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Einheitliche Regeln zur Kariesprophylaxe

Kleinkind putzt sich mithilfe der Mutter die Zähne
Lange waren sich Kinder- und Zahnärzte über die ideale Kariesprophylaxe im Säuglings- und Kleinkindalter uneinig. | Bild: Oksana Kuzmina / AdobeStock

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat eine Änderung der Richtlinie über die Früherkennungsuntersuchung auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten zum 24. April 2024 beschlossen. 

Von nun an ist das Auftragen von Fluoridlack zur Zahnschmelzhärtung für alle Kinder bis zum 6. Geburtstag eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit besteht der Anspruch jetzt unabhängig davon, wie hoch das Kariesrisiko eingeschätzt wird.

Bisher gab es für den Schutz des Milchgebisses je nach Altersgruppe unterschiedliche Regelungen: Bis zum 33. Lebensmonat spielte das Kariesrisiko keine Rolle. Zwischen dem 34. Lebensmonat und dem vollendeten 6. Lebensjahr war hingegen noch ein hohes Kariesrisiko die Voraussetzung dafür, dass die Milchzähne zweimal pro Kalenderhalbjahr mit Fluoridlack geschützt werden konnten. Quelle: https://www.g-ba.de/beschluesse/6419/ 

Gut zu wissen: zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung bei Kindern

Gemäß der Richtlinie über die Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten haben Kinder zwischen dem 6. Lebensmonat und dem vollendeten 6. Lebensjahr Anspruch auf sechs zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen.

Im Rahmen dieser Untersuchungen begutachtet der Zahnarzt die Mundhöhle, schätzt das Kariesrisiko des Kindes ein und berät zu Ernährungsrisiken durch zuckerhaltige Speisen und Getränke sowie zur richtigen Mundhygiene. Bei Bedarf wird eine passende fluoridhaltige Zahnpasta empfohlen.

Mit der Änderung der Richtlinie folgt der G-BA einem Antrag der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahr 2022. 

Kinder- und Zahnärzte hatten sich bereits ein Jahr zuvor auf Initiative des bundesweiten Netzwerkes „Gesund ins Leben“ auf Handlungsempfehlungen für eine Kariesprophylaxe von Kindern unter sechs Jahren geeinigt. Diese wurden in der Fachzeitschrift „Monatsschrift Kinderheilkunde“ veröffentlicht.

Fluorid je nach Alter: oral oder lokal

Die Prävention fußt auf mehreren Säulen: Neben zahngesunden Ess- und Trinkgewohnheiten sowie Zähneputzen nimmt Fluorid eine Schlüsselrolle ein. Säuglinge sollen ab Geburt systemisch 0,25 mg Fluorid supplementieren. Hierfür eignen sich beispielsweise Kombinationspräparate mit 400 bis 500 I.E. Vitamin D, wie D-Fluoretten®, Zymafluor D® 500 oder Fluor-Vigantol® 500. 

Ab dem ersten Zahn sollen Eltern ihr Baby behutsam an die Zahnbürste heranführen. Bei Fluorid haben sie dann die Wahl zwischen oral oder lokal: Sie können mit dem Fluorid-/Vitamin-D-Supplement fortfahren und mit fluoridfreier Zahnpasta oder Wasser putzen. Oder sie verwenden stattdessen Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid bis zu zweimal täglich mit jeweils maximal 0,125 g Zahnpasta. Die Menge entspricht einem Reiskorn.  

Bei Säuglingen Trinkwasserzusammensetzung beachten

Eine Ausnahme gilt für Säuglinge, die sich hauptsächlich von Säuglingsmilchnahrung ernähren. Wird diese mit Trinkwasser oder Mineralwasser mit hohem Fluoridgehalt (≥ 0,3 mg/l) zubereitet, empfehlen Experten kein weiteres Fluorid – allenfalls einmal täglich als fluoridhaltige Zahnpasta. 

Spätestens ab dem 1. Geburtstag wird dann allen Kindern empfohlen, die Zähne zweimal pro Tag mit je bis zu 0,125 g fluoridhaltiger Zahnpasta oder -gel (1.000 ppm) zu putzen. Eine gute Vitamin-D-Versorgung ist für die Zahngesundheit ebenfalls wichtig und wird je nach Geburtsmonat bis zum zweiten Frühsommer fortgeführt.

Erst ab 24 Monaten wird dann mit 0,25 g eine etwa erbsengroße Menge Zahncreme angeraten. Damit soll zweimal täglich geputzt werden. Ein drittes Mal in der Kita ist möglich. 

Balanceakt zwischen Prävention und Fluorose

Durch ihre Zahnentwicklung sind Säuglinge und Kleinkinder besonders gefährdet, Dentalfluorosen zu entwickeln. Diese Flecken oder Defekte in den bleibenden Zähnen entstehen bei Überdosierung von Fluorid. 

Denn seine therapeutische Breite ist gering: Die European Food Safety Authority gibt als tolerierbare Tageshöchstmenge für Fluorid 0,1 mg/kg KG an, während die Zufuhr für einen optimalen Kariesschutz bei 0,05 mg/kg KG liegen sollte. 

„Die empfohlene Zahnpastamenge darf nicht überschritten werden, um eine zu hohe Fluoridaufnahme zu vermeiden“, so Dr. Burkhard Lawrenz, Kinder- und Jugendarzt in einer Pressemitteilung des Netzwerks „Gesund ins Leben“. 

Leider erschweren große Tubenöffnungen eine exakte Dosierung. Damit die Dosierung gleichermaßen sicher wie wirksam ist, sollten Eltern die Zahnpasta selbst auftragen und über die altersgerechte Menge Bescheid wissen. Oft verwenden sie mehr als empfohlen. 

Von süßen oder aromatisierten Zahnpasten raten Experten explizit ab. Achtung: Gängige Junior-Zahncremes wie Elmex® Baby oder nenedent® Kinderzahncreme enthalten – entsprechend alter Empfehlungen – nur 500 ppm Fluorid. 

Eine doppelte Anwendung von fluoridhaltiger Zahnpasta und Tabletten muss vermieden werden. Daher darf in der Apotheke ein Hinweis auf fluoridfreie Alternativen beim Kauf von Fluoridtabletten nicht fehlen. 

Milchzähne oft kariös

Karies entsteht multifaktoriell. Neben dem Ernährungsverhalten spielen die regelmäßige Entfernung von Belägen sowie die Bakterienbesiedelung eine Rolle. 

Obwohl die meisten Kinder mit bleibendem Gebiss kariesfrei sind, leidet jeder zweite Sechs- bis Siebenjährige an Karies der Milchzähne. Insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozioökonomisch benachteiligten Familien sind betroffen. 

„Kariöse Milchzähne können Schmerzen verursachen, beim Essen Schwierigkeiten machen und so die körperliche Entwicklung des Kindes verlangsamen“, erläutert Zahnarzt Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Mitautor der Empfehlungen. 

Außerdem sinke durch gesunde Milchzähne das Kariesrisiko für die bleibenden Zähne. Zähneputzen darf aber niemals weh tun oder gegen den Willen des Kindes geschehen. Reime, Lieder oder Zahnputzvideos können sie spielerisch heranführen. Quelle: Netzwerk „Gesund ins Leben“