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Leseprobe PTAheute 19/17: Team Apotheke – Pflegeheim

Bild: Cecilie_Arcurs – iStockphoto.com

Stationäre Pflegeeinrichtungen werden durch öffentliche Apotheken mit Arzneimitteln versorgt. In vielen Fällen handelt es sich um eine langjährige Zusammenarbeit, sodass sich kommunikative Strukturen entwickeln konnten und häufig auch ein vertrauensvoller Umgang gewachsen ist. Dies belegen Ergebnisse einer Umfrage des Landesinstituts für Gesundheit und Arbeit in NRW. Die Umfrage beschäftigte sich mit der Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und Apotheken.

Berufe in der Pflege

Wie auch in der Apotheke gibt es unterschiedliche Berufe, die als Team in einer Pflegeeinrichtung oder in einem ambulanten Pflegedienst zusammenwirken. Alten-, Gesundheits- und Krankenpfleger sind examinierte Fachpflegekräfte, die eine dreijährige Ausbildung absolviert haben. Die Ausbildung ist der PTA-Ausbildung vergleichbar. Unter anderem gehören Arzneimittelkunde und die Durchführung ärztlicher Therapie-Anordnungen – das bezieht sich zum Teil auch auf die Anwendung von Arzneimitteln – zu den Ausbildungsinhalten. Diese Tätigkeiten werden als Behandlungspflege bezeichnet.

Ab 2018 tritt das novellierte Pflegegesetz in Kraft: Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger werden dann gemeinsam ausgebildet. Nach der staatlichen Abschlussprüfung erhalten sie die Berufsbezeichnung „Pflegefachmann“ oder „Pflegefachfrau“. In den Teams arbeiten häufig auch Alten- oder Krankenpflegehelfer. Sie übernehmen meist die sogenannte Grundpflege. Zusätzlich unterstützen nicht spezifisch qualifizierte Hilfskräfte vor allem im hauswirtschaftlichen Bereich.

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine gute Kommunikation bildet die Basis für die Zusammenarbeit Apotheke – Pflegeheim.
  • Das Pflegepersonal kann Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln bei den Bewohnern beobachten und an Arzt und Apotheke vermitteln mit dem Ziel der Verbesserung.
  • Die Apotheke sollte sich bei arzneimittelbezogenen Problemen einbringen und Vorschläge erarbeiten.
  • Pflegekräfte wünschen sich mehr Informationen zu Arzneimitteln.
  • Beobachtungen und Erfahrungen aus der Zusammenarbeit sollten dokumentiert werden.

Wie sieht sich Pflege selbst im Medikationsprozess?

Als wesentliche Aufgaben im Medikationsprozess übernimmt Pflegepersonal das Bestellen, Kontrollieren, Lagern der Arzneimittel sowie das Entsorgen. Ebenso zählen die Vorbereitung (Stellen, Teilen) und Gabe der Arzneimittel sowie Überwachung und Dokumentation der Einnahme zu den üblichen Aufgaben. Diese Tätigkeiten nannten alle befragten Pflegekräfte in der eingangs erwähnten Umfrage. Für mehr als ein Drittel gehört auch das Beobachten der Patienten nach der Einnahme bezüglich unerwünschter Arzneimittelwirkungen und für ein Fünftel die Kommunikation mit den behandelnden Ärzten zu den alltäglichen Berufsanforderungen. Pflegekräfte sind wichtige Ansprechpartner für die Ärzte, wenn Patienten nicht mehr für sich selbst sprechen können. Sie kennen die Patienten und beobachten ihre Reaktionen zum Beispiel auf ein neues Arzneimittel und übermitteln das dem behandelnden Arzt.

Unterstützung durch die Apotheke

Die Qualität der Kooperation zwischen Pflegepersonal und Apotheke wird von 90 % des Pflegepersonals im ambulanten Bereich nach Ergebnissen einer weiteren Umfrage, des „Pflege-Thermometers 2016“, als gut und sehr gut bewertet. In der Umfrage in NRW urteilte das stationär tätige Pflegepersonal ähnlich. Die Apotheke unterstützt bei der korrekten Entsorgung von Betäubungsmitteln und Abholung der Rezepte, vermittelt Tipps zur Lagerung und auch die Weitergabe von Hinweisen zur Anwendung der Arzneimittel und zum Umgang mit gefährlichen Stoffen wird als gut eingestuft. Die regelmäßigen Schulungen durch die versorgende Apotheke werden positiv aufgenommen.

