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Leseprobe PTAheute 12/2015: Frei verkäufliche Gluco­corticoide – das müssen PTA beachten

Bild: Atstock Productions / AdobeStock

Die Verschreibungspflicht arzneilich genutzter Stoffe ist im Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt. In § 48 wird bestimmt, dass durch Rechtsverordnung bestimmte Arzneimittel der Verschreibungspflicht unterstellt werden dürfen. 

Diese „Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (Arzneimittelverschreibungsverordnung – AMVV)“ bestimmt zum Beispiel, was ein ordnungsgemäß ausgestelltes Rezept enthalten muss. 

Als Anlage enthält sie eine Liste aller Stoffe und Zubereitungen, die der Rezeptpflicht unterliegen. Es handelt sich um eine Positivliste. Hier findet man auch die arzneilich verwendeten Glucocorticoide, die deshalb in der Apotheke nur auf ärztliche Verordnung abgegeben werden dürfen.

Glucocorticoide: wenige Ausnahmen von der Verschreibungspflicht

Sucht man in der Auflistung nach Hydrocortison, so findet man einen längeren Eintrag. Hydrocortison ist zwar generell der Verschreibungspflicht unterstellt, jedoch gibt es Ausnahmen zur äußerlichen Anwendung. 

So darf Hydrocortison und sein Salz Hydrocortisonacetat in Konzentrationen bis zu 0,25% (berechnet als Base) zur äußerlichen Anwendung ohne ärztliche Verschreibung in der Apotheke abgegeben werden. 

Hierzu gibt es aber zwei wichtige Einschränkungen. Zum einen darf die Packungsgröße 50 Gramm Zubereitung nicht überschreiten, zum anderen muss klar ersichtlich sein, dass es sich um ein Arzneimittel handelt, das ohne ärztliche Anweisung erst ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr angewendet werden darf. Eine entsprechende Angabe muss auf Behältnis und äußerer Umhüllung stehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln wird im Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt.
  • In der Anlage zur „Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln“ (AMVV) sind die verschreibungspflichtigen Wirkstoffe aufgelistet.
  • Glucocorticoide sind verschreibungspflichtig, es gibt aber bestimmte Ausnahmen.
  • In bestimmten Fällen dürfen Hydrocortison und Hydrocortisonacetat in Konzentrationen bis 0,5% rezeptfrei abgegeben werden.
  • Auch für Beclometasondipropionat als Nasenspray gibt es in bestimmten Fällen eine Ausnahmeregelung.
  • Die Ausnahme bei Dexamethasondihydrogenphosphat zur parenteralen Anwendung ist nur für die Abgabe an Heilpraktiker von Bedeutung.

Glucocorticoide höher konzentriert

Auch für Konzentrationen von 0,25% bis 0,5% Hydrocortison (oder entsprechend Hydrocortisonacetat berechnet als Base) gibt es Ausnahmen von der Verschreibungspflicht. Selbstverständlich gilt auch hier die Altersbeschränkung zur Anwendung ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr. 

Außerdem sind bei diesen Konzentrationen die Packungsgrößen auf 30 Gramm Zubereitung beschränkt und die Anwendung ist ausdrücklich zur kurzzeitigen äußerlichen Anwendung von maximal zwei Wochen definiert. 

Zudem wird in dem Anlagentext eindeutig klar: Schwere Erkrankungen gehören in die Hände eines Arztes. Empfehlen dürfen Sie die kurzfristige Anwendung einer hydrocortisonhaltigen Zubereitung lediglich zur Behandlung leicht bis mäßig entzündlicher Hauterkrankungen.

Natürlich können auch juckende, zum Beispiel allergisch bedingte Hautreaktionen in der Selbstmedikation mit den genannten Zubereitungen gelindert werden.
 

Welche Glucocorticoide sind frei verkäuflich?

