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Bundestagwahl 2021 – ein Überblick für PTA

Wer sagt was? Die Parteien zur Bundestagswahl im Überblick. | Bilder: Christian Spicker, Ulrich Roth, imagebroker, Dirk Sattler, Emmanuele Contini / IMAGO

Nach etwas mehr als eineinhalb Jahren Pandemie steht die Bundestagwahl vor der Tür und man hat den Eindruck, dass vor allem die Corona-Pandemie die Wahl thematisch prägt – und das zurecht? Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey finden jedenfalls 82,9 Prozent der Befragten, dass sich die neue Bundesregierung um die zuverlässige Versorgung mit Arzneimitteln kümmern sollte. Fast die Hälfte der Befragten (45,6 Prozent) hatte während der ersten Welle der Corona-Pandemie Sorge, dass wichtige Arzneimittel nicht nach Deutschland gelangen könnten, weil globale Lieferwege gestört waren. Beinahe ebenso viele (44,2 Prozent) sind der Ansicht, dass Deutschland bei der Versorgung mit wichtigen Arzneimitteln heute nicht besser gerüstet ist als vor der Pandemie. Ein Drittel (32,9 Prozent) ist sogar der Meinung, dass Deutschland grundsätzlich nicht sicher und zuverlässig mit den wichtigsten Arzneimitteln versorgt ist. 

Ältere Menschen haben Angst vor Arzneimittellieferengpässen

Vor allem ältere Menschen – also diejenigen, die verstärkt auf Arzneimittel angewiesen sind – haben Angst um die Stabilität der Versorgung. Von ihnen bangte mehr als die Hälfte in der ersten Welle um ihre Arzneimittel. Und den Wunsch, die neue Regierung solle sich endlich kümmern, hegen sogar 92,5 Prozent. Und tatsächlich spielt die Arzneimittelversorgung in den einzelnen Wahlprogrammen eine große Rolle. Apothekenthemen im Speziellen sucht man hingegen vergeblich.

CDU / CSU (Christlich Demokratische Union Deutschlands / 
Christlich Soziale Union in Bayern) 

Bild: IMAGO / sepp spiegl
  • Kanzlerkandidat: Armin Laschet, 60 Jahre, Aachen (Politiker, Jurist und Journalist) 

Die CDU / CSU möchte als Konsequenz aus der Corona-Pandemie die Akteure im Gesundheitswesen besser vernetzen. Das dürfte beispielsweise auch Apotheken und Arztpraxen betreffen. Die Union will außerdem den öffentlichen Gesundheitsdienst reformieren und das Robert-Koch-Institut stärken. Im Gegensatz zu anderen Parteien setzt die Union weiter auf das System gesetzliche und private Krankenversicherung mit einkommensabhängigen, paritätischen Beiträgen. „Eine Einheitsversicherung und Schritte dahin lehnen wir ab“, heißt es im Wahlprogramm. Eine Passage klingt auf den ersten Blick sehr positiv für die Apotheken, steht dort nämlich man wolle „Deutschland wieder zur Apotheke der Welt machen“. Dieser Absatz bezieht sich jedoch primär auf Forschung, Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln. Ansonsten sprechen die Verantwortlichen von einem „digitalen, wohnortnahen und möglichst barrierefreien Weg der Gesundheitsversorgung, zum Beispiel (…) Apotheken“. Im Jahr 2017 schrieb man sich noch konkret das Rx-Versandverbot ins Programm – in diesem Jahr ist davon nirgends mehr etwas zu finden.

SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands)

Bild: IMAGO / sepp spiegl
  • Kanzlerkandidat: Olaf Scholz, 63 Jahre, Osnabrück (Politiker, Rechtsanwalt)

Das Thema Arzneimittelproduktion steht auch bei den Sozialdemokraten auf der Agenda. Sie sehen die Abwanderung der Arzneimittelproduktion ins Ausland als möglichen Grund für Lieferengpässe und wollen Forschung und Produktion vor Ort fördern. Die SPD möchte den ambulanten und stationären Sektor näher zusammenbringen und spricht sich für eine „stärkere Öffnung von Krankenhäusern für ambulante, teambasierte und interdisziplinäre Formen der Versorgung“ aus. Wir werden eine Bürgerversicherung einführen“ für „eine stabile und solidarische Finanzierung“, so die SPD. Öffentliche Apotheken sind im Wahlprogramm der SPD nicht explizit genannt. Was die Digitalisierung im Gesundheitswesen betrifft, soll die Telemedizin in ländlichen Regionen die Versorgung verbessern und die Patientenakte die Partizipation der Patienten stärken. Die SPD spricht sich auch für einen zügigen Ausbau der Telematikinfrastruktur aus. 

