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Vorsicht vor den Falschen!

Der Grüne Knollenblätterpilz wächst von August bis Oktober und wird leicht mit essbaren Pilzen verwechselt. | Bild: DGfm Dr. Matthias Theiss

Pilz des Jahres 2019 – tödliches Potential 

Zunächst einmal eine gute Nachricht: Von den über 5000 bekannten Pilzarten in Mitteleuropa sind nur circa 150 (also 3 Prozent) giftig. Unter diesen wiederum besitzen nur einige wenige tödliches Potential. Ihr wichtigster Vertreter ist der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides). Für 90 Prozent aller Pilzvergiftungen mit Todesfolge ist er verantwortlich. Der Grüne Knollenblätterpilz wurde zum „Pilz des Jahres 2019“ erkoren.

Warum der Grüne Knollenblätterpilz so gefährlich ist 

Zur tödlichen Gefahr wird der Grüne Knollenblätterpilz durch eine Reihe tückischer Eigenschaften:

  • Er sieht dem beliebten Champignon ähnlich. Außerdem kann er auch mit essbaren Täublingen und Grünlingen verwechselt werden.
  • Seine Giftstoffe werden durchs Kochen nicht unschädlich gemacht.
  • Man schmeckt die Toxine nicht. Der Pilz soll sogar geschmacklich gut sein.
  • Vergiftungssymptome treten erst nach einer Latenzzeit von 6 bis 24 Stunden auf. Dann hat sich das Toxin aber bereits im ganzen Körper verteilt.
  • Nach der Akutsymptomatik tritt eine scheinbare Besserung ein, während der aber die Leberzerstörung erfolgt.
  • Schon ein einziger mittelgroßer Knollenblätterpilz reicht für eine tödliche Vergiftung aus.

Es droht Leberversagen 

Typischerweise macht sich eine Knollenblätterpilzvergiftung mit Übelkeit, krampfartigen Leibschmerzen und starkem Brechdurchfall bemerkbar. Bei günstigem Verlauf gehen die Symptome nach 7 bis 10 Tagen komplett zurück und der Patient genest. Im schlimmsten Fall kommt es aber zum Tod durch Leber- oder Multiorganversagen.

Für die fatale Wirkung sind die sogenannten Amatoxine verantwortlich. Sie hemmen den Zellstoffwechsel. Davon sind stoffwechselaktive Organe, insbesondere die Leber, zuerst betroffen. Eine Behandlung der Knollenblätterpilzvergiftung besteht deshalb in erster Linie darin, die Leber zu schützen. So wird unter anderem das Antidot Silibinin (Legalon® SIL) verabreicht, das aus der Mariendistel gewonnen wird. In schweren Fällen kann jedoch nur eine Lebertransplantation das Leben des Patienten retten.

Verschiedene Pilze – unterschiedliche Giftwirkungen 

Die Symptomatik, die durch eine Knollenblätterpilzvergiftung ausgelöst wird, heißt Phalloides-Syndrom – benannt nach dem wissenschaftlichen Namen des Pilzes. Weitere heimische Pilze können zu anderen Vergiftungssyndromen führen. Hier einige Beispiele:

  • Orellanus-Syndrom: Zu den gefürchtetsten Giftpilzen zählt der Orangefuchsige Raukopf (Cortinarius orellanus), der zu den Schleierlingen gehört. Tückisch bei der Vergiftung ist die meist sehr lange Latenzzeit von bis zu 14 Tagen. Symptome sind Durst, trockener Mund, Kopfschmerzen, Nierenschmerzen und schließlich Nierenversagen.
  • Pantherina-Syndrom: Entgegen der landläufigen Meinung ist der Fliegenpilz (Amanita muscaria) kein tödlicher Giftpilz. Ebenso wie der Pantherpilz (Amanita pantherina) ruft er jedoch Schwindel, Erbrechen, Schweißausbruch, Kreislaufbeschwerden und in schweren Fällen Krampfanfälle, Halluzinationen und Bewusstlosigkeit hervor.
  • Coprinus-Syndrom (= Acetaldehyd-Syndrom): Einige essbare Pilze entfalten erst in Kombination mit Alkohol giftige Wirkungen: plötzliche Hautrötung, Schwindel, Schweißausbruch, Atemnot, Herzrasen. Verantwortlich dafür ist der Pilzinhaltsstoff Coprin, der durch Enzymblockade den Alkoholabbau hemmt und zur Anreicherung von Acetaldehyd im Körper führt. Coprin kommt u. a. im Grauen Falten-Tintling (Coprinus atramentarius) vor.

