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Cefiderocol: Ein Antibiotikum als trojanisches Pferd

Fetroja: Bereits im Arzneimittelnamen versteckt Hersteller Shionogi das Besondere des neuen Cephalosporins Cefiderocol. | Bild: Shionogi

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA – genauer: der dort für Arzneimittel zur Anwendung am Menschen zuständige „Humanarzneimittelausschuss“ (CHMP, Committee for Medicinal Products for Human Use) – hat ein neues Antibiotikum zur Zulassung empfohlen: Cefiderocol-Siderophor (Fetroja®).

Ein neues Reserve-Antibiotikum

So die Europäische Kommission die Zulassung erteilt, darf Cefiderocol in der EU künftig zur Behandlung von Infektionen eingesetzt werden, die durch gramnegative aerobe Erreger verursacht werden.

Zur Erinnerung: Aerob und anaerob 

„Aerob“ sind Erreger, die zum Leben Sauerstoff benötigen. Von „anaerob“ spricht man hingegen, wenn die Erreger im sauerstofffreien Milieu wachsen.

Das neue Antibiotikum soll nur zur Anwendung kommen, wenn die Therapiemöglichkeiten begrenzt sind, also als Reserve. In den Vereinigten Staaten wird Fetroja® bereits eingesetzt, dort ist die Behandlung auf durch bestimmte gramnegative Bakterien verursachte Harnwegsinfektionen, inklusive der Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis), bei Patienten ab 18 Jahren beschränkt.

Wie wirkt Cefiderocol?

Cefiderocol-Siderophor zählt zur großen Gruppe der Cephalosporine. Es wirkt bakterizid (tötet Bakterien ab), indem es verhindert, dass das Bakterium eine stabile Bakterienzellwand baut – es ist also ein Hemmstoff der Zellwandbiosynthese. Die Folge: Die Bakterienzellwand wird „löchriger“ und bietet dem Erreger keinen stabilen Schutz mehr nach außen, zusätzlich verliert das Bakterium für sein Überleben wichtige Stoffe durch die nun poröse Zellwand. Der Wirkmechanismus von Cefiderocol ist folglich nicht neu, andere Cephalosporine wirken auf die gleiche Weise. Allerdings nutzt Cefiderocol-Siderophor einen raffinierten Trick, um in die Bakterienzelle zu gelangen, und soll so gängige Resistenzmechanismen des Erregers umgehen.

Cefiderocol-Siderophor trickst Bakterien aus

Das Besondere an Cefiderocol ist eine zusätzliche Struktur, das Siderophor. Der Begriff „Siderophor“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „Eisenträger“, da die Verbindungen in der Lage sind, Eisen zu binden. In der Natur nutzen manche Bakterien diesen Mechanismus, um so ihren Eisenbedarf zu decken – sie geben Siderophore in ihre Umgebung ab, diese binden das benötigte Eisen, und der Eisen-Siderophor-Komplex wird anschließend von dem Bakterium wieder aufgenommen.

Den bakteriellen Eisenbedarf macht sich das Antibiotikum zunutze. Denn auch Cefiderocol-Siderophor bindet Eisen – und das Bakterium nimmt über seinen aktiven Eisentransporter diesen antibiotischen Eisen-Siderophor-Komplex auf. Der Erreger schleust sich somit seinen eigenen Tod ins Innere.

Fetroja: Cefiderocol wird als trojanisches Pferd ins Bakterium geschleust

Vielleicht hat sich Shionogi, der pharmazeutische Unternehmer hinter Cefiderocol-Siderophor, aus diesen Gründen für den Handelsnamen Fetroja® entschieden: Es impliziert die Bindung von Cefiderocol an Eisen („Fe-“) und das versteckte Entern, wie beim trojanischen Pferd („-troja“).

Zur Erinnerung: Das Trojanische Pferd

Das Trojanische Pferd spielt laut der griechischen Mythologie die entscheidende Rolle im trojanischen Krieg, den die Griechen gegen die Trojaner führten. Auslöser war, dass Paris, ein trojanischer Prinz, und die schöne Helena, Ehefrau des Königs von Sparta, Menelaos, sich verliebten und gemeinsam nach Troja flohen. Menelaos' Bruder, Agamemnon, dem Herrscher von Mykene, waren die Trojaner jedoch schon lange ein Dorn im Auge, und die Entführung Helenas bot somit einen willkommenen Anlass, um endlich gegen Troja in den Krieg zu ziehen. Der Krieg währte für immerhin zehn Jahre. Gewonnen haben die Griechen letztlich nur durch eine List – durch das Trojanische Pferd.

Das Trojanische Pferd war ein hölzernes Pferd, was die Trojaner vor ihren Toren fanden, in dessen Bauch sich jedoch griechische Soldaten versteckt hatten. Die Trojaner verorteten das hölzerne Pferd allerdings als Geschenk, zogen es hinter ihre Stadtmauern und schleusten unwissend somit die tapfersten griechischen Streiter in ihre Stadt. Die griechischen Soldaten öffneten nachts den Bauch des Pferdes und öffneten die Stadttore Trojas, sodass ihr gesamtes Heer die Stadt einnahm. Die Trojaner hatten dadurch somit aktiv ihren eigenen Untergang provoziert.

Wie geht es weiter?

Noch ist das neue Antibiotikum nicht zugelassen. Über die endgültige Zulassung entscheidet die Europäische Kommission, diese folgt in der Regel den Empfehlungen des CHMP.