Bündnis 90 / Die Grünen

Bild: IMAGO / photothek
  • Kanzlerkandidatin: Annalena Baerbock, 40 Jahre, Potsdam (Politikerin)

Auch im Wahlprogramm der Grünen taucht das Wort „Apotheke“ nicht auf. Sie wollen für künftige Pandemien besser gewappnet sein und neue Konzepte zur Reform des Gesundheitswesens vorlegen. Gesundheitsämter sollen gestärkt und neue Digitalisierungsstrategien entwickelt werden. Menschen in Stadt und Land soll eine gleichermaßen gute Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen. Krankenhäuser sollen laut dem grünen Wahlprogramm „nach dem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden“. Denn „falsche politische Weichenstellungen und der daraus folgende ökonomische Druck“ hätten zu Fehlanreizen für Patienten und Angestellte geführt. 
Die Grünen kritisieren auch die „Zwei-Klassen-Medizin“; sie sprechen sich stattdessen für eine Bürgerversicherung aus. Einzelne Politikerinnen und Politiker der Grünen sehen Impfungen (u. a. gegen COVID-19) nicht in der Verantwortung der Apotheken. Der Notfallarzt Janosch Dahmen ist bei den Grünen für die Apothekenthemen zuständig. Er sagt: „In der aktuellen Situation sehe ich keinen Mangel an Menschen, die impfen können.“ Was die Rabattverträge betrifft, kann er sich hingegen vorstellen, die in der Pandemie neu gewonnene Beinfreiheit für die Offizinen beizubehalten. „Es ist zumindest geboten, sich jetzt noch einmal mit allen Beteiligten an einen Tisch zu setzen und zu prüfen, ob die kritischen Gegenargumente, die es zuvor gegeben hat, noch haltbar sind. Vielleicht sind wir besser beraten, das, was in der Pandemie gut funktioniert hat, in den Alltag zu überführen.“ 

Wahl-o-mat, WahlSwiper & Co.

Welche Partei passt zu mir? Mit dem Wahl-o-mat können die eigenen Standpunkte mit den Antworten der Parteien verglichen und eine Wahlentscheidung gefällt werden. Mit dem WahlSwiper können politische Fragen mit einem einfachen Wisch nach links zu „Nein“ und rechts zu „Ja“ beantwortet werden.  

Hier finden Sie die Tools: 

Wahl-o-mat
WahlSwiper

FDP (Freie Demokratische Partei)

Bild: IMAGO / photothek
  • Spitzenkandidat: Christian Lindner, 42, Berlin (Politiker, Autor, Unternehmer)

Die Freien Demokraten fordern „mehr Anstrengungen für Innovationen bei Arzneimitteln, Medizintechnik und Digitalisierung“. Außerdem sollen bei der Therapie die Bereiche besser verzahnt werden. Ganz im liberalen Geiste setzt sich die FDP dafür ein, dass Apothekerinnen und Apotheker „in medizinischen Fragen autonom und frei von Weisungen Dritter entscheiden können“. Mehr Wettbewerb zwischen Krankenkassen und ein leichterer Wechsel zwischen GKV und PKV sind ebenfalls Teil der Zukunftsstrategie. 
Interessant für Apothekenangestellte ist die Forderung, „faire Rahmenbedingungen zwischen inländischen Apotheken sowie in- und ausländischen Versandapotheken“ umzusetzen. „Ein pauschales Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel lehnen wir ab, denn alle Patientinnen und Patienten sollten eine Wahlfreiheit haben. Außerdem muss die freie Apothekenwahl jederzeit gewährleistet sein“, schreibt die FDP. Wie bei vielen anderen Parteien enthält auch der Entwurf der Liberalen zudem einen Passus zu Arzneimittel-Lieferengpässen. Um diese zu vermeiden, müsse die Produktion wieder vermehrt nach Deutschland und in die EU zurückverlagert werden, heißt es. 