Einfach nur verdorben 

Pilzvergiftungen können aber auch beim Verzehr von Speisepilzen auftreten, vor allem wenn diese ungenügend gegart werden. Im rohen Zustand sind nämlich die meisten Pilze giftig – außer Zuchtchampignon, Steinpilz und einigen wenigen anderen Arten. Außerdem kann es zu Vergiftungen kommen, wenn die verzehrten Pilze zu alt oder falsch gelagert waren (z. B. tagelang luftdicht verschlossen). Darüber hinaus gibt es einige Menschen, die Pilze generell nicht vertragen und mit allgemeiner Unverträglichkeit auf den Verzehr reagieren.

Keinesfalls Milch trinken 

Eine frühe Diagnose und Behandlung von Pilzvergiftungen ist sehr wichtig. Deshalb sollte jeder, der nach dem Verzehr von Wildpilzen Symptome bemerkt, schnell handeln:

  • Beim geringsten Verdacht auf eine Pilzvergiftung sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Bei akuter, lebensbedrohlicher Symptomatik ist der Notarzt (112) zu rufen. Rund um die Uhr kann man die Giftnotrufzentren telefonisch erreichen. Hier bekommt man weitere Informationen und kann an einen sachkundigen Arzt oder Pilzsachverständigen in der Nähe vermittelt werden.
  • Zum Nachweis des Pilzgiftes sollten etwaige Pilzreste (auch vom Pilzeputzen) und Erbrochenes zur Untersuchung aufbewahrt und dem Arzt gegeben werden.
  • Keinesfalls sollte eine Therapie ohne ärztliche Anweisung erfolgen. Von Hausmitteln wie Milchtrinken ist dringend abzuraten, denn Milch kann die Giftaufnahme sogar begünstigen. Auch Salzwasser zu trinken, um Erbrechen herbeizuführen, kann die Prognose verschlechtern. Kohletabletten zur Linderung von Durchfällen sind ebenfalls kontraindiziert.
  • Nur wenn ärztliche Hilfe nicht schnell zu erreichen ist und die Pilzmahlzeit nicht länger als 5 bis 6 Stunden zurückliegt, ist es ratsam selbst Erbrechen auszulösen, indem der Finger in den Hals gesteckt wird.

Mehr Wissen schützt 

Grundsätzlich sollte man nur solche Pilze sammeln, die man zweifelsfrei kennt. Wer unerfahren ist, sollte in jedem Fall vor dem Verzehr einen Pilzsachverständigen konsultieren. In vielen Städten werden außerdem während der Pilzsaison Pilzberatungen oder von Experten geführte Pilzwanderungen angeboten. Wer sich selbst weiter über essbare und giftige Pilze informieren möchte, kann zum Beispiel die Broschüre „Risiko Pilze“ kostenlos von der Website des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) herunterladen.

Grüner Knollenblätterpilz – kein warnendes Erscheinungsbild 

Der Giftpilz wächst von August bis Oktober in Laub- und Mischwäldern. Er kommt aber auch – ebenso wie der Champignon – auf Rasenflächen vor, sofern in der Nähe Bäume stehen. Der Grüne Knollenblätterpilz sieht eher harmlos und unauffällig aus: Er trägt einen bis zu 15 Zentimeter breiten, meist braun-grünlich gefärbten Hut. Charakteristisch sind die weißen Lamellen auf der Unterseite sowie die knollige, sackartig umhüllte Stielbasis. Amanita phalloides ist leicht mit anderen Knollenblätterpilzen zu verwechseln. Aber auch diese sind giftig. In ökologischer Hinsicht ist der Knollenblätterpilz wertvoll, denn über sein Myzel im Boden geht er eine Lebensgemeinschaft mit Bäumen einen, denen er Wasser und Mineralstoffe liefert.

Quellen: Deutsche Leberstiftung; Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V. (DGfM); Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR); R. Lüder: Grundkurs Pilzbestimmung, Quelle & Meyer Verlag 2007