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Smartwatches und Co.: Langzeit-Blutdruckmessung: Welche Geräte sind ratsam?

Mann trägt Langzeit-Blutdruckmessgerät außen an der Hose am Gürtel
Mithilfe der Langzeit-Blutdruckmessung werden alle 20 bis 30 Minuten valide Werte während des Tages und in der Nacht gemessen. | Bild: Ingo Bartussek / AdobeStock

Der Vorführeffekt ist ein wohlbekanntes Phänomen – je nach Kontext schwankt unsere Form, und dann kommen auch noch unergründliche Zufälle hinzu. Ähnlich verhält es sich bei der Blutdruckmessung. Unzählige Faktoren können die Aus­sagekraft der Ergebnisse beeinflussen – sei es die Armhaltung, die Tagesform, die Uhrzeit oder einfach der Kontext, in dem der Patient gerade untersucht wird.

Bei der pharmazeutischen Dienstleistung „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ sollte der Patient eine Stunde vor der Messung weder kein Nicotin, Coffein noch Alkohol zu sich genommen haben, mindestens fünf Minuten vorher in einer entspannten Position sitzen, ohne Smartphone oder Gespräch vor und während der Messung. Die Messung erfolgt dreimal mit korrekt angelegter und passender Oberarmmanschette in Herzhöhe und ohne Übereinanderschlagen der Beine. Nur wenn alle diese Faktoren berücksichtigt werden, sind die Ergebnisse aussagekräftig. 

Und doch geben sie kein Bild davon, wie sich der Blutdruck des Patienten nachts im Schlaf oder morgens nach dem Aufstehen verhält. Die 24-Stunden-Blutdruckmessung (Ambulatory Blood Pressure Monitoring, ABPM) bietet ein umfassenderes Bild. Sie liefert im besten Fall alle 20 bis 30 Minuten einen validen Wert über den ganzen Tag hinweg und wird deshalb von Ärzten zur Diagnosestellung und zur Erkennung von Blutdruckschwankungen während des Tages und in der Nacht eingesetzt.

24-Stunden-Blutdruckmessung – Apotheken verleihen Geräte

Obwohl die dafür notwendigen Geräte häufig und bei potenziell vielen Patienten zum Einsatz kommen, haben Hausarztpraxen meist nur ein oder zwei Geräte auf Lager, die sie an ihre Patienten verleihen. Denn die Geräte sind teuer und der Aufwand, sie richtig einzusetzen, nicht unerheblich. Dies führt häufig dazu, dass Patienten längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, bis sie die 24-Stunden-Blutdruckmessung in Anspruch nehmen können.

Einige Apotheken scheinen auf den Mangel zu reagieren, indem sie selbst Geräte zur Langzeitblutdruckmessung verleihen. Etwa die in Nordbayern ansässige Kooperation „Medicon“, zu der 25 Apotheken gehören. Auf der Website schreibt die Kooperation, dass die Apotheken der Kooperation für den Verleih eine Mietgebühr verlangen und eine Kaution einbehalten. 

Der Nutzen für den Patienten ist jedoch begrenzt. „Jede Folge und jeder Verdacht, der sich aus der Messung ergibt, sollte danach ohnehin noch einmal beim Arzt überprüft werden“, sagt Isabel Waltering, Apothekerin und AMTS-Koordinatorin an der Universität Münster. Nämlich häufig durch eine erneute 24-Stunden-Blutdruckmessung. „Naheliegender wäre es in diesem Fall, die Patienten direkt zum Arzt zu schicken. Wenn dort ein konkreter Verdacht besteht, bezahlt die Krankenkasse die Messung.“ 

Die 24-Stunden-Blutdruckmessung gehöre in den Bereich Diagnostik, sagt Waltering, und sei damit nicht Aufgabe der Apotheken.

Gut zu wissen: Wie läuft die Langzeit-Blutdruckmessung ab?

