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Was Palliativmedizin leisten kann: Alle ziehen an einem Strang!

Bild: DragonImages – iStockphoto.com

Glücklicherweise gibt es für diese Menschen und deren Angehörige professionelle Hilfe im Rahmen einer interdisziplinären palliativen Versorgung (Synonym: Palliative Care) und für Pharmazeuten erschließt sich seit geraumer Zeit das Feld der palliativen Pharmazie mit Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Hilfe durch Palliative Care

Trotz enormer medizinischer Fortschritte können nicht alle schwerkranken Patienten geheilt werden. Wenn eine kurative Therapie nicht mehr möglich ist, trägt eine palliative Versorgung wesentlich dazu bei, die vielgestaltigen Beschwerden einer unheilbaren Erkrankung zu lindern. Während es bei einer kurativen Therapie in erster Linie um die Heilung einer Krankheit geht, steht bei der palliativen Versorgung der Patient und nicht nur seine Erkrankung im Mittelpunkt. Palliativmedizin kommt von dem lateinischen Wort „pallium“ = Mantel und soll den Patienten einhüllen und schützen. Im Vordergrund stehen dabei der Erhalt der Lebensqualität, die persönliche Zuwendung und die Linderung von sowohl physischen als auch psychischen Beschwerden. Ziel einer palliativen Versorgung ist es auch, die Selbstbestimmung schwer kranker Patienten zu erhalten beziehungsweise zu verbessern. Auch die religiöse und spirituelle Begleitung gehören zu den Aufgaben einer umfassenden Palliativversorgung.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei einer palliativen Versorgung steht der Patient und nicht nur seine Erkrankung im Mittelpunkt.
  • Im Vordergrund stehen die persönliche Zuwendung und die Linderung von physischen und psychischen Beschwerden, um die Lebensqualität des Patienten zu verbessern und zu erhalten.
  • Ein Palliativteam besteht aus Angehörigen verschiedener Berufsgruppen, um eine optimale Betreuung zu gewährleisten.
  • Eine palliative Versorgung kann zu Hause, auf einer Palliativstation oder im Hospiz durchgeführt werden.
  • Auch öffentliche Apotheken können Teil eines ambulanten Palliativteams sein. Das Apothekenpersonal kann sich in entsprechenden Fortbildungen auf diese anspruchsvolle Aufgabe vorbereiten.

Multiprofessionelle Unterstützung

Schnell wird klar, dass es zur Ausführung dieser vielfältigen Aufgaben ganz unterschiedlicher Berufsgruppen bedarf. Neben speziell geschulten Ärzten und Pflegepersonal sind Psychologen, Physiotherapeuten, Seelsorger und Sozialarbeiter wichtige Partner in einem Palliativteam. Ferner werden bei Bedarf Kunst-, Musik- oder Atemtherapeuten hinzugezogen. Auch Diätassistenten und Ernährungsberater können Teil dieses multiprofessionellen Teams sein. Da sowohl der zeitliche als auch der personelle Aufwand in der palliativen Versorgung enorm ist, sind in den meisten Fällen auch freiwillige Helfer, die zuvor eine entsprechende Ausbildung absolvieren müssen, herzlich willkommen.

Den Schmerz in Griff

In der Mehrzahl sind es onkologische Patienten, die eine palliative Versorgung in Anspruch nehmen. Deshalb wird an dieser Stelle ausschließlich auf Probleme eingegangen, die im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung auftreten können. Aufgrund der Vielzahl möglicher Komplikationen kann zudem nicht auf alle möglichen Beschwerden eingegangen werden. Viele Menschen assoziieren mit einer Krebserkrankung quälende Schmerzen. Tatsächlich leiden 70 bis 80 Prozent aller Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium unter mittleren bis starken Schmerzen, die unter anderem Ausdruck eines voranschreitenden Tumorwachstums oder die Nebenwirkung einer Therapie (z. B. infolge von Bestrahlungen) sein können. Schmerzen können fast immer gelindert werden, was zu den Hauptzielen der palliativen Versorgung zählt. Nur so kann die Lebensqualität erhalten beziehungsweise verbessert werden. Tumorschmerzen sind meist Dauerschmerzen, daher sollen Schmerzmittel unabhängig vom momentanen Schmerzempfinden regelmäßig und zu festgelegten Zeiten eingenommen oder verabreicht werden. So kommt man dem Wiederauftreten des Schmerzes zuvor, man spricht in diesem Zusammenhang von einer antizipatorischen Applikation der Schmerzmittel. Welche Präparate in der Palliativmedizin zum Einsatz kommen, ist abhängig von der Schmerzstärke und deren Ursache. Bei der Auswahl eines adäquaten Schmerzmittels wird normalerweise nach dem WHO-Stufenschema vorgegangen.