GlucocorticoidVoraussetzungen
Hydrocortison und Hydrocortisonacetat (berechnet als Base)

In Zubereitungen zum äußeren Gebrauch

a) bis maximal 0,25% in Packungsgrößen bis zu 50 g oder

b) bis maximal 0,5% in Packungsgrößen bis zu 30 g zur kurzzeitigen (max. zwei Wochen) äußerlichen Anwendung bei mäßig ausgeprägten entzündlichen, allergischen oder juckenden Hauterkrankungen, 

und sofern auf Behältnis und äußerer Umhüllung angegeben ist, dass die Anwendung auf Erwachsene und Kinder ab dem vollendeten 6. Lebensjahr beschränkt ist.

BeclometasondipropionatZur intranasalen Anwendung bei Kurzzeitbehandlung der saisonalen allergischen Rhinitis in Packungsgrößen bis zu 5,5 mg Beclometasondipropionat, sofern auf Behältnis und äußerer Umhüllung angegeben ist, dass die Anwendung auf Erwachsene und Kinder ab dem vollendeten 12. Lebensjahr beschränkt ist.
Dexamethasondihydrogenphosphat

In Ampullen / Fertigspritzen zur einmaligen parenteralen Anwendung mit 40 mg Wirkstoff und bis maximal 3 Packungseinheiten für die Notfallbehandlung anaphylaktischer Reaktionen.

→ Abgabe nur an Heilpraktiker!

Glucocorticoide nicht bei Windpocken!

Wie immer müssen hierbei die Gegenanzeigen einer Anwendung beachtet werden. In der Apothekenpraxis sicherlich von Bedeutung ist, dass hydrocortisonhaltige Zubereitungen nicht bei Windpocken oder bei Impfreaktionen verwendet werden dürfen. Durch die immunsuppressive Wirkung könnte die Anwendung sonst zu einer weiteren Verschlimmerung (Exazerbation) der Erkrankung führen. 

Will eine stillende Mutter eine Hauterkrankung behandeln, so sollte man sie darauf hinweisen, die Zubereitung nicht im Brustbereich anzuwenden, damit der Säugling beim Trinken nicht versehentlich in Kontakt mit dem Arzneimittel kommt. Hier kann vielleicht auch die Anmerkung sinnvoll sein, dass sich die junge Mutter nach der Anwendung die Hände gut wäscht, um den Säugling nicht zu belasten.

Vier Klassen der Corticosteroide

Warum aber gibt es überhaupt Ausnahmen von der Verschreibungspflicht ausgerechnet bei Hydrocortison und nicht bei anderen Corticoiden wie zum Beispiel bei Betamethasonvalerat? Dies liegt an der Stärke der entzündungshemmenden und der antiproliferativen Wirkung. Antiproliferativ bedeutet hier die Wachstumshemmung des Gewebes, die auf Dauer zu der gefürchteten „Hautverdünnung“ führt. 

Um die Wirkstärke vergleichen zu können, werden die Corticosteroide in vier Klassen eingeteilt. Hydrocortison und Hydrocortisonacetat gehören aufgrund ihrer schwachen Wirkstärke in Klasse eins. Das bedeutet, die Wirkung, aber auch die Nebenwirkungen, sind vor allem bei kurzfristiger Anwendung nicht so stark ausgeprägt.

Beclometasondipropionat als apothekenpflichtiges Nasenspray

Das günstige Nebenwirkungsprofil ist auch ausschlaggebend für eine weitere Ausnahme aus der Verschreibungspflicht, die in der Apotheke bedeutsam ist. Beclometasondipropionat darf als Nasenspray in einer Packungsgröße mit bis zu 5,5 mg Wirkstoff zur Kurzzeitbehandlung der saisonalen allergischen Rhinitis (= Heuschnupfen) auch ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden. 

Die Anwendung ist allerdings vom Gesetzgeber auf Erwachsene und Jugendliche ab dem vollendeten zwölften Lebensjahr beschränkt. Dies muss sowohl auf dem Nasenspray selbst wie auch auf dem Umkarton / Verpackung vermerkt sein. 

