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Obstipation in der Schwangerschaft behandeln

Verstopfung (Obstipation) ist ein leidiges Thema, welches in der Schwangerschaft gehäuft auftritt. Aktuellen Schätzungen zufolge leiden bis zu 40 % aller Schwangeren mindestens einmal während einer Schwangerschaft unter Obstipation.
Am häufigsten treten die Beschwerden im zweiten Trimenon, zwischen der 14. und 26. Schwangerschaftswoche, auf und können bis über die Geburt hinaus bestehen bleiben. Das größte Risiko haben Frauen, die bereits vor einer Schwangerschaft an Verstopfung leiden.
Schwangerschaft: Verstopfung aufgrund von Hormonveränderungen
In der Schwangerschaft kommt es zu hormonellen Veränderungen. Durch die erhöhten Spiegel an Progesteron und Estrogen wird die Tätigkeit der glatten Darmmuskulatur verlangsamt, wodurch der Darm träger wird.
Auch die wachsende Gebärmutter, eine Schwäche im Bereich des Beckenbodens und der Bauchmuskulatur sowie Bewegungsmangel spielen bei der Entstehung von Verstopfung eine wichtige Rolle.
Außerdem tritt bei vielen Schwangeren im Verlauf einer Schwangerschaft ein Hämorrhoidalleiden auf, das durch eine Verstopfung und den hohen Druck beim Pressen noch verstärkt werden kann.
Schwangeren mit akuter Verstopfung Arztbesuch empfehlen
Ein Arztbesuch sollte immer angeraten werden, wenn die Kundinnen eine plötzlich auftretende Verstopfung feststellen, die mit einem
- starken Druckgefühl,
- Blähungen,
- Schmerzen im Unterbauch und
- Übelkeit einhergeht.
Aufgrund der Gefahr eines Darmverschlusses und anderer Komplikationen sollte umgehend eine ärztliche Untersuchung eingeleitet werden. Auch Blut im Stuhl oder ein Gewichtsverlust stellen Grenzen der Selbstmedikation dar.
Gut zu wissen: Eisentabletten können Obstipation verstärken
Viele Frauen nehmen während einer Schwangerschaft ein Eisenpräparat ein. Dies dient entweder dem Ausgleich einer Blutarmut oder ist Teil eines Schwangerschaftsvitamin-Präparates.
Ist Eisen nicht explizit verordnet und gibt es für die Einnahme keine Indikation, sollte auf ein Schwangerschaftsvitamin-Präparat ohne Eisen umgestellt werden. Denn durch die zusätzliche Einnahme von Eisen kann eine Verstopfung verstärkt werden. Eine Veränderung des Einnahmezeitpunktes, beispielsweise zu einer Mahlzeit, kann dabei helfen, die Nebenwirkung abzumildern.
Zusätzlich begünstigen einige Erkrankungen, die sich teilweise erst in der Schwangerschaft ausbilden, die Entstehung einer Obstipation. Dazu gehören beispielsweise eine Schilddrüsenunterfunktion oder ein Schwangerschaftsdiabetes.
Mittel der ersten Wahl bei Obstipation: Ballaststoffe mit Quelleigenschaften
Chronische Verstopfung, die in direktem Zusammenhang mit einer Schwangerschaft steht, kann in der Selbstmedikation behandelt werden. Betroffene Frauen leiden dann unter Beschwerden wie
- verzögerten und mühseligen Stuhlentleerungen,
- einer harten Stuhlkonsistenz und
- Schmerzen beim Entleerungsprozess.
Im ersten Schritt sollte die Ernährung angepasst werden. Empfehlenswert ist eine Menge von mindestens 30 g Ballaststoffen pro Tag, da so die Verdauung angeregt wird. Dazu eignen sich vor allem Quellstoffe wie Flohsamenschalen (z. B. Mucofalk®) oder Leinsamen (Leinsamen goldgelb von Aurica®). Die Samen und Schalen können in Wasser, einen Smoothie oder Joghurt eingerührt und täglich verzehrt werden. Ein Effekt ist meist ein bis drei Tage nach Beginn wahrnehmbar.
Die Quellstoffe können risikofrei auch in der Schwangerschaft empfohlen werden und zeigen nachweislich stuhlfördernde Eigenschaften.
