Aktuelles
4 min merken gemerkt Artikel drucken

Hunderte nehmen Pille zum Schutz vor HIV – 60 Apotheken nehmen an Pilotprojekt teil

60 Apotheken geben derzeit die Prä-Expositionsprohylaxe vor HIV verblistert gegen Rezept ab. | Bild: gewitterkind / Adobe Stock

Prä-Expositionsprophylaxe (PrEp) für 50 Euro im Monat

Die tägliche Dosis gegen HIV kommt in kleinen Plastikbeutelchen von der Rolle. Das Medikament zur Vorbeugung, das sich Interessierte lange Zeit bei fragwürdigen Quellen im Ausland bestellten, ist seit Oktober in Deutschland erschwinglicher. Der Preis sank durch eine Initiative von mehreren Hundert auf 50 Euro monatlich - bezahlen müssen ihn die Bezieher aus eigener Tasche. Inzwischen sind bereits mehr als 1.000 Rezepte eingelöst worden. Die große Frage dabei: Infizieren sich von nun an nachweislich weniger Menschen mit dem Virus? Diese Hoffnung verbinden Experten mit der 2016 in der EU zugelassenen Prä-Expositionsprophylaxe, kurz PrEP. Denn in anderen Ländern wie Großbritannien wurde in dem Zusammenhang bereits ein Rückgang beobachtet. In Deutschland hingegen stagniert die Zahl der Neuinfektionen seit Jahren. Im Vorjahr steckten sich nach Berechnungen, die das Robert Koch-Institut (RKI) zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember veröffentlichte, 2.500 Männer und 570 Frauen mit dem Immunschwäche-Virus an. Stark betroffen ist Berlin, wo nun auch viele PrEP-Verschreibungen gezählt werden.

Prophylaxe bietet hohen aber keinen sicheren Schutz

Die Vorbeugung mit Tabletten ist für Menschen mit besonders hohem Infektionsrisiko gedacht, nicht für Jedermann. Die Form der Anwendung ist recht neu, das Medikament an sich jedoch schon seit Jahren für die Therapie HIV-Infizierter zugelassen. Es enthält Wirkstoffe, die die Virusvermehrung in den Zellen hemmen und bietet bei regelmäßiger Einnahme einen hohen, aber keinen 100-prozentigen Schutz vor HIV. Bei Menschen, die es nehmen wollen, muss sicher sein, dass sie HIV-negativ sind. Nimmt man es trotz bereits erfolgter Ansteckung, drohen Resistenzen. Eine Gefahr außerdem: Die Tabletten schützen nicht vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen wie Syphilis. Darauf müssen Mediziner bei den Nutzern ebenso ein Auge haben wie auf mögliche Nebenwirkungen, etwa für die Niere. Noch ist aber nicht ganz klar, wie das wichtige Monitoring gesichert werden kann - denn auch dabei stehen die Zeichen auf Selberzahlen.

Rund 60 Apotheken nehmen an Pilotprojekt teil

Der Weg zur PrEP führt bis jetzt nur über eigens geschulte Ärzte und 20- bis 30-minütige Beratungen in einer der Apotheken, die sich an einem Pilotprojekt beteiligen - bislang rund 60 an der Zahl. Beim Kauf bekommen Kunden neben Info-Material und Antworten auf Fragen rund um die korrekte Einnahme auch den Hinweis zu einer Studie an der Universität Duisburg-Essen. Was weiß man dank Online-Fragebogen über die Nutzer?

Bislang seien es eher Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen, die sich die PrEP leisteten. Sie hätten sie teils schon aus dem Ausland bezogen, teils aber auch noch keine Erfahrung damit. Befragte hätten oft angegeben, schon vorher keine Kondome benutzt und bereits andere sexuell übertragbare Erkrankungen gehabt zu haben. Als Grund für den Kondom-Verzicht würden Erektionsstörungen genannt, aber auch der Wunsch des Partners. Die Motive für das Interesse an der PrEP seien gemischt. Viele wollten zusätzlichen Schutz.

Ein in Teilen anderes Bild zeichnet die Berliner Apothekerin Claudia Neuhaus, die an dem Pilotprojekt beteiligt ist gegenüber der Deutschen Presseagentur: „Das sind sehr gewissenhafte Menschen. Sie gäben an, trotz der Medikamente Kondome zu benutzen. Gerade in Beziehungen, in denen ein Partner HIV-positiv ist, gehe es um zusätzliche Absicherung, falls zum Beispiel das Kondom reißt. Am Medikament verdienen Apotheken rund zehn Euro, sagt Neuhaus. Wegen der aufwendigen Beratung bleibe unter dem Strich nichts liegen. „Das ist Pionierarbeit. Wir möchten die Verbreitung von HIV minimieren.“

Die Zahlen müssten runter, gibt auch Erik Tenberken als Ziel an - es gelte jetzt, die Versorgung mit der PrEP zu stabilisieren. Der Kölner Apotheker hat ein Blisterzentrum, dem Hersteller Rabatte gewähren können, nicht aber Apotheken. Tenberken nutzte diesen Umweg und holte mehr Apotheken mit HIV-Expertise ins Boot, was Fachkreise begrüßten. Weitere Initiativen zögen womöglich nach, so Tenberken. Im Ruhrgebiet etwa gibt es einen weiteren Ansatz zur PrEP-Abgabe, allerdings mit noch überschaubaren Nutzerzahlen.