AfD (Alternative für Deutschland)

Bild: IMAGO / Jens Schicke 
  • Spitzenkandidat  
    Tino Chrupalla, 45, Weißwasser (Maler- und Lackierermeister) 
  • Spitzenkandidatin Alice Weidel, 42, Schweiz (Ökonomin)

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) lehnt die Pflicht zum Tragen einer Maske ab. „Die unverhältnismäßigen Lockdown-Maßnahmen sind unverzüglich zu beenden“, heißt es weiter. Die Partei ist auch gegen verpflichtende Impfungen, Immunitätsausweise und Tracking-Apps. 
Bei Arzneimitteln ist geplant, Rabattverträge und Reimportquoten abzuschaffen, dafür den Festbetragsmarkt auszuweiten und Herstellerrabatte anzupassen. Ziel ist auch, die Umsatzsteuer von derzeit 19 auf 7 Prozent zu senken. „Eine Bevorratung von rezeptpflichtigen Medikamenten für mindestens zwei Monate muss von den Herstellern sichergestellt werden“, so die AfD. „Für die Gewährleistung einer flächendeckenden und qualifizierten Versorgung mit Arzneimitteln müssen die inhabergeführten Apotheken erhalten bleiben (…).“ Im Gespräch mit DAZ.online sieht der AfD-Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider keine Zukunft im PTA-Beruf, wie er heute ist. Er fordert mehr Fortbildungswillen. Wenn PTA – entsprechend qualifiziert – zusätzliche Aufgaben wahrnehmen, müsse das natürlich mit einem besseren Gehalt einhergehen, was wiederum über zusätzliche Dienstleistungen in den Apotheken zu erwirtschaften sei. Für die  Zukunft hält er es für den richtigen Weg, die Apotheken verstärkt in die Versorgung einzubinden. 

Die Linke

Bild: IMAGO / foto2press
  • Spitzenkandidatin 
    Janine Wissler, 40 Jahre, Frankfurt (Diplom-Politologin)
  • Spitzenkandidat
    Dietmar Bartsch, 63 Jahre, Stralsund (Diplom-Wirtschaftswissenschaftler) 
     

Die Linke fordert, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen nicht im Profitinteresse kaputtgespart werden: „Das Allgemeinwohl muss bei Gesundheit und Pflege im Vordergrund stehen “, schreibt die Partei Die Linke in ihrem Programm. Sie empfiehlt eine „solidarische Gesundheitsvollversicherung“, in die alle Bürger einzahlen. Beiträge sollen sich stärker am realen Einkommen orientieren. Gleichzeitig soll die Trennung zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung aufgehoben werden. Um alle Menschen medizinisch zu versorgen, macht sich die Linke für regionale medizinische Versorgungszentren stark. Für sie ist Arzneimittelforschung eine „öffentliche Aufgabe“. Preise müssen „effektiv und per Gesetz begrenzt werden“, ohne Rabatt- oder Selektivverträge. Krankenkassen sollen alle Medikamente mit erwiesenem Zusatznutzen künftig erstatten. Die Kostenübernahme von nicht evidenzbasierten Behandlungsmethoden durch die GKV soll dagegen beendet werden. Kathrin Vogler hat sich in der Fraktion mit Gesundheitsthemen befasst. Sie macht im Gespräch mit DAZ.online deutlich, dass es keine Absicht sei, dass die Apotheken diesmal keinen großen Raum im Wahlprogramm einnehmen. Die flächendeckende Versorgung mit  Apotheken vor Ort bleibe ein „Herzensanliegen“ der Partei. Auch zum Fremd- und Mehrbesitzverbot stehe die Linke weiterhin, verspricht Vogler. Und die Partei pocht weiterhin auf das Verbot des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel – die Abgeordnete ist überzeugt, dass es die bessere Antwort auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016 gewesen wäre als das nun im Sozialrecht verankerte Boni-Verbot. 

Der Beitrag ist keine Wahlempfehlung, sondern ein Informationsangebot über die anstehenden Bundestagswahlen und die kandidierenden Parteien.