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Kindersicherheitstag am 10. Juni 2021: Mehr Giftnotrufe – auch wegen Desinfektionsmitteln

80 Prozent der Unfälle mit Säuglingen und Kleinkindern geschehen in der eigenen Wohnung oder im häuslichen Umfeld. Desinfektionsmittel und andere Gefahrenstoffe sollten kindersicher im Haushalt aufbewahrt werden. | Bild: sorapop / AdobeStock

Seit dem Jahr 2000 organisiert und koordiniert die Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e.V. (BAG) den Kindersicherheitstag. Ziel der Veranstaltung ist es, Bewusstsein für Unfallgefahren zu wecken. Der diesjährige bundesweite Kindersicherheitstag am 10. Juni steht unter dem Motto „Unfallgefahren zu Hause“. 

Jedes Jahr werden etwa 1,9 Millionen Kinder nach einem Unfall zum Arzt gebracht, weitere 200.000 Kinder müssen stationär im Krankenhaus behandelt werden. Bei Säuglingen und Kleinkindern geschehen über 80 Prozent dieser Unfälle in der eigenen Wohnung oder im häuslichen Umfeld. Die BAG nimmt den diesjährigen Kindersicherheitstag deshalb zum Anlass, um über Unfallgefahren zu Hause zu informieren. Um die Gefahren, die sich im Haushalt verbergen, zu verdeutlichen, präsentiert die BAG in diesem Jahr online eine neue virtuelle Küche, wie sie ein 18 Monate altes Kind sieht. Aus diesem veränderten Blickwinkel können die Nutzerinnen und Nutzer verschiedene Unfallrisiken entdecken und erhalten zugleich Informationen, wie diese Risiken minimiert werden können.

Mehr Giftnotrufe wegen Desinfektionsmittel und Co.

Eine steigende Zahl von Notrufen und Anfragen geht seit dem vergangenen Jahr bei den Mitarbeitern der landesweit tätigen Vergiftungs-Informations-Zentrale Baden-Württemberg in Freiburg ein. Mit der Corona-Krise hätten sich die Themenschwerpunkte verändert, sagt die Leiterin der Einrichtung, Maren Hermanns-Clausen. Es gehe beim Giftnotruf nun häufiger als sonst um Desinfektionsmittel, Seifen, Geschirr- und Glasreiniger sowie ähnliche Substanzen. Am häufigsten seien – wie immer – Kinder betroffen. Haushaltsprodukte wie Reiniger oder Desinfektionsmittel würden von diesen getrunken oder gelangten in die Augen. Kleinkinder probierten in häuslicher Umgebung auch Arzneimittel und Pflanzenteile.

Gefahren vermeiden: Richtiger Umgang mit Desinfektionsmitteln

Folgende Hinweise sollten Sie Ihren Kunden bei der Abgabe von Händedesinfektionsmitteln mit auf den Weg geben: 

  • Desinfektionsmittel gehören ­– wie Medikamente – in einen abschließbaren Hausapotheken-Schrank, um diese für Kinder unerreichbar aufzubewahren.
  • Da gerade Händedesinfektionsmittel in der Handtasche aufbewahrt werden, sollten auch diese kindersicher aufbewahrt werden. 
  • Augenkontakt sollte in jedem Fall vermieden werden. 
  • Da die Händedesinfektionsmittel Alkohol enthalten, sind sie leicht entflammbar und müssen vor Zündquellen ferngehalten werden. 
  • Den Vorrat an giftigen Substanzen wie Hände- und Flächendesinfektionsmitteln möglichst gering halten und nur wirklich Nötiges kaufen. 
  • Erste-Hilfe-Kurs für Kinder besuchen. 
  • Rufnummern von der Rettungsleitstelle und dem Giftnotruf am Telefon bereithalten. 

Gestiegene Nachfrage

Die an der Uniklinik Freiburg angesiedelte Einrichtung ist für ganz Baden-Württemberg zuständig. Sie betreibt rund um die Uhr einen Giftnotruf. Seit Jahresbeginn 2020 wurden weit mehr Anrufe als vor Corona verzeichnet. Die Corona-Krise sei nicht alleiniger Auslöser. Sie habe zur steigenden Zahl der Anrufe aber wesentlich beigetragen, vor allem durch eine Zunahme von Giftunfällen in privaten Haushalten. Die Zahl der Anrufe wegen Suizidversuchen und Drogenmissbrauch sei dagegen annähernd gleich geblieben. Die Gefahr, dass Giftiges nicht korrekt verwendet werde oder in die Hände von Kindern gelange, sei gestiegen, weil sich die Menschen vermehrt zu Hause aufgehalten haben. Meist gehe es um Kinder zwischen sechs Monaten und vier Jahren, die Mittel eingenommen haben und so möglicherweise zum Notfall werden. In der Regel riefen die besorgten Eltern an. Anrufe wegen Desinfektionsmitteln seien um rund 40 Prozent gestiegen, berichtet Maren Hermanns-Clausen.

Erste Hilfe bei Vergiftungsunfällen

Die Vergiftungs-Informations-Zentrale berät Bürger, aber auch medizinisches Personal vor allem aus Krankenhäusern und von Rettungsdiensten. Der Anteil der Bürger, die wegen Vergiftungsfällen anrufen, habe sich in der Corona-Krise deutlich erhöht, sagt die Leiterin. Zudem riefen diese nun häufiger in den Abend- und Nachtstunden an. Im vergangenen Jahr zählte der Giftnotruf den Angaben zufolge 28.500 Anrufe, zwei Drittel der Anrufer waren Laien. Nur in zwei Prozent der Fälle in 2019 ging es um Desinfektionsmittel. „Wer bei uns anruft, sollte die Packung des Mittels zur Hand nehmen“, rät Hermanns-Clausen. Die Experten müssten genau wissen, um welches Produkt es sich handele. So könnten sie die Gefahr besser einschätzen und im Notfall schnell helfen.

Diese Informationen werden benötigt

Wenn man den Giftnotruf anruft, sollten möglichst genau Angaben zu folgenden Fragen gemacht werden können:

Wer?Kind oder Erwachsener? Alter, Geschlecht und ungefähres Körpergewicht sind hilfreiche Informationen für die Einschätzung der Situation.
Was?Möglichst genaue Angabe, was eingenommen wurde: Arzneimittel, Haushaltsprodukt, Chemikalie, Pflanze, Pilze, Tier, Lebensmittel, Drogen – möglichst genaue Bezeichnung von der Verpackung angeben.
Wann?Zeitpunkt der Einnahme oder Einwirkung und Dauer der Einwirkung angeben.
Wie?Angaben, auf welchem Weg Ihr Kind die giftige Substanz aufgenommen hat – geschluckt, eingeatmet oder über die Haut.
Wie viel?Möglichst genaue Mengenangabe, zum Beispiel Anzahl der Tabletten, Tropfen, Pflanzenteile, Flaschengröße und fehlende Menge und Ähnliches.

 

Nach Möglichkeit sollte auch möglichst genau angegeben werden können, 

  • wie es dem Kind geht, zum Beispiel Atmung, Kreislauf, Bewusstseinslage, sonstige Symptome,
  • wo sich der Unfall ereignet hat und unter welcher Nummer der Anrufer zu erreichen ist
  • sowie ob und welche Maßnahmen bereits unternommen wurden.

Bundesweit gibt es acht solcher Vergiftungsinformationszentralen. Arzneimittel und Haushaltsprodukte bilden nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit den Hauptanteil der Anfragen.