  • Messung am besten an einem typischen Arbeitstag durchführen.
  • 10–15 Minuten für das Anbringen und Starten des Gerätes einkalkulieren.
  • Messungen alle 20–30 Minuten tagsüber und in der Nacht.
  • Manschette am entkleideten, nicht dominanten Arm anlegen.
  • Manschettengröße laut Geräteanleitung auswählen.
  • Funktion des Gerätes und Ablauf der Prozedur erklären.
  • Testmessung durchführen, Gerät nach 24 Stunden entfernen.
  • Normale Aktivitäten/­Tagesablauf einhalten.
  • Kein Auto fahren bzw. Messungen während des Fahrens ignorieren oder stoppen.
  • Während der 24-Stunden-Messung nicht duschen oder baden.
  • Dokumentation der Schlafzeit, der Medikamenteneinnahme und aller Symptome und Probleme, die während der Messung auftreten.
  • Markierung des Manschettensitzes, damit der Patient bei Lockerung der Manschette diese erneut anlegen kann.
  • Erklärung, wie das Gerät bei einer Fehlfunktion ausgeschaltet werden kann.
  • Wiederholung der Messung bei weniger als  20 validen Messungen in wachem Zustand oder bei weniger als sieben Werten während des Schlafs. Quelle:
    - 24h Ambulante Blutdruckmessung. Leitfaden der Hochdruckliga und der European Heart Society, zuletzt aufgerufen am 23. April 2025, www.hochdruckliga.de
     

Blutdruckmessung: Welche Messgeräte gibt es?

Die Deutsche Hochdruckliga empfiehlt, den Patienten für die normale, punktuelle Blutdruckmessung nur Geräte anzubieten, die das Prüfsiegel der Hochdruckliga tragen. Das Siegel soll den Patienten eine Orientierungshilfe beim Gerätekauf geben. Da Langzeit-Blutdruckmessgeräte jedoch nicht für den privaten Gebrauch, sondern für den Einsatz in der Arztpraxis bestimmt sind, vergibt die Hochdruckliga hier kein Prüfsiegel. 

Wichtig ist: Das Gerät sollte validiert sein, zum Beispiel nach ISO-Norm. Goldstandard für die Messung sind Geräte mit Oberarmmanschette.

Der Markt für validierte Langzeitmessgeräte ist überschaubar, sagt Markus van der Giet, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga sowie Clinical Hypertension Specialist der European Heart Society (EHS). „Die meisten Geräte sind seit zehn bis 15 Jahren auf dem Markt und verfügen über eine völlig ausreichende Technik“, sagt der Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie. „Die Oberarmmessgeräte sind sehr robust und funktionieren sehr gut“, sagt er. Zu den Herstellern dieser Geräte, deren Preis im niedrigen vierstelligen Bereich liegt, gehören unter anderen Amedtech, Boso, Custo med, Schiller Medizintechnik, Somnomedics und Spacelabs.

Hersteller wie Omron Healthcare bieten zudem Geräte mit Handgelenksmanschette an. Dies ist zwar für manche Patienten bequemer, die Messergebnisse sind jedoch fehleranfälliger. Da die Position der Manschette bei jeder Messung in etwa der Höhe des Herzens entsprechen muss, eignet sich diese Messung nur für Patienten, die während der Messung liegen – sie wird daher zur nächtlichen Blutdruckmessung eingesetzt.

Blutdruckmessung per Fingersensor – Wie aussagekräftig ist die Methode?

Im Laufe der Jahre wurden auch modernere Methoden entwickelt, die ohne Oberarmmanschette den Blutdruck mit jedem Herzschlag messen. Zum Beispiel das Modell „CNAP® Blutdruck“ der Firma CNSystems Medizintechnik. Hier wird einerseits der Blutdruck über eine Handgelenksmanschette gemessen und gleichzeitig die Blutvolumen­veränderung über Infrarotsensoren an den Fingern erfasst. Daraus errechnet ein Algorithmus kontinuierlich die Blutdruckwerte.

Der Hersteller Somnomedics vertreibt mit „Somnotouch™ NIBP“ ein Modell, das mittels Elektroden ein Elektrokardiogramm aufnimmt und durch optische Sensoren am Finger die Veränderungen des Blutvolumens misst. Daraus ergibt sich die sogenannte „Pulstransitzeit“, also die Zeit, die eine Pulswelle benötigt, um von einem Ort – dem Herzen – zu einem anderen Ort – in diesem Fall dem Finger – zu gelangen. Auch hier berechnet ein Algorithmus daraus in Echtzeit den Blutdruck. 

Beide Hersteller werben damit, dass die Geräte den Patienten mehr Komfort bieten würden. Eigens in Auftrag gegebene Studien sollen zudem gezeigt haben, dass die Validität der Langzeit-Blutdruckmessung mit herkömmlichen Methoden vergleichbar sei. Unabhängige Validierungen fehlen jedoch bislang und die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen. Aufgrund dieser offenen Fragen, des im Vergleich zum Goldstandard höheren Preises und weil für die meisten Patienten kein medizinischer Mehrwert der Daten gegenüber der standardisierten Blutdruckmessung ersichtlich scheint, konnten sie sich in der Praxis bisher nicht durchsetzen.

