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Welche Arzneimittel können Riechstörung hervorrufen?

Frau riecht an einem Lavendelzweig
Der Geruchssinn kann nicht nur durch Krankheiten, sondern auch Arzneimittel beeinträchtigt werden. In den meisten Fällen ist die arzneimittelinduzierte Riechstörung jedoch reversibel. | Bild: AdobeStock/kristall 

Riechstörungen bedürfen zunächst einmal einer medizinischen Abklärung. Zugrundeliegende Erkrankungen, wie Infekte der oberen Atemwege, Entzündungen der Nase und Nasennebenhöhlen sowie systemische, neurologische oder metabolische Erkrankungen, gilt es auszuschließen.

Doch auch bei vielen Arzneistoffgruppen ist ein Einfluss auf das olfaktorische System möglich. Meistens sind die damit einhergehenden Riechstörungen reversibel und verschwinden wieder, wenn das Arzneimittel abgesetzt oder die Therapie beendet wird. 

Wie oft Arzneimittel olfaktorische Abnormalitäten auslösen, ist schwierig zu erfassen, da viele Betroffene wahrscheinlich nicht zum Arzt gehen. Aufgrund der Zahl an Arzneimitteln, die diese Nebenwirkung haben können, ist die arzneimittelinduzierte Riechstörung aber vermutlich nicht selten.

Einige Chemotherapeutika, Antibiotika und Thyreostatika betroffen

Oft liegen der Einschätzung, ob ein Arzneimittel Geruchsstörungen verursachen kann, praktische oder statistische Beobachtungen zugrunde und der Mechanismus der Geruchsbeeinflussung ist unbekannt.

Von Chemotherapeutika, Dihydropyridinen und Hemmern des Angiotensin konvertierenden Enzyms (ACE-Hemmern) ist bekannt, dass sie Riechstörungen verursachen können. Fallberichte über arzneimittelinduzierte Riechstörungen liegen außerdem beispielsweise vor für Lovastatin, bestimmte Antibiotika wie Aminoglykoside, Tetracyclin und Doxycyclin sowie für das Tuberkulostatikum Pyrazinamid und das Antimykotikum Terbinafin

Das Thyreostatikum Propylthiouracil kann ebenfalls die Geruchswahrnehmung beeinflussen. Zu dieser Beobachtung passt, dass Personen mit Funktionsstörungen der Schilddrüse manchmal eine veränderte Geruchswahrnehmung aufweisen.

Gut zu wissen: So funktioniert das Riechen

Nicht nur für die Lebensqualität ist das olfaktorische System wichtig sondern auch als Warninstrument, zum Beispiel um einen Brand oder verdorbenes Essen wahrzunehmen. Einige Berufsgruppen, wie Köche, Weinkellner oder Parfümeure sind zudem auf ihren Geruchssinn angewiesen. Ein Verlust dieser Sinneswahrnehmung ist für diese Personen besonders schwerwiegend. Doch wie funktioniert das Riechen?

Duftmoleküle aus der Luft docken an Rezeptoren auf Zilien der Riechzellen in der Nasenschleimhaut. Duftstoffrezeptoren sind G-Proteingekoppelte Transmembranrezeptoren. Die einzelnen Sinneszellen exprimieren immer nur einen spezialisierten Rezeptor. Diese Duftstoffrezeptoren sind allerdings nicht sehr spezifisch und können durch unterschiedliche Moleküle mehr oder weniger stark erregt werden. 

Der Mensch besitzt etwa 10 Millionen Riechzellen. Die Riechzellen sind bipolare Neuronen, die durch die Bindung von Duftstoffen depolarisiert werden und die chemoelektrische Signaltransduktion an den Riechkolben übermitteln. 

Der Riechkolben, Bulbus olfactorius, ist ein vorgestülpter Teil des Gehirns, der direkt unterhalb des Frontalhirns liegt und für die Reizweiterleitung in höhere Gehirnareale verantwortlich ist. Dadurch, dass auch das limbische System und die Amygdala angesprochen werden, erklärt sich, weshalb der Geruchssinn eng mit unseren Gefühlen und Erinnerungen verbunden ist. 

Wirkmechanismen der medikamentösen Riechstörung

Generell ist bei allen Wirkstoffen, die das G-Protein-gekoppelte Signalsystem beeinflussen, eine Interaktion mit dem Riechsinn denkbar. Dazu gehören zahlreiche Wirkstoffklassen. Beispiele hierfür sind etwa

  • Opioide,
  • Cannabinoide,
  • Triptane,
  • einige Antidepressiva und
  • Betarezeptor-Blocker.

Calcium- oder Natrium-Kanal-Hemmer können das Riechvermögen stören, da sie die Zelldepolarisation beeinflussen. Die Wirkstoffe Nifedipin und Diltiazem sowie das Antiepileptikum Topiramat, das auf mehrere Ionenkanäle einwirkt, sind Beispiele dafür.

Intranasal applizierte Wirkstoffe, wie der Vasokonstriktor Xylometazolin, wirken auf die Nasenschleimhaut und können dadurch zu einer gestörten Geruchswahrnehmung führen.

Das Chemotherapeutikum Methotrexat beeinflusst den Geruchssinn eventuell dadurch, dass es das Zellwachstum der Schleimhaut herunterreguliert.

Klagen Kunden über einen veränderten Geruchssinn oder liegt ein Rezept über ein oben genanntes Arzneimittel beziehungsweise eine erwähnte Wirkstoffklasse vor, kann in der Apotheke zu Riechstörung als Nebenwirkung beraten werden. Oft ist die Aussage, dass diese unerwünschten Arzneimittelwirkungen zumeist reversibel sind, bereits eine große Erleichterung für Betroffene. Quelle:
Arzneimittelinduzierte Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns. Der Arzneimittelbrief, Jg. 44, S. 81; Ausgabe 11 / 2010,
Schuster N. Arzneimittel als Störfaktoren. Pharmazeutische Zeitung, 14. November 2016