Retax-Fragen
In unserer Rubrik „Retax-Fragen“ unterstützen wir Sie in Zusammenarbeit mit dem DeutschenApothekenPortal (DAP) bei der Lösung von Problemen bei der Arzneimittelabgabe und bei der Vermeidung von Retaxationen.
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Pharmazeutische Bedenken: Retaxation wegen Formfehler?

PTA und Apothekerin stehen im HV vor dem PC und besprechen sich
Hat das pharmazeutische Personal bei der Abgabe eines Arzneimittels pharmazeutische Bedenken, darf von der Abgaberangfolge abgewichen werden. | Bild: Schelbert / PTAheute

Wenn im Beratungsgespräch in der Apotheke ersichtlich wird, dass ein vertraglich vorgegebener Austausch eines verordneten Arzneimittels den Therapieerfolg gefährdet, kann die Apotheke den Austausch durch Anwendung Pharmazeutischer Bedenken verhindern. Die gesetzliche Grundlage dafür ist § 17 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung. 

Damit die Krankenkasse solch eine gut begründete Abweichung von der Abgaberangfolge anerkennt, muss eine Dokumentation auf dem Rezept bzw. im Abgabedatensatz erfolgen, sonst ist in der Regel eine Retaxation die Folge. Doch auch wenn alle Nachweise eingereicht wurden, akzeptiert die Krankenkasse die Abweichung nicht immer. Dies zeigt der folgende Fall.

Fall: Retaxation Pharmazeutischer Bedenken trotz Dokumentation

Verordnet war Aripiprazol Neurax 5 mg N3 zulasten einer Betriebskrankenkasse. Rabattverträge lagen zum Abgabezeitpunkt bei der fraglichen Krankenkasse nicht vor, jedoch gehörte das verordnete Arzneimittel nicht zu den vier preisgünstigsten Präparaten. 

Im Beratungsgespräch ergab sich allerdings, dass der Kunde wohl zuvor bereits andere wirkstoffgleiche Präparate genommen, aber nicht vertragen hatte. Aus diesem Grund entschied sich die Apotheke dafür, mittels Pharmazeutischer Bedenken den Austausch auf eines der vier preisgünstigsten Präparate zu verhindern, und gab ein aut-idem-konformes Arzneimittel ab, das zuvor gut vertragen wurde (Aripiprazol 1 A Pharma). 

Dokumentiert wurde der Vorgang mit der Sonder-PZN 02567024 plus Faktor 8 sowie dem zusätzlichen Hinweis „Einer der Inhaltsstoffe wird nicht vertragen“.

Diese Dokumentation wurde jedoch nicht anerkannt und das Rezept wurde auf Einkaufspreis (EK) plus Mehrwertsteuer retaxiert. Die Begründung dazu lautete:

„Verstoß gegen § 12 Rahmenvertrag nach § 129 SGB V. Sofern die Abgabe eines rabattbegünstigten Fertigarzneimittels nicht möglich ist, ist eines der vier preisgünstigsten Fertigarzneimittel abzugeben […].“

Für die Apotheke war diese Begründung nicht nachvollziehbar, denn sie hatte die Abweichung auf dem Rezept dokumentiert.

Formale Fehler bei Dokumentation sind kein Grund für eine Retaxation

Eine nähere Überprüfung brachte Licht ins Dunkel: Der Apotheke war bei der Faktorauswahl ein Fehler unterlaufen. Ausgewählt wurde Faktor 8, der Pharmazeutische Bedenken gegen die Abgabe eines Rabattarzneimittels dokumentiert. Treffend wäre in diesem Fall aber Faktor 9 gewesen, da weder ein Rabattartikel noch eines der vier preisgünstigsten Präparate abgegeben wurde. 

Allerdings sollte eine falsche Faktorauswahl als rein formaler Fehler anzusehen sein, der weder die Arzneimittelsicherheit noch die Wirtschaftlichkeit tangiert. Solche Fehler dürfen nicht zu einer Retaxierung führen, so ist es in § 6 Abs. 1 Buchst. d Rahmenvertrag vorgesehen:

„[…] Der Vergütungsanspruch der Apothekerin/des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]

d) es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.“

§ 6 Abs. 1 Buchst. d Rahmenvertrag

In § 6 Abs. 2 Buchst. g3 wird zudem definiert, dass es sich um einen rein formalen Fehler handelt, wenn entweder die Sonder-PZN oder die Begründung bei der Dokumentation fehlt. Selbst eine gänzlich fehlende Dokumentation kann im Beanstandungsverfahren mit der Erbringung objektivierbarer Nachweise nachgeholt werden. Theoretisch hätte also schon allein die Begründung zur Dokumentation ausgereicht – der Fehler bei der Faktorauswahl sollte daher nicht relevant sein. 

Aus diesem Grund sollte die Apotheke Einspruch gegen diese Retaxation einlegen, auch wenn es keine Nullretaxation war, sondern „nur“ die Zuschläge auf den EK gekürzt wurden. Dennoch gibt es keinen haltbaren Grund für diese ­Retaxation, daher ist diese zurückzunehmen.

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