnwegsinfekten eher kritisch gesehen, da es bereits sehr viele Resistenzen gibt.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

„Ihre Symptome wie das Brennen und das Gefühl, häufig auf die Toilette zu müssen und dann nur wenig Urin auszuscheiden, deuten tatsächlich auf einen Harnwegsinfekt hin. Lassen Sie das auf jeden Fall ärztlich abklären.“

  • „Nehmen Sie von dem Antibiotikum, das Ihnen der Arzt verschrieben hat, bitte dreimal täglich eine Tablette ein, am besten zu den Mahlzeiten.“
  • „Zusätzlich zum Antibiotikum kann ich Ihnen diesen Blasentee empfehlen, den Sie mehrmals täglich trinken sollten. Auch eine Wärmflasche auf Bauch oder Rücken kann dabei helfen, die Beschwerden zu lindern.“

Antibiotikum oder nicht?

Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten wird immer öfter eine antibiotikafreie Behandlung diskutiert. Alternativ kann ein Antiphlogistikum wie Ibuprofen eingesetzt werden. Allerdings bewirkt eine Antibiotikatherapie im Vergleich zu Ibuprofen meist eine schnellere Besserung der Symptome. Daher sollte die antibiotikafreie Therapie mit Ibuprofen immer mit dem Patienten ausführlich besprochen und die Vor- und Nachteile genau erläutert werden, um dann gemeinsam mit dem Arzt eine Therapieentscheidung zu treffen. 

Bei einer Beteiligung der Prostata oder einer Nierenbeckenentzündung ist eine antibiotische Therapie allerdings unvermeidbar, die so früh wie möglich begonnen werden sollte.

Natürliche Alternative?

Bei der Behandlung und Prophylaxe von unkomplizierten Harnwegsinfekten bei Frauen gibt es zahlreiche nicht antibiotische Alternativen. Dazu gehören beispielsweise Mannose (z. B. in Femannose), Präparate mit Bärentraubenblättern (z. B. in Arctuvan, Cystinol), Goldrute (z. B. in Canephron, Solidagoren) oder Kapuzinerkresse und Meerrettich (z. B. in Angocin infekt). Prinzipiell können diese Mittel auch bei Männern eingesetzt werden, werden aber aufgrund fehlender Studien und Zulassungen eher selten empfohlen. 

Aber auch bei Männern lässt sich eine ärztlich verordnete Therapie mit oder ohne Antibiotikum durch ergänzende Empfehlungen unterstützen. Dazu gehören in erster Linie eine ausreichende Trinkmenge, etwa mit einem durchspülenden Blasen- und Nierentee, viel Ruhe und Wärmeanwendungen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Harnwegsinfekte bei Männern sind in den wenigsten Fällen unkompliziert, daher ist ein Arztbesuch immer anzuraten.
  • Ein Großteil der Harnwegsinfekte bei Männern entsteht, wenn der Urinabfluss gestört ist. Dies ist dann der Fall, wenn eine Verengung der Harnröhre, etwa aufgrund einer Prostatavergrößerung, vorliegt.
  • Auch Infektionen mit Chlamydien oder Gonokokken können einen Harnwegsinfekt begünstigen. Daher ist besonders bei sexuell aktiven Männern wichtig, dass eine Bakterienkultur angelegt wird.
  • Pivmecillinam ist das einzige zurzeit zugelassene Antibiotikum gegen Harnwegsinfekte bei Männern.
  • Wärmeanwendungen können den Heilungsprozess unterstützen, ebenso wie das Trinken von Blasen- und Nierentee.