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Praxiswissen
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Lidocain für Permanent Make-up – Abgabe erlaubt?

Nadel steckt in Augenbraue einer Frau
Lokalanästhetika-Zubereitungen werden immer wieder auch von Kosmetik- oder Piercing-Studios nachgefragt. Hier sollen sie bei Tätowierungen, Laser-Haarentfernungen, Piercings oder zum Aufbringen von Permanent Make-up zum Einsatz kommen. | Bild: emiphoto111 / AdobeStock

Aus einer Apotheke erhielten wir folgende Anfrage:

„Zum Aufbringen von Permanent Make-up sollen wir für eine Kosmetikerin eine Lidocain-Hydrochlorid-Lösung 20% herstellen. Dürfen wir diese Lösung ohne weiteres abgeben?“

Lokalanästhetika wie Lidocain werden auf der Haut bei kleinen chirurgischen Eingriffen und auch bei dermatologischen Verfahren in der ästhetischen Medizin angewendet.

Der Arzneistoff verhindert den Einstrom von Natriumionen in die Zelle und damit die Fortleitung von Nervenimpulsen, dadurch kommt es zu einer lokal begrenzten, reversiblen Betäubung. Lidocain gehört dabei zu den schnell wirkenden Lokalanästhetika mit mittlerer Wirkstärke und Wirkdauer.

Dermale Anwendung ohne Verschreibung möglich

Arzneimittel zum Auftragen auf die Haut mit Lidocain und seinen Salzen sind in Deutschland nicht verschreibungspflichtig, dies gilt auch für weitere Arzneistoffe aus dieser Gruppe wie Benzocain, Prilocain und Procain. Tetracain-haltige Lokalanästhetika sind dagegen ausnahmslos verschreibungspflichtig. 

Laut Neuem Rezeptur-Formularium liegt die übliche therapeutische Konzentration für Dermatika mit Lidocain-Hydrochlorid zwischen 0,5 bis 10%. Diese Konzentration dient zur Orientierung bei der Plausibilitätsprüfung einer Rezeptur in der Apotheke. Höhere Konzentrationen müssen immer kritisch hinterfragt werden, bei verschreibungspflichtigen Zubereitungen ist diesbezüglich Rücksprache mit dem Arzt zu halten.

Hohe Konzentrationen sind gefährlich

Laut NRF werden in Apotheken häufig hohe Konzentrationen von Lokalanästhetika-Zubereitungen von Kosmetik- oder Piercing-Studios nachgefragt, diese werden für Tätowierungen, Laser-Haarentfernungen, Piercings oder eben zum Aufbringen von Permanent Make-up eingesetzt.

Allerdings kann eine lokale Anwendung von Lokalanästhetika in hohen Konzentrationen zu gefährlichen systemischen Nebenwirkungen führen, es wurde unter anderem von Herzrhythmusstörungen, Krampfanfällen, Atemdepression bis hin zum Koma berichtet. 

Trotz der geringen Resorption von Lidocain und entsprechender Salze bei intakter Haut können solche unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei großflächiger Anwendung auf teilweise verletzter oder entzündeter Haut durchaus auftreten. Aus diesem Grund ist von der Abgabe einer Lidocain-Hydrochlorid-Lösung 20% ganz klar abzuraten. 

Bei einer Anwendung am Auge, z. B. zum Aufbringen eines Permanent-Lidstrichs, besteht zudem die Gefahr, dass die Lösung in das Auge eindringen und es zu Hornhautschäden kommen kann.

Lidocain oder Lidocain-Hydrochlorid?

Lidocain-HCl kann in Salzform die intakte Haut nicht durchdringen, daher sind wässrige Lidocain-Hydrochlorid-Lösungen wenig sinnvoll. Entsprechende Zubereitungen kommen normalerweise nur zur Lokalanästhesie der Mundschleimhaut zum Einsatz. Aufgrund der fehlenden Hornhautbarriere kommt es dort zu einer ausreichenden Wirkung. 

Zur Anwendung auf der Haut spielen Lidocain-Hydrochlorid-Lösungen nur im Bereich der Wundversorgung eine gewisse Rolle, zur Anwendung auf Wunden müssen diese dann aber steril sein.

Für eine ausreichende lokalanästhetische Wirkung sollte bei Dermatika also die Lidocain-Base eingesetzt werden. Lidocain ist praktisch wasserunlöslich und liegt daher in Dermatika normalerweise suspendiert vor. Zur ausreichenden Teilchenzerkleinerung müssen entsprechende Zubereitungen in der Regel durch einen Dreiwalzenstuhl gegeben werden.

Verarbeitung gemeinsam mit Menthol

Teilweise wird Lidocain zusammen mit Menthol verarbeitet. Die beiden Feststoffe bilden eine eutektische Mischung und können daher flüssig in hydrophile Grundlagen eingearbeitet werden.

 Im Rezepturhinweis des NRF zu Lidocain ist unter anderem folgende Vorschrift zu finden:

Lidocain-Menthol-Gel 4%

  • Lidocain 4,0 g
  • Menthol 1,0 g
  • Carbomer 50000 0,8 g
  • Propylenglycol 18,84 g
  • Gereinigtes Wasser 75,36 g

Zur Herstellung werden zunächst Lidocain und Menthol gemeinsam bis zur Verflüssigung verrieben, anschließend kann das Propylenglycol hinzugefügt werden. Anteilig wird dann das Wasser unter Rühren ergänzt und der Gelbildner Carbomer aufgestreut. 

Nach einer Quellungszeit von rund einer Stunde kann ein homogenes Gel erhalten werden. Der Alkohol Propylenglycol sorgt bei der Zubereitung für mikrobielle Stabilität und wirkt zudem als Penetrationsbeschleuniger.

Zur Erinnerung: Was ist ein eutektisches Gemisch?

Beim eutektischen Gemisch handelt es sich um eine Mischung zweier (oder mehrerer) Feststoffe mit einer bestimmten Zusammensetzung. Diese Zusammensetzung weist einen niedrigeren Schmelzpunkt auf als alle anderen Mischungsverhältnisse der gleichen Bestandteile. 

Im Falle von Lidocain und Menthol führt das bei der oben beschriebenen Herstellung dazu, dass die Mischung bei Raumtemperatur flüssig ist, da der Schmelzpunkt durch das Vermischen unter Raumtemperatur sinkt. /sn

Wichtiges zur Kennzeichnung

Da Kosmetikstudios die Risiken bei der Anwendung Lidocain-haltiger Zubereitungen in der Regel nicht einschätzen können, ist bei der Kennzeichnung der Rezeptur auf folgende Punkte zu achten:

  • Art der Anwendung und Gebrauchsanweisung, z. B. „Zum Gebrauch durch Auftragen mit einem Wattestäbchen, nach dem Auftragen einige Minuten bis zur vollen Wirkung warten“.
  • Nicht auf verletzte Haut auftragen.
  • Nicht ins Auge bringen.Quellen: DAC/NRF-Rezepturhinweis zu Lidocain und Lidocainhydrochlorid;
    ABDA;
    www.pharmasuisse.org
     
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