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung

Auch unter einer chronischen Opioideinnahme zeigen sich therapiebedürftige Nebenwirkungen. Ein häufiges und für den Betroffenen sehr belastendes Symptom ist die Opioid-Obstipation, welche bereits vorbeugend mit Laxanzien behandelt werden sollte. Reichen herkömmliche Laxanzien nicht aus, soll laut S3-Leitlinie („Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“) ein Opioidantagonist (z. B. Methylnaltrexon in Relistor®) verabreicht werden. Genau wie bei der Schmerztherapie wird bei der Behandlung einer chronischen Verstopfung ebenfalls nach einem bestimmten Stufenschema vorgegangen. Andere häufige Beschwerden, welche ebenfalls Nebenwirkungen einer Opioidtherapie sein können, sind Übelkeit und Erbrechen. Diese sollen laut Leitlinie mit antidopaminergen Wirkstoffen (z. B. Haloperidol) oder motilitätsfördernden Medikamenten (z. B. Metoclopramid) behandelt werden.

Wichtige Aufgaben der Palliativmedizin

  • medizinische Versorgung: Symptomlinderung von Schmerzen und anderen körperlichen Beschwerden (Ärzte und Pflegepersonal)
  • emotionale Betreuung: psychosoziale Betreuung von Patienten und Angehörigen (Psychologen)
  • religiöse/spirituelle Begleitung (Seelsorger, Pfarrer)
  • Unterstützung bei organisatorischen Problemen (Sozialarbeiter)

Belastung durch Atemnot

Palliativpatienten leiden häufig unter Atemnot und quälendem Husten, was nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für deren Angehörige sehr belastend sein kann. Wer unter Luftnot leidet, gerät schnell in Panik, sodass die Atemnot sich noch verstärkt. Zur Linderung stehen medikamentöse sowie nicht medikamentöse Maßnahmen zur Verfügung. Zu Letzteren gehören beispielsweise Entspannungs- und Atemübungen sowie physiotherapeutische Maßnahmen. Zur medikamentösen Therapie eignen sich Opioide, Benzodiazepine, Antitussiva und bei Vorliegen eines produktiven Hustens ein Schleimlöser.

Abschied vom Leben

In psychologischer Hinsicht stellt eine unheilbare Erkrankung sowohl für die Betroffenen als auch für deren Angehörige eine äußert große Herausforderung dar. Es besteht keinerlei Hoffnung mehr auf Heilung, die körperlichen Kräfte schwinden, die Beschwerden nehmen zu und die lähmende Angst vor dem Tod rückt immer näher in den Fokus. In einer solch außergewöhnlichen Lage bedarf es häufig einer psychologischen Betreuung. Ängste und Depressionen sollten bei schwerkranken Menschen frühzeitig erkannt und behandelt werden, auch dies ist eine wichtige Maßnahme zur Steigerung der Lebensqualität. Die Behandlung einer Depression sollte selbst bei kurzen Lebensprognosen noch eingeleitet werden, so empfehlen es die aktuellen S3-Leitlinien. Depressionen und Ängste sollen mit psychotherapeutischen Maßnahmen und gegebenenfalls mit geeigneten Psychopharmaka (Antidepressiva, Anxiolytika) behandelt werden.

Ambulant oder stationär?

Palliativstationen sind eigenständige Einheiten eines Krankenhauses. Die Zimmer sind weniger „steril“ eingerichtet und häufig ist ein Gemeinschaftsraum mit Küche vorhanden. Die Besuchszeiten werden oft lockerer gehandhabt und auf Wunsch kann man als Angehöriger dort übernachten. Wie bereits erwähnt werden schwerkranke Patienten dort interdisziplinär betreut. Es stehen rund um die Uhr Ärzte und ausreichend Pflegepersonal zur Verfügung. Auf einer Palliativstation ist eine Pflegekraft nur für maximal vier Patienten gleichzeitig zuständig. Im Unterschied zu einem Hospiz, das ausschließlich der Sterbebegleitung dient, ist der Aufenthalt auf einer Palliativstation zeitlich begrenzt, die durchschnittliche Verweildauer beträgt zwei Wochen.