Markus van der Giet: „Das Bittere aus Sicht der Hersteller ist, dass die standardisierte Blutdruckmessung am Oberarm meist ausreicht, um den Blutdruck in der Therapie zu beurteilen.“ Nur bei Patienten, bei denen man nach einer qualifizierten Langzeitmessung ein nächtliches Blutdruckproblem erkannt habe, würde man die regelmäßige Langzeitmessung empfehlen – und auch dann greife man heute auf die etablierten Methoden zurück.

Wie sicher sind Smartwatches zur Blutdruckmessung?

Auch Hersteller von Wearables versprechen, mit ihren am Handgelenk getragenen Geräten ein verlässliches „Ambulatory Blood Pressure Monitoring“ zu liefern. Dies wird mittels optischer Sensoren, welche die Kapillaren durchleuchten, erfasst. Dazu gehören die Smartwatches „Huawei Watch D2“ und die „Samsung Galaxy Watch 4“. Das „Hilo Band“ von „Aktiia“ ist keine Smartwatch, funktioniert jedoch ähnlich und soll allein zur Bestimmung des Blutdrucks dienen.

Die Geräte müssen mit einer klassischen Blutdruckmessung kalibriert werden. Das heißt: Wenn die Geräte regelmäßig und korrekt kalibriert werden – also mit Position auf Herzhöhe und mit vorheriger Ruhephase – könnten sie theoretisch verlässliche Ergebnisse generieren. Einige Hersteller liefern dafür eigens ein Manschetten-Messgerät mit. Doch meist liefert dieser Umweg kaum interpretierbare Werte, aus denen sich eine medizinische Konsequenz ziehen lassen könnte.

„Manchen Patienten gibt das eine Pseudo-Sicherheit, weil ihnen das Gerät anzeigt, dass immer alles in Ordnung sei. Andere Geräte vermitteln den Patienten fälschlich, sie seien krank“, sagt van der Giet. „Diese Geräte sind bis heute nicht erfolgreich zu validieren.“ Doch schon bald könnten Algorithmen, die auf maschinellem Lernen basieren, die Aussagekraft der Werte steigern. „Ich möchte nicht ausschließen, dass das in fünf oder sechs Jahren anders aussehen könnte.“

Bisher werden Wearables für die Blutdruckkontrolle von der Deutschen Hochdruckliga nicht empfohlen. Trotzdem suchen Kunden in der Apotheke Hilfe, um die Blutdruckwerte ihrer Smartwatches zu interpretieren. 

Apotheken: Über korrekte Blutdruckmessung aufklären

Apothekerin und AMTS-Koordinatorin Isabel Waltering rät, Patienten, die eine engmaschigere Kontrolle ihres Blutdrucks wünschen, stattdessen ein zertifiziertes Blutdruckmessgerät anzubieten und sie entsprechend zu schulen. Die Patienten könnten dann ein Blutdrucktagebuch führen. 

Wichtig sei vor allem, dass die Messung stimmt. „Es gibt so viele Dinge, die man falsch machen kann. Die Beine nicht überkreuzen, die Blase entleeren, während der Messung nicht am Handy sein, um nur einige zu nennen. Da passieren die unmöglichsten Dinge. Die Apotheken sollten sich darauf konzentrieren, dass das richtig gemacht wird“, sagt Waltering. Quellen:
- Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck – Standardarbeits­anweisung Blutdruckmessung in der Apotheke der Bundesapothekerkammer. Stand. 25. Mai 2022, www.abda.de
- 24h Ambulante Blutdruckmessung. Leitfaden der Hochdruckliga und der European Heart Society, zuletzt aufgerufen am 23. April 2025, www.hochdruckliga.de
- Smolle KH, et al. The Accuracy of the CNAP® Device Compared with Invasive Radial Artery Measurements for Providing Continuous Noninvasive Arterial Blood Pressure Readings at a Medical Intensive Care Unit. Anesth Analg 2015, doi: 10.1213/ANE.0000000000000965
- Nyhad J et al. The cuffless SOMNOtouch NIBP device shows poor agreement with a validated oscillometric device during 24‐h ambulatory blood pressure monitoring. J Clin Hypertens 2020, doi:10.1111/jch.14135