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Sind PPI doch kein Auslöser für Allergien?

Laut österreichischen Wissenschaftlern sollen Protonenpumpenhemmer Allergien auslösen. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie kritisiert jedoch das Studiendesign. | Bild: imago images/Uwe Steinert

„PPI können offenbar Allergien auslösen“, so las man vergangene Woche in zahlreichen Medien, auch PTAheute berichtete darüber. Anlass für die Annahme einer weiteren unerwünschten Wirkung der Protonenpumpenhemmer – neben Osteoporose oder Vitamin-B12-Mangel – war eine in Nature Communications veröffentlichte Studie, in der Wissenschaftler von der Universität Wien Daten österreichischer Krankenversicherungen ausgewertet hatten. 

Sie fanden, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Antihistaminikum oder eine spezifische Immuntherapie zu benötigen, bei Patienten, die schon PPI verordnet bekommen hatten, zwei- oder sogar dreimal höher als bei anderen Patienten war. Besonders stark waren demnach Frauen von der erhöhten Allergiegefahr betroffen, berichtet das Team im Fachmagazin „Nature Communications“. 

Säurehemmung bei gesicherter Diagnose 

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sieht diesen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Magensäureblockern und der Entwicklung von Allergien, wie er in der Nature-Studie hergestellt wird, nicht. Sie begründet, dass die publizierte Arbeit allein auf Daten österreichischer Krankenversicherungen basiert und fast keine Diagnosedaten miteinbezieht. Das Studiendesign sei nicht dafür geeignet, die Frage zu beantworten, ob Säurehemmung das Entstehen von Allergien begünstige, so die DGVS. Sie kritisiert vor allem, dass auch „Patienten mit gesicherter Indikation für eine säurehemmende Therapie dadurch unnötig verunsichert“ werden. 

PPI seit Jahren erprobt 

Eine übermäßige Magensäureproduktion kann Symptome wie Sodbrennen, saures Aufstoßen, Schmerzen im Oberbauch oder Schluckbeschwerden auslösen. Auch Husten, Heiserkeit und asthmaartige Beschwerden können Ursache einer Magensäureüberlastung sein. „Schätzungen gehen davon aus, dass ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland davon betroffen ist. Alle therapeutischen Vorgehensweisen und Medikamente sind daher besonders in den Blick zu nehmen“, sagt Professor Dr. med. Herbert Koop, Arzt für Innere Medizin und Gastroenterologie und ehemaliger Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie am Helios-Klinikum Berlin-Buch, in der Stellungnahme der DGVS. Im Falle von Säureblockern geschehe das seit vielen Jahren und sehr systematisch über wissenschaftliche Studien, die dann auch in Leitlinien einfließen und damit einen Behandlungsstandard definieren. 

Einzelne Untersuchungen vs. vorhandene Evidenz 

„Einzelne Untersuchungen mit einem sehr eingegrenzten wissenschaftlichen Fokus sollten die aus zahlreichen wissenschaftlichen Studien abgeleitete Evidenz, die heute Grundlage für medizinisches Handeln ist, nicht automatisch in Frage stellen. Sonst gelangt man schnell in eine Grauzone, in der eine verlässliche Patientenversorgung schwierig werden kann“, erklärt auch Professor Dr. med. Christian Trautwein, Direktor der Medizinischen Klinik III der RWTH Aachen. 

Schwächen der Studie 

Professor Koop kritisiert vor allem vier Aspekte der Nature-Communications-Studie: Zum einen seien darin unterschiedliche Pharmaka untersucht worden – Sucralfate, die praktisch ohne Einfluss auf den pH-Wert im Magen sind, H2-Blocker, die als mäßig aktive Säurehemmer einzustufen sind, und starke Säurehemmer, wie PPI. Laut der Mitteilung der DGVS erhöhen alle Substanzen in der Studie das Risiko, eine Allergie zu entwickeln. „Somit ergibt sich keine Korrelation zum Grad der Säurehemmung. Daher ist fragwürdig, ob die Säurehemmung überhaupt im Zusammenhang mit der Allergieentstehung zu sehen ist“, so Professor Koop. 

Auch stütze sich die Analyse mit Blick auf die Allergieentstehung nur auf die Verschreibung von Medikamenten, die mutmaßlich das Vorhandensein einer Allergie anzeigen sollen. Daten zu Allergie-Diagnosen selbst hätten nicht vorgelegen. 

Medikation erlaubt keinen eindeutigen Rückschluss 

Schwachpunkt der Studie sei auch, dass Phenothiazine in die Studie einbezogen wurden. Diese würden in erster Linie als Neuroleptika bei neurologisch-psychiatrischen Krankheiten eingesetzt, und nur noch im Einzelfall bei Allergien verschrieben. Grundsätzlich sei die Tatsache, dass ein Medikament verschrieben worden sei, nicht geeignet, um daraus die Ursache für neu aufgetretene Krankheiten, wie in diesem Fall Allergien, abzuleiten. 

Studie ungeeignet 

Die DGVS kritisiert außerdem, dass die Studienauswertung nicht zwischen unterschiedlichen Arten von Allergien differenziert oder zusätzliche Patienten-Informationen berücksichtigt hat. „Es ist wissenschaftlich gesichert, dass sich Patienten, die beispielsweise einen PPI einnehmen, deutlich von anderen Patienten unterscheiden: Sie sind in aller Regel älter, haben mehr Begleiterkrankungen, nehmen mehr Medikamente“, erklärt Professor Koop. Dieser Einfluss hätte jedoch in der aktuell veröffentlichten Studie nicht evaluiert werden können, da die Untersucher offensichtlich keinen Zugang zu solch wichtigen Medikations- und Diagnosedaten hatten. 

Nach Ansicht der DGVS kann die Studie aufgrund ihres Designs und der Datenlage keine Aussage treffen, ob Säurehemmung das Entstehen von Allergien begünstigt. Die Wirksamkeit von PPI hingegen sei jedoch durch Studien belegt, die zu klaren Indikationen und Handlungsempfehlungen in deutschen und internationalen Leitlinien geführt hätten.