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CPS-1-Mangel: Säugling erst­mals mit Gentherapie behandelt

Säugling liegt auf einer Trage und wir von einer Ärztin untersucht
Ein Mangel an CPS1 kann bei Neugeborenen zu Entwicklungsstörungen, neurologischen Schäden oder sogar zum Tod führen. | Bild: Kadmy / AdobeStock

Nur wenige Monate nach der Geburt erhielt ein kleiner Junge mit einer seltenen genetischen Erkrankung eine personalisierte Gentherapie. Der Fallbericht erscheint im Fachjournal „The New England Journal of Medicine“ und wird zeitgleich auf dem Jahreskongress der American Society of Gene & Cell Therapy vorgestellt. Das Science Media Center (SMC) berichtet darüber.

Das Baby wurde mit der seltenen Stoffwechselerkrankung Carbamoylphosphat-Synthetase-1(CPS1)-Mangel geboren. Bereits zwei Tage nach Geburt zeigte das Neugeborene Krankheitssymptome und erhöhte Ammoniakwerte im Blut. Genanalysen bestätigten eine schwerwiegende Mutation im CPS1-Gen. Das Baby erhielt zunächst eine proteinreduzierte Kost, um die Stickstoffzufuhr zu minimieren.

Gut zu wissen: Was ist CPS1?

CPS1 ist ein Enzym in der Leber und spielt eine entscheidende Rolle im Harnstoffzyklus. 

Ein CPS1-Mangel – durch Mutation im codierenden Gen – kann zu einem pathologisch erhöhten Ammoniumgehalt im Blut und damit zu neurologischen Schäden, Entwicklungsstörungen und zum Tod bei Neugeborenen führen.

Gentherapie erfolgreich bei Neugeborenem

Innerhalb von wenigen Monaten entwickelten Wissenschaftler aus Philadelphia einen Geneditierungs-Ansatz, den sie in Zellkultur, Mäusen und Affen auf Sicherheit und Wirksamkeit testeten. Die Gentherapie beruhe auf dem sogenannten Base-Editing, das zwar auf die Idee der Genschere CRISPR/Cas9 aufbaue, jedoch an einer spezifischen Stelle im Erbgut eine Base verändern könne, ohne dabei – wie CRISPR/Cas9 – beide DNA-Stränge zu schneiden, erklärt das Science Media Center.

Gut zu wissen: Was bedeutet Base-Editing?

Base-Editing ist eine Form der Genom-Editierung, bei der einzelne Nukleotide in der DNA ausgetauscht werden. Damit können gezielt Punktmutationen hervorgerufen werden. /vs

208 Tage nach der Geburt erhielt das Baby seine erste Behandlung mit dieser Gentherapie. Anschließend konnte der Proteingehalt in der Nahrung des Babys erhöht werden. Daraus lässt sich schließen, dass die Gentherapie erfolgreich war und die funktionale Version von CPS1 – zumindest in einigen Leberzellen – gebildet wird.

Gentherapie: Transport erfolgt über Nanopartikel

Besonders ist auch, dass der Base-Editing-Komplex mithilfe von Nanopartikeln zur Leber transportiert wurde und nicht, wie bei anderen Gentherapien, durch Adenoviren. Virale Vektoren bergen den Nachteil, dass die Patienten die Therapien lediglich einmal erhalten können, da das Immunsystem sodann Antikörper gegen die Vektoren bildet. Im Falle des Jungen konnte dieser etwa drei Wochen nach der ersten Gabe eine zweite, sogar höher dosierte Infusion erhalten.  

Zwar wurde bislang keine Leberbiopsie durchgeführt, um den Therapieerfolg direkt im Gewebe nachzuweisen, doch die klinischen Zeichen sind ermutigend: Der Säugling verträgt mehr Nahrungseiweiß, benötigte nur noch die halbe Menge der Medikation und überstand zwei virale Infekte ohne erneute hyperammonämische Krisen. Die Nachbeobachtungszeit beträgt derzeit etwa ein halbes Jahr.

Schnelle Entwicklung der Gentherapie ist ein Meilenstein

„Diese Fallbeschreibung ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Sie zeigt erstens, dass es möglich ist, eine spezifische Gentherapie für eine einzelne genetische Veränderung zu entwickeln – und zweitens, dass dies in einem beispiellos kurzen Zeitrahmen geschehen kann“, sagt Prof. Dr. Maja Hempel (Universitätsklinikum Heidelberg). 

Sie betont gegenüber dem SMC, dass bislang eine personalisierte Gentherapie für solche Einzelfälle kaum realisierbar gewesen sei, da Entwicklungszeit, Kosten und der Aufwand für die Zulassung enorm seien. „Durch das von der US-Zulassungsbehörde FDA verkürzte Genehmigungsverfahren konnten die Forschenden hier innerhalb weniger Tage eine Einzeltherapie genehmigen lassen. Das ist ein Meilenstein für die Translation solcher Ansätze“, sagt Hempel.

Prof. Dr. Julian Grünewald (TU München) findet ebenfalls: „Diese rasche Entwicklung einer maßgeschneiderten CRISPR-Therapie ist ein Meilenstein der Gen- und Zelltherapie. Innerhalb von nur sieben Monaten wurde eine genetisch hochspezifische Behandlung von der Zellkultur bis in den Patienten umgesetzt.“ Er betont die Besonderheit des Base-Editing-Verfahrens: „Hier wurde in der Leber des Kindes gezielt ein einzelner DNA-Schreibfehler korrigiert – ganz ohne Schneiden der DNA, was Sicherheitsvorteile bringt.“

Besonders bemerkenswert sei die Möglichkeit der wiederholten Verabreichung, was bis vor Kurzem bei Gentherapien als nicht machbar galt. Trotz der geringen Dosis seien erste klinische Verbesserungen bereits sichtbar: „Reduzierter Medikamentenbedarf und weniger Ammoniakepisoden sprechen für eine beginnende Wirkung. In Tiermodellen konnten mit höheren Dosen bis zu 70 Prozent Editierung in der Leber erreicht werden – was auf weiteres Potenzial hindeutet.“ Und weiter: „Diese Arbeit zeigt eindrücklich, wie weit die Technologie bereits ist. Nun kommt es darauf an, ob wir solche Ansätze auch in der Breite umsetzen können – etwa an deutschen Unikliniken.“ Quellen:
- Musunuru K et al. Patient-Specific In Vivo Gene Editing to Treat a Rare Genetic Disease. N Engl J Med 2025, doi: 10.1056/NEJMoa2504747
- Neue Gentherapie bei Kind mit seltener Stoffwechselkrankheit. Expertenstatements. Science Media Center Germany, 14. Mai 2025