Am liebsten zu Hause

Die meisten Menschen wollen zu Hause in ihrer gewohnten Umgebung sterben. Auch dann muss nicht auf eine professionelle palliative Betreuung verzichtet werden. In vielen Fällen reicht eine allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) durch Hausarzt und Pflegedienst mit der Zeit nicht mehr aus. Dann kann vom behandelnden Arzt eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SPAV) verordnet werden, insbesondere dann, wenn eine aufwendigere Versorgung notwendig ist. Durchgeführt wird diese von ambulanten Palliative-Care-Teams, die den gleichen Anforderungen genügen müssen wie ein Team auf einer Palliativstation. Auch hier muss eine 24-Stunden-Bereitschaft gewährleistet werden. Ambulante Palliative-Care-Teams kooperieren neben den bereits erwähnten Berufsgruppen häufig auch mit Sanitätshäusern und Apotheken, deren Mitarbeiter dann entsprechend geschult sein sollten.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Sie sollten darauf achten, dass Ihr Mann die Schmerztabletten genau nach Plan einnimmt, auch wenn er keine Schmerzen hat. Damit will man dem Schmerz zuvorkommen.“
  • „Ihre Mutter sollte das Abführmittel auf jeden Fall jetzt schon einnehmen, auch wenn dahin gehend noch keine Probleme aufgetreten sind. Diese Art von Schmerzmitteln führt mit der Zeit fast immer zu einer Verstopfung.“
  • „Das Palliativteam ist nicht nur für den Patienten da, sondern auch für dessen Angehörige. Fragen Sie doch beim nächsten Besuch auf der Palliativstation nach einem entsprechenden Ansprechpartner, damit Sie mit Ihren Ängsten wieder besser umgehen können.“

Palliative Pharmazie

Apotheken in die Versorgung von Palliativpatienten miteinzubeziehen macht durchaus Sinn. Von Vorteil ist, wenn der Palliativpatient und seine Angehörigen schon zur Stammkundschaft der Apotheke gehören, sodass bereits vor der Erkrankung ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden konnte. In der Apotheke muss man sich darüber im Klaren sein, dass sich die Bedürfnisse und Probleme von Schwerstkranken nicht an die üblichen Öffnungszeiten halten. Man muss sich mit dem Prozess des Sterbens immer wieder aufs Neue auseinandersetzen können. Wer diese besondere Verantwortung nicht scheut und Teil eines lokalen palliativen Netzwerks werden will, kann sich durch spezielle Fort- und Weiterbildungen darauf vorbereiten. Die Bundesapothekerkammer bietet gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin eine zertifizierte Fortbildung für Apotheker(-innen) an. Neben der Vertiefung relevanter pharmazeutischer Themen werden die Teilnehmer auch Antworten zu rechtlichen und ethischen Fragen bekommen. Auch auf die Besonderheiten in der Kommunikation mit Palliativpatienten wird eingegangen.

Fortbildung für PTA

Auch für PTA sind inzwischen Fortbildungsmöglichkeiten zur Erlangung palliativpharmazeutischer Kenntnisse vorhanden. Die Augsburger Hospiz- und Palliativversorgung e. V. bietet z. B. eine Palliative-Care-Fortbildung speziell für PTA an. Eine Anfrage bei der zuständigen Landesapothekerkammer oder direkt bei ortsansässigen ambulanten Palliativstationen kann bei der Suche nach einer passenden Fortbildung ebenfalls weiterhelfen. Für Interessierte besteht auch die Möglichkeit, ehrenamtlich auf einer Palliativstation oder in einem ambulanten Palliativteam mitzuarbeiten, denn auf diese entgeltlose Hilfe sind viele palliativmedizinische Einrichtungen und Hospize angewiesen. Selbstverständlich müssen auch freiwillige Mitarbeiter vor Aufnahme der Tätigkeit entsprechend geschult werden.