Wünsche der Pflegekräfte

Wechselwirkungen, Warnhinweise und Nebenwirkungen kommen nach dem Empfinden der Pflegekräfte in der Beratung im Alltag zu kurz. Deshalb wünschen sich die Pflegekräfte vor allem mehr Schulungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Wechselwirkungen. Dadurch versprechen sie sich eine Steigerung ihrer Kompetenz. Dabei wird vor allem der fallbezogenen Herangehensweise ein hoher Stellenwert beigemessen. Dies gilt auch für die weniger häufig angesprochenen Beratungsthemen wie Teilbarkeit, Einnahmezeitpunkt oder Kontraindikationen. Diese Wünsche sollten Sie im Austausch mit den Fachpflegekräften stets berücksichtigen. Auch bei den Begehungen und Schulungen sollten Sie immer ein offenes Ohr für Themenwünsche haben. Durch die engmaschige Betreuung der Patienten in Pflegeeinrichtungen haben Sie stets den aktuellen Überblick, was sich in der jeweiligen Medikation ändert. Insbesondere wenn durch die Änderung bestimmte Nebenwirkungen verstärkt auftreten können – denken Sie an Sturzrisiko und Schwindel, aber auch an Verwirrtheit oder parkinsonähnliche Symptome wie Zittern – können Sie durch gezielte Hinweise das Pflegepersonal entsprechend sensibilisieren, gerade zu Beginn der neu angesetzten Therapie verstärkt auf solche Veränderungen zu achten. Auch wenn die Gebrauchsinformationen zu Arzneimitteln in der Pflegeeinrichtung hinterlegt sind, fehlt im Alltag oft die Zeit, sich diese durchzulesen. Als PTA sind Ihnen sehr viele der Informationen zu Nebenwirkungen und Wechselwirkungen durch Ihre tägliche Beratung geläufig. Und falls mal nicht: Sie können alles Notwendige schnell und unkompliziert in der ABDA-Datenbank recherchieren.

„Pflegegerechte“ Kommunikation

Die Aufgabe der Apotheke ist es, wichtige Informationen herauszufiltern und patientengerecht weiterzugeben. Während bei „patientengerecht“ immer ein starker Fokus auf Compliance und Steigerung der Kompetenz im Umgang mit der Erkrankung gesetzt wird, spielt das bei „pflegegerecht“ keine große Rolle. Hier sind andere Aspekte von Bedeutung, z. B.

  • Wie unterstützt man einen demenzkranken Patienten bei der Anwendung des Asthmasprays? Vielleicht ist ein Spacer für den Patienten die richtige Lösung, weil er das mit dem Ein- und Ausatmen bei gleichzeitigem Auslösen des Sprays nicht mehr versteht.
  • Welche Möglichkeiten gibt es, das Schlucken von Arzneimitteln zu erleichtern? Manchmal hilft ein leicht angedicktes Getränk, Kapseln können eventuell geöffnet und die Füllung mit einem Löffel Joghurt oder Brei verabreicht werden; Tropfen können auch mit einer Dosierspritze anstelle eines Löffels gegeben werden.
  • Wie lange dauert es bis zu einem Wirkungseintritt? Eine wichtige Frage zum Beispiel beim Umlagern: Wie schnell hilft das transmucosal applizierte Fentanyl wirklich? Oder wann kann man mit dem Einsetzen der Wirkung eines Psychopharmakons rechnen? Häufig werden, weil die Anlaufphase zu kurz angesetzt wird, viel zu früh die Dosen erhöht und dadurch massive Nebenwirkungen in Kauf genommen.
  • Welche unerwünschten Arzneimittelwirkungen können sich durch die Gabe der Arzneimittel verstärken? Nimmt der Patient schon zwei Arzneimittel, die zu Verstopfung, Sturz oder Verwirrtheit führen können, dann steigt das Risiko eher exponentiell als linear, dass bei der Einnahme eines weiteren Wirkstoffs mit ähnlichem Nebenwirkungsprofil tatsächlich eine bislang nicht beobachtete Veränderung festzustellen ist. Hier kann zusätzlich noch wichtig sein, ob es sich um eine Bedarfs- oder Dauermedikation handelt.
  • Wann muss beim Auftreten neuer Symptome an eine Nebenwirkung gedacht werden, die durch die Pflege an den betreuenden Arzt gespiegelt werden sollte? Verstärktes Sturzrisiko, gesteigerte Verwirrtheit, Störungen bei der Harnausscheidung, Änderungen von Blutdruck oder Blutzuckerspiegel – solche Symptome sind immer ein Grund, den Arzt anzusprechen. Das Pflegepersonal muss daher wissen, ob eventuell Nebenwirkungen von Arzneimitteln ein Auslöser sein können.