Schwangerschaft: Lactulose und Macrogol bei Verstopfung geeignet
Sollte die Ernährungsumstellung keine langanhaltende Besserung hervorrufen, können im zweiten Schritt osmotisch wirksame Verbindungen eingesetzt werden. Dazu gehören Lactulose (z. B. Bifiteral® Sirup) und Macrogol (z. B. Movicol®). Beide Substanzen binden Wasser im Darm und weichen den Stuhl auf, sodass die Verdauung angeregt wird.
Bei Lactulose sollte man mit einer niedrigen Dosis starten und diese langsam steigern, bis die gewünschte Stuhlkonsistenz erreicht ist. Untersuchungen zeigen, dass der Wirkeintritt bei Macrogol etwas schneller ist als bei Lactulose.
Beide Substanzen können langfristig eingenommen werden und sind in einer Schwangerschaft als unbedenklich einzustufen.
Gut zu wissen: Bei osmotischen Abführmitteln und Quellstoffen ausreichend trinken
Bei Leinsamen, Flohsamenschalen, Lactulose und Macrogol ist es wichtig, eine ausreichend große Menge Wasser über den Tag verteilt zu trinken, um den anregenden Effekt zu ermöglichen. Optimalerweise sollte zur Einnahme entweder direkt ein großes Glas Wasser getrunken oder das Produkt in Wasser eingerührt werden.
Bei einem Flüssigkeitsmangel führt die Wirkweise der Stoffe zu einer verstärkten Verstopfung, die im schlimmsten Fall einen Darmverschluss auslösen kann.
Wie steht es um Bisacodyl und Natriumpicosulfat in der Schwangerschaft?
Aufgrund geringer Datenlage sollten die Wirkstoffe Bisacodyl (z. B. Dulcolax®) und Natriumpicosulfat (z. B. Laxoberal®), die zu den stimulierenden Abführmitteln gehören, nur dann verwendet werden, wenn andere Maßnahmen nicht anschlagen.
Nach genauer Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt sind beide Wirkstoffe zur kurzzeitigen Behandlung von Verstopfung in der Schwangerschaft indiziert. Eine langfristige Anwendung ist zu vermeiden, weil sonst Elektrolyt- und Wasserverluste drohen.
Glycerol und Sorbitol bei Entleerungsstörung lokal sinnvoll
Bei Entleerungsstörungen und eventuell parallel auftretenden Hämorrhoidalleiden können Zäpfchen und Klistiere mit Glycerol (z. B. Glycilax®) oder Sorbitol (z. B. Microlax® Miniklisier) rektal angewendet werden. Diese wirken rein physikalisch, indem sie den Stuhl im Dickdarm erweichen und zu einer schnellen Darmentleerung führen.
Von Einläufen mit größeren Mengen Flüssigkeit sollte abgesehen werden, da so die Wehentätigkeit angeregt werden könnte.
Probiotikum mit E.-Coli-Stamm bei Obstipation empfehlenswert
Außerdem kann ein Probiotikum mit dem Bakterium Escherichia coli (E. coli) Stamm Nissle 1917 (z. B. Mutaflor®) bei chronischer Verstopfung in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Das Arzneimittel ist zur Anwendung bei Darmerkrankungen indiziert und regt die Darmmuskulatur an.
Zu Beginn sollte mit einer niedrigen Dosis gestartet werden, um Blähungen als potenzielle Nebenwirkung zu vermeiden. Eine Anwendung bis zu sechs Wochen am Stück kann empfohlen werden.
Verstopfung in der Schwangerschaft: Bewegung und ausreichend trinken
Sofern es ärztlich keine Einschränkungen gibt, sollten Schwangere körperliche Inaktivität meiden. Durch Bewegung wird die Verdauung angeregt und einer Verstopfung entgegengewirkt.
Zur Linderung der Obstipation sollten Schwangere außerdem täglich 1,5–2 Liter Flüssigkeit trinken. Besonders anregend für den Stoffwechsel wirkt ein Glas lauwarmes Wasser, das direkt am Morgen auf nüchternen Magen getrunken wird. Quellen:
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/021-019l_S2k_Chronische_Obstipation_2022-11.pdf
- Abhau A, Selbstmedikation in Schwangerschaft und Stillzeit - Handbuch für die Beratung, Deutscher Apotheker Verlag, 2021, 1. Auflage
- https://www.embryotox.de/
- Lennecke, Hagen, Selbstmedikation für die Kitteltasche, Leitlinien zur pharmazeutischen Beratung, 7. Auflage, 2021, Deutscher Apotheker Verlag