Hier handelt es sich um eine wichtige Einschränkung, da es bei Kindern in der Langzeitanwendung nasaler Glucocorticoide unter anderem zu Wachstumsverzögerungen kommen kann.

Beclometasondipropionat-haltiges Nasenspray: Beratung ist wichtig

Bei der Abgabe eines Beclometasondipropionat-haltigen Nasensprays sollten einige wichtige Punkte angesprochen werden. Der Patient muss wissen, dass sich die Wirkung von der eines abschwellenden Nasensprays deutlich unterscheidet. So darf man keine Sofortwirkung erwarten. Durch die entzündungshemmende und antiexsudative Wirkung lassen die Symptome der behinderten Nasenatmung, Fließschnupfen und Niesattacken bei regelmäßiger Anwendung aber innerhalb weniger Tage nach. 

Üblicherweise werden zweimal täglich zwei Sprühstöße in jedes Nasenloch eingebracht. Manchmal reichen auch geringere Dosierungen aus. Die richtige Anwendung sollte dem Kunden erläutert werden. Erklären Sie, dass das Nasenspray vor jeder Anwendung geschüttelt werden soll, damit sich der Inhalt des Sprühfläschchens (es handelt sich um eine Suspension) vermischt. 

Nachdem man den Kopf leicht nach vorne gebeugt hat, gibt man jeweils einen Sprühstoß gegen den Nasenflügel im oberen Teil und im unteren Teil der Nase. Hierbei sollte das zweite Nasenloch geöffnet bleiben. Atmet der Anwender während des Einsprühens leicht ein, so verteilt sich der Wirkstoff gut in Nase und Nasennebenhöhle.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Diese Salbe dürfen Sie zwar ohne Rezept kaufen, sie ist aber für Ihr Kleinkind nicht geeignet. Kinderhaut ist viel zarter als die von Erwachsenen, daher könnte der Gebrauch der Salbe Ihrem Kind schaden.“
  • „Die Salbe, die ich Ihnen empfohlen habe, enthält ein Corticoid. Tragen Sie die Salbe dünn auf und verwenden Sie sie nicht länger als zwei Wochen.“
  • „Sollte der Ausschlag hiermit nicht deutlich besser werden, gehen Sie bitte zum Arzt und lassen Sie die Ursache der Hauterkrankung abklären.“
  • „Dieses Nasenspray hat einige Besonderheiten in der Anwendung. Ich erkläre Ihnen kurz, was Sie für eine optimale Wirkung beachten müssen.“
  • „Am besten waschen Sie nach dem Auftragen der Salbe Ihre Hände, damit Sie die Salbe nicht verteilen.“

Ausnahme: Dexamethason an Heilpraktiker

Eine letzte Ausnahme aus der Verschreibungspflicht bei glucocorticoidhaltigen Arzneimitteln kommt im Apothekenalltag sicher seltener vor. Dennoch sollte man „im Fall der Fälle“ natürlich wissen, wie mit einer entsprechenden Anfrage umzugehen ist. 

Dexamethason-Ampullen sind deklariert als verschreibungspflichtige Arzneimittel. Seit 2011 gibt es jedoch für Heilpraktiker die Möglichkeit, diese für Notfälle in ihrer Praxis zu erwerben. Vom Bundesgesundheitsministerium wurde damals folgendes Vorgehen empfohlen: 

Lassen Sie sich die Heilpraktiker-Erlaubnis („Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung“, ausgestellt vom zuständigen Gesundheitsamt) und den Personalausweis zeigen. Nun muss Ihnen der Heilpraktiker Auskunft geben, zu welchem Zweck er das Arzneimittel erwerben will.

Zugelassen ist die Abgabe „für die Notfallbehandlung schwerer anaphylaktischer Reaktionen beim Menschen nach Neuraltherapie bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes“. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dürfen Sie laut AMVV bis zu drei Packungseinheiten Ampullen oder Fertigspritzen zur einmaligen parenteralen Anwendung mit jeweils 40 mg Dexamethasondihydrogenphosphat ohne ärztliche Verschreibung abgeben.