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Was ist eigentlich Gefühlsblindheit?

Menschen, die an Alexithymie leiden, haben ein Defizit in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Emotionen. | Bild: fidaolga / AdobeStock

Angst, Wut, Reue – solche Gefühle plagen uns oft stark und lange. Gab es etwa morgens einen Streit mit dem Partner, quält einen das den ganzen Tag über. Immer wieder muss man gegen die Tränen ankämpfen. Abends kommt man dann mit bangem Herzklopfen nach Hause. Ein dicker Kloß sitzt im Hals. 

Einem Menschen mit Gefühlsblindheit (Alexithymie) ist dagegen so etwas eher fremd. Konflikte belasten ihn emotional weniger stark. Er bleibt in solchen Situationen eher gelassen.

Störung von Affektwahrnehmung und -äußerung

Das gilt jedoch nicht nur für die negativen Gefühle, sondern auch für die positiven. Bei gefühlsblinden Menschen bleibt zum Beispiel das große Glücksgefühl aus, wenn es nach dem Streit zur ersehnten Versöhnung kommt. 

Den Betroffenen fällt es auch schwer, eigene Gefühle zu beschreiben und sie anderen mitzuteilen. Das beinhaltet der Fachbegriff Alexithymie: A = Fehlen, lexis = Wort, thymos = Gefühl. Man spricht auch von emotionalem Analphabetentum. 

Alexithyme Menschen wirken oft gleichmütig, wenn nicht gar emotionslos oder gefühlskalt. Manche empfinden statt eines Affekts eher eine körperliche Reaktion, zum Beispiel in Form von Anspannung oder Magen-Darm-Beschwerden.

Mangelnde emotionale Kompetenz

Auch mit den Gefühlen anderer Menschen tun sich gefühlsblinde Menschen schwer. Sie können sich schlecht in andere hineinversetzen und angemessen auf deren Gefühlslage reagieren. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Es mangelt ihnen an emotionaler Kompetenz. Für Familie, Freunde oder Kollegen kann das frustrierend sein.

Gefühlsblindheit betrifft eher Männer

Es handelt sich bei der Alexithymie nicht um eine Krankheit im eigentlichen Sinne, sondern um ein Persönlichkeitsmerkmal. Auf etwa zehn Prozent der Bevölkerung trifft es zu. Darunter sind mehr Männer betroffen, außerdem mehr Menschen mit geringer Bildung. 

Typisch für die Betroffenen ist des Weiteren, dass sie meist wenig Fantasie und Vorstellungskraft haben. Sie sind stark realitätsbezogen und handlungsorientiert.

Häufige Ursache: Defizite in der Kindheit

Als Ursache für Gefühlsblindheit kommen genetische Veranlagung oder Entwicklungsdefizite in der Kindheit infrage, zum Beispiel wenn eine feste Bezugsperson gefehlt hat. Außerdem können frühe traumatische Erlebnisse zur Gefühlsblindheit führen. Betroffene sind auch anfälliger für verschiedene psychische und psychosomatische Störungen. Quellen: Universität Würzburg; Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik 

Alexithymie in Kürze

  • Alexithymie = Gefühlsblindheit beschreibt ein Defizit in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Emotionen („emotionales Analphabetentum“).
  • Ebenfalls mangelndes Einfühlungsvermögen.
  • Keine Krankheit, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal.
  • Betrifft circa zehn Prozent der Bevölkerung, insbesondere Männer.   
  • Ursache: genetische Veranlagung, frühkindliche Entwicklungsdefizite oder traumatische Erlebnisse.