Begleiterscheinungen der Pandemie
Corona-Pandemie
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Corona beeinträchtigt Psyche junger Menschen

Schulmädchen auf Treppe blickt aus Fenster
Durch die Corona-Pandemie kommt es vermehrt zu psychischen Problemen. Besonders davon betroffen sind Kinder und Jugendliche. | Bild: New Africa / AdobeStock

Der geschlossene Hort, die soziale Isolation, das fehlende Treffen mit Freunden: Die Corona-Pandemie hat Kindern und Jugendlichen viel abverlangt. Bei manchen machen sich bis heute Auswirkungen und psychische Probleme bemerkbar. Das können Konzentrationsschwierigkeiten oder Schlafstörungen sein, aber auch Ängste oder schwere Depressionen.

Das bekommt auch die Frankfurter Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche, Tanja Müller, zu spüren: „Es ist tatsächlich nach wie vor so, dass es einen großen Bedarf und eine hohe Anmeldezahl gibt.“ Die Lage in den Praxen habe sich auch durch die Wiederaufnahme des Schulalltags noch nicht entspannt, sagt sie. Und: „Ich habe das Gefühl, die Langzeitfolgen werden sich erst noch zeigen.“

Essstörungen als Folge der Pandemie

„Wir sehen natürlich, dass Kinder und Jugendliche in Folge der Pandemie deutlich belastet sind“, erklärt auch Dietmar Eglinsky, Direktor der Vitos Kinder- und Jugendklinik für psychische Gesundheit in Kassel. „Die Coronakrise hat dabei wie ein Verstärker gewirkt.“ Wer ohnehin schon anfällig gewesen ist für psychische Probleme, ist deutlich gefährdeter. Zudem zeigen sich womöglich auch bei Kindern und Jugendlichen Auswirkungen, die ohne die Pandemie gar nicht betroffen gewesen wären. Ein Beispiel aus der Kassler Klinik sei ein zehn Jahre alter Junge, der eine Magersucht entwickelt habe, „das ist schon sehr ungewöhnlich“. Generell hat die Schwere von Essstörungen nach Eindruck des Experten zugenommen.

Jedes dritte Kind zeigt Auffälligkeiten

Die Krise habe junge Leute massiv in ihrer Entwicklung beeinträchtig: „Jugendliche brauchen die Möglichkeit, eigene Wege zu gehen, Fehler zu machen, sich auszuprobieren“, sagt Eglinsky. Doch Corona habe all das eingegrenzt. „Es fehlten Erfahrungsmöglichkeiten, der Austausch mit Gleichaltrigen und womöglich die Privatsphäre zu Hause.“

Wie viele Kinder und Jugendliche genau betroffen sind, ist schwer zu sagen. Nach Angaben der Caritas leidet fast jedes dritte Kind unter den Folgen der Pandemie und zeigt psychische Auffälligkeiten. „Die jungen Menschen brauchen umgehend Hilfe. Unsere psychologischen Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern schlagen Alarm“, erklärte kürzlich die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa.

Mehr Beratungsangebote notwendig

Beratungsangebote müssten dringend ausgebaut werden. Notwendig seien mehr Jugendsozialarbeit, Schulsozialarbeit und sozialpädagogische Begleitung. Auch digitale Angebote wie die U25-Online-Suizidprävention seien wichtige, niederschwellige Ergänzungen und hätten in und nach der Pandemie eine große Nachfrage erfahren, sagte Welskop-Deffaa. Laut Caritas stieg während des zweiten Lockdowns das Kontaktaufkommen bei der Suizidpräventionsberatung für unter 25-Jährige um 30 Prozent an.

Auch der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist bewusst, dass der Bedarf an psychotherapeutischer Unterstützung groß ist. „Wir wissen, dass Patientinnen und Patienten teils länger auf einen Termin beziehungsweise eine Therapie warten müssen. Das ist nicht gut, denn schnelle Hilfe ist hier das A und O“, sagt KVH-Vorstand Frank Dastych. „Wir haben daher forciert, dass hessenweit kurzfristig 18 neue Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie bereit stehen, um dem zunehmenden Bedarf durch die Pandemie so gut wie möglich gerecht zu werden.“

Warum ist die Pandemie für junge Menschen besonders belastend? 

Im Vergleich zu Erwachsenen seien sie mitten in ihrer Entwicklung getroffen, erklärt Psychotherapeutin Müller. „Die Zeit kann man nicht mehr nachholen.“ Im Jugendalter gehe es auch um die Entwicklung einer Identität. „Wenn man dann in etwas Depressives, Einsames rutscht, ist es meist schwieriger, da wieder rauszukommen, als im Erwachsenenalter.“ Zudem sei die Perspektive je nach Alter sehr unterschiedlich, sagt Müller. „Gerade für kleine Kinder sind eineinhalb bis zwei Jahre eine enorme Lebensspanne.“ dpa / vs 

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