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Stiftung Warentest bewertet Arzneimittel: Was tun bei Reiseübelkeit?

Nach Einschätzung von Stiftung Warentest eignen sich bei Jugendlichen und Erwachsenen, die unter Reiseübelkeit leiden, die beiden Wirkstoffe Diphenhydramin und Scopolamin. | Bild: Antonioguillem / AdobeStock

Berge sind schön, doch sie haben ihre Tücken – und das nicht nur in sportlicher Hinsicht. Wen Reiseübelkeit plagt, dem können der schwungvolle Start in den Urlaub und das Serpentinenfahren erst einmal ein flaues Gefühl bereiten. Was tun? Zuhause bleiben? Für die meisten dürfte das wohl keine ernsthafte Alternative sein. Abhilfe gegen Übelkeit und Erbrechen auf Reisen gibt es in der Apotheke. Die Arzneimittelexperten von Stiftung Warentest haben sich die verfügbaren Wirkstoffe einmal genauer angeschaut.

Zwei Wirkstoffe eignen sich bei Reiseübelkeit

Die Auswahl der Präparate zur Vorbeugung von Reisekinetosen ist ohnehin überschaubar. Stiftung Warentest hat sich vier Wirkstoffe vorgenommen: 

  • Scopolamin in Scopoderm® TTS (verschreibungspflichtig),
  • Diphenhydramin in Emesan®,
  • Dimenhydrinat in Vomex® und einigen Generika sowie
  • als pflanzliches Mittel Ingwer (Zintona®).

Die Darreichungsformen reichen von Pflastern, wie beim rezeptpflichtigen Scopoderm®, über Sirup oder Tabletten bis hin zu Zäpfchen. Nach Einschätzung von Stiftung Warentest eignen sich bei Jugendlichen und Erwachsenen, die unter Reiseübelkeit leiden, die beiden Wirkstoffe Diphenhydramin und Scopolamin.

Scopoderm® TTS: rezeptpflichtig gegen Reiseübelkeit

Scopolamin wird 5 bis 6 Stunden vor Reiseantritt oder bereits am Abend zuvor an eine intakte, trockene, unbehaarte Stelle hinter dem Ohr aufgeklebt. Der Schutz vor Reiseübelkeit hält 72 Stunden an, sodass sich Scopolamin gut für längere Reisen eignen dürfte. Nach dem Aufkleben sollte das Pflaster nicht mehr berührt werden, da Druck erhöhte Abgabemengen und Überdosierungen bewirken kann – mit Unruhe, Erregungszuständen, Verwirrtheit und Halluzinationen. Zu den ohnehin sehr häufigen Nebenwirkungen (ohne Überdosierung) zählen Schläfrigkeit, Schwindel, Störungen der Augenakkommodation (vor allem, wenn Wirkstoffreste in die Augen gelangen, daher nach Anbringen und Entfernen des Pflasters stets die Hände waschen) und Mundtrockenheit. Scopolamin wirkt als Parasympatholytikum durch Blockade der Acetylcholinwirkung am Muskarinrezeptor. Scopoderm® TTS ist zugelassen für Kinder ab 10 Jahren.

Emesan® für Kinder nur mit Einschränkung geeignet

Diphenhydramin ist ein bekanntes Antihistamin. Es blockiert Histaminrezeptoren (H1) – auch im Vestibularorgan – und wirkt so Reisekinetosen entgegen. Bei Emesan® (50 mg Diphenhydramin) genügt es, wenn der Reisende die Tablette etwa 30 Minuten vor Reiseantritt einnimmt. Häufig kommt es zu Müdigkeit und Schläfrigkeit. Wichtig ist folglich, dass der Betroffene nach Anwendung von Diphenhydramin – und auch Scopolamin oder Dimenhydrinat – weder selbst Auto fährt noch ein Boot lenkt. Emesan® kann laut Fachinformation bereits von Kindern ab sechs Jahren eingenommen werden, die Dosierung liegt hier jedoch bei maximal 25 bis 50 mg Diphenhydramin  (1/2 bis 1 Tablette Emesan®) pro Tag. Allerdings halten die Arzneimittelexperten von Stiftung Warentest Emesan® für Kinder nur „mit Einschränkung geeignet“, da ernsthafte Nebenwirkungen auftreten könnten.

Dimenhydrinat in Vomex® – macht es weniger müde?

Wie stuft Stiftung Warentest Präparate mit Dimenhydrinat wie in Vomex®, Reisegold® oder Superpep® Reisekaugummis ein? Dimenhydrinat kombiniert den antihistaminen Wirkstoff Diphenhydramin mit 8-Chlortheophyllin. Letzteres soll die müde machende Wirkung des Diphenhydramins ausgleichen. „In der Praxis bringt es aber keinen Vorteil zu Diphenhydramin allein“, finden die Arzneimittelexperten, weswegen „Mittel mit Dimenhydrinat (…) nur mit Einschränkung geeignet“ seien.

Was tun bei Kindern mit Reiseübelkeit?

Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren leiden Stiftung Warentest zufolge häufig unter Reiseübelkeit. Die Arzneimittelexperten raten jedoch nur dann zu Arzneimitteln, wenn andere Maßnahmen versagt haben. Keines der verfügbaren Mittel eigne sich uneingeschränkt, und Kinder reagierten empfindlicher als Erwachsene auf die Wirkstoffe. So könnten neben Müdigkeit auch Unruhe, Verstopfung, ein trockener Mund und Fieberkrämpfe auftreten sowie die Haut empfindlicher für Sonne werden.

Ingwer – kaum Nebenwirkungen

Einen pflanzlichen Therapieversuch kann man mit pulverisierter Ingwerwurzel (Zintona®) wagen. Es treten keine wesentlichen Nebenwirkungen auf, doch auch die Wirksamkeit ist schwächer als die der antihistaminen Wirkstoffe oder die des Scopolamins.

Was man sonst bei Reiseübelkeit tun kann

  • Sitzplatz: im Auto auf dem Beifahrersitz, im Bus hinter der Vorderachse, im Schiff in der Schiffsmitte, im Flugzeug an den Tragflächen – dort ist es am stabilsten. Bei Bahnfahrten unter Umständen nicht rückwärtsfahren.
  • Vor Fahrtbeginn etwas Leichtes essen.
  • Keinen Alkohol oder Nikotin konsumieren.
  • Während der Fahrt nicht lesen oder spielen.
  • Beim Auto vorne aus dem Fenster schauen.
  • An der frischen Luft an Deck des Schiffes aufhalten.
  • Den Horizont fixieren.