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BGH: Rx-Boni verstießen nicht gegen Preisbindung

Nun ist die lang erwartete Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) gefallen – und das ganz ohne großen Paukenschlag. Der I. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass die in den Jahren 2012 und 2013 in § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz (alte Fassung) vorgesehene Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht auf Arzneimittelversender aus dem EU-Ausland anwendbar ist.
„Daher kann die seinerzeit erfolgte Gewährung von Bonusprämien bei der Ausgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke nicht als unlauter verboten werden“, erklärte der Vorsitzende Richter Thomas Koch bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe.
Überraschend ist dies nicht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die Norm bereits 2016 gekippt, der deutsche Gesetzgeber strich sie daraufhin.
Zur Erinnerung: Worum ging es in dem Rechtsstreit?
In dem Rechtsstreit ging es um in den Jahren 2012 und 2013 beworbene Rx-Boni einer seinerzeit noch agierenden niederländischen Versandapotheke aus der damaligen Zur-Rose-Familie.
Zum einen warb der Versender damit, Patienten bei der Einlösung eines Rezepts einen direkt mit dem Rechnungsbetrag verrechneten Bonus in Höhe von 3 Euro pro Arzneimittel, insgesamt aber höchstens 9 Euro pro Rezept, zu zahlen.
Zum anderen versprach er eine Prämie in Höhe von bis zu 9 Euro, wenn der Patient sich bereit erklärte, per Online-Formular oder Telefonat einen Arzneimittelcheck zu absolvieren. Geklagt hatte der Bayerische Apothekerverband (BAV).
Der BAV ist der Auffassung, die Gewährung von Boni verstoße gegen die Arzneimittelpreisbindung und sei wettbewerbswidrig. Er nahm den