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Kinderdemenz: Wenn Kinder vergessen

Es gibt Erkrankungen, die sind so selten, dass eine Diagnose häufig sehr spät oder gar nicht erfolgt. Eine davon ist die Neuronale Ceroid Lipofuszinose (NCL), die auch als Kinderdemenz bezeichnet wird.
Die Ursache der Stoffwechselerkrankung sind seltene Gendefekte, die im Bereich der lysosomalen Membranproteine der Zellen den Abbau bestimmter Stoffe stören. Kann das Lysosomen aufgrund des Defekts nicht mehr richtig arbeiten, kommt es nach und nach zu einer Anhäufung typischer toxischer Ablagerungen. Dies betrifft in erster Linie die Nervenzellen der Augen und später auch die des Gehirns.
Die Wahrscheinlichkeit, an dieser seltenen lysosomalen Speicherkrankheit zu erkranken, liegt in Deutschland bei 1:100.000. Aktuellen Daten zufolge leiden derzeit rund 700 Kinder in Deutschland an NCL, jährlich kommen circa 20 neue Fälle dazu.
Verschiedene Formen der Kinderdemenz bekannt
Da sich die Genmutation an unterschiedlichen Stellen befinden kann, ist die Kinderdemenz nicht immer gleich. Mittlerweile unterscheidet man dreizehn verschiedene Formen, wobei in Deutschland die Untergruppen CLN1, CLN2 und CLN3 am häufigsten vorkommen.
Die Erkrankung wird in den meisten Fällen autosomal-rezessiv vererbt, das bedeutet, dass die Eltern Träger des Gendefektes sind, jedoch bricht die Krankheit bei ihnen nicht aus. Für jedes Kind dieser beiden Elternteile besteht dann eine 25-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass es zum Ausbruch kommt.
Kinderdemenz: Erste Symptome meist im Grundschulalter
Der Name Kinderdemenz kommt daher, dass sich die Kinder in den ersten Lebensjahren ganz normal entwickeln und dann, meist mit Beginn des Schulalters, kontinuierlich alle erlernten Fähigkeiten wieder verlieren.
Das erste Symptom ist in der Regel eine Sehschwäche, die beidseitig auftreten kann. In der Regel wird dann vom Augenarzt eine Brille verschrieben, die allerdings keine Verbesserung mit sich bringt. Die Sehbeeinträchtigung kann über einen längeren Zeitraum hinweg das einzige Symptom sein.
In den folgenden Jahren kommt es schließlich zum geistigen Abbau: Die Kinder beginnen bereits erlernte Fähigkeiten wie Sprechen, Schreiben und Rechnen wieder zu verlernen. Das zeigt sich an typischen Symptomen, wie
- Wesensveränderungen,
- Sprachstörungen,
- Bewegungseinschränkungen,
- Krampfanfälle,
- Muskelspasmen,
- Herz-Kreislauf-Probleme,
- Erblindung,
- künstliche Ernährung und
- Pflegebedürftigkeit,
die nach und nach in Erscheinung treten.
Durchschnittlich sind mit Erreichen des 20. Lebensjahres bereits alle Fähigkeiten verloren gegangen. Die Lebenserwartung ist individuell, wobei junge Erwachsene nur selten das 30. Lebensjahr erreichen.
Frühe Diagnose bei Kinderdemenz von Vorteil
Da es sich um eine seltene Erkrankung handelt, wird die NCL meist sehr spät erkannt. Der erste Schritt ist ein erneuter Gang zum Augenarzt, wenn eine bereits verordnete Brille keine Besserung des Sehens mit sich bringt.
Außerdem ist es wichtig, den Arzt über zusätzliche Veränderungen und Beschwerden zu informieren, sollten diese auftreten. Der Augenarzt wird bei der Untersuchung Veränderungen auf der Netzhaut erkennen und die Familie im Anschluss an eine spezielle Augen- oder Uniklinik überweisen. Durch verschiedene aufeinander aufbauende Verfahren kann eine NCL letztendlich diagnostiziert werden.
Eine frühe Diagnose gibt insbesondere den Angehörigen Halt und ermöglicht es ihnen, die weiteren Lebensjahre des Kindes zu planen und sich auf diesem Weg auch psychologische Hilfe zu suchen, um mit der Krankheit umgehen zu können.
Seit 2017: Erstes zugelassenes Medikament bei Kinderdemenz CLN2
Da es verschiedene Genmutationen gibt, ist es fast unmöglich ein Arzneimittel zu entwickeln, das übergreifend bei allen Formen der NCL einen Erfolg verspricht.
Für die Kinderdemenz der Form CLN2 steht seit 2017 erstmals ein Arzneimittel auf dem deutschen Markt zur Verfügung, mit dem eine gute Sprachfunktion und motorische Beweglichkeit über einige Jahre hinweg aufrechterhalten werden kann.
Brineura® 150 mg Infusionslösung enthält den Wirkstoff Cerliponase alfa, wodurch das fehlende Enzym Tripeptidyl-Peptidase 1 (TPP1) ersetzt werden kann. Das Arzneimittel ist bereits ab der Geburt zugelassen und wird alle 14 Tage direkt in die Ventrikel des Gehirns (intracerebroventrikulär) von einem speziell ausgebildeten Arzt verabreicht.
Symptomatische Therapie der Kinderdemenz: Hohe Lebensqualität im Fokus
Auch wenn die Forschungen in vollem Gange sind, können derweil alle anderen Formen der Kinderdemenz lediglich symptomatisch behandelt werden. Die Therapien sollen den Kindern so lange wie möglich eine hohe Lebensqualität ermöglichen.
Eingesetzt werden beispielsweise
- Benzodiazepine bei Krampfanfällen,
- Antidepressiva bei Wesensveränderungen,
- Spasmolytika gegen Muskelspasmen sowie
- orthopädische Hilfsmittel wie ein Rollstuhl bei Verlust der motorischen Fähigkeiten.
Quelle:
- https://www.youtube.com/watch?v=53vvPHsQDHs
- https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Sehschwaeche-ist-oft-erstes-Symptom-der-Kinderdemenz-450998.html
- https://www.ncl-stiftung.de/kinderdemenz-ncl/die-krankheit/
- https://www.fachinfo.de/fi/pdf/022968/brineura-150-mg-infusionsloesung
- https://www.ncl-deutschland.de/therapieansaetze-1