Rückfragen, ob es hilft

Wenn Sie Empfehlungen oder spezielle Tipps gegeben haben, fragen Sie nach, ob diese erfolgreich waren und bei dem speziellen Problem weiterhelfen konnten. Vielleicht zeigt sich im Pflegealltag, dass der Spacer allein für den an Demenz erkrankten Asthmapatienten nicht ausreicht, sondern eine zusätzlich aufgesteckte Mund-Nasen-Maske erst den gewünschten Erfolg bringt. Solche Erfahrungen sollten Sie am besten in einer kleinen Datenbank sammeln – so profitieren Sie als Apothekenteam gemeinsam von den Erfahrungen.

Wie erkläre ich es dem Pflegepersonal? 

  • „Konnte Herr Mayer die Anwendung seines Asthmasprays mit dem Spacer besser durchführen?“
  • „Bei Frau Neuner führt wahrscheinlich das Opioid-Schmerzmittel zu Verstopfung.“
  • „Gerne können wir uns bei unserem nächsten Schulungstermin die verschiedenen Schmerzmittel einmal genauer ansehen.“
  • „Ich rufe morgen bei Ihnen im Heim unter unserer Hotline-Nummer durch, um mich zu erkundigen, ob Herr Müller die Tabletten mit der Schluckhilfe besser schlucken konnte.“
  • „Es ist wichtig, dass Sie sich mit der Wirkung und den Nebenwirkungen von Arzneimitteln auskennen; gerne halten wir dazu bei Ihnen im Heim einen Vortrag.“

Routineprüfung

Interaktionen Bei der Medikation für Bewohner in Pflegeeinrichtungen ist der regelmäßige Check auf Interaktionen in der Apotheke selbstverständlich – auch darauf sollten Sie hinweisen. Aber dennoch kann es zu bislang unbekannten oder seltenen Interaktionen kommen, vor allem bei älteren Menschen durch die Veränderungen bei Resorption oder Metabolisierung. Nehmen Sie deshalb Nachfragen aus der Pflegeeinrichtung ernst und prüfen Sie diese. Nur so können Sie ein solides interprofessionelles Vertrauen aufbauen.

Anfragen unterscheiden 

Nicht alle Fragen und Probleme, die auftauchen, sind dringend und müssen sofort geklärt werden. Wenn etwas sofort geklärt werden muss, dann ist der Griff zum Telefon der beste Weg. Optimal wäre es, wenn es einen „heißen Draht“ gäbe, eine Pflegeheim-Telefonnummer. Anfragen oder Bestellungen, Informationen, die man besser vor Augen hat, werden am besten per Fax übermittelt. Hier kann ein standardisiertes Formular Arbeitserleichterung schaffen – Ankreuzen, Angabe der Durchwahl, Angabe der Dringlichkeit und Ähnliches mehr sind mögliche Optionen. Was Sie benötigen, stimmen Sie am besten individuell mit Ihrer Pflegeeinrichtung ab, denn die Zugänglichkeit zu Faxgeräten ist nicht in allen Einrichtungen gleich. Die Datensicherheit ist beim Fax derzeit deutlich höher als mit E-Mails. WhatsApp und ähnliche Dienste sind für die Weitergabe von sensiblen Daten von Patienten völlig ungeeignet.

Was bringt die Zukunft?

Die interprofessionelle Zusammenarbeit wird an Bedeutung zunehmen. Pflegekräfte- und Fachkräftemangel werfen bereits heute ihre Schatten deutlich voraus. Professionelle Versorgungsnetzwerke sind die Zukunft, Wissen über den Ablauf im jeweils anderen Arbeitsbereich ist eine gute Basis, um erste Schritte zu unternehmen. Ein Kurzpraktikum, ein Pflege-Apotheken-Stammtisch oder gemeinsame Fortbildungen mit einem Vortrag von einem die Einrichtung betreuenden Arzt, einem Apotheker aus Ihrem Team, einem Vertreter des Pflegestützpunktes oder anderen Experten sind geeignete Maßnahmen, um ein besseres Verständnis für die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse aller in der Pflege engagierten Berufe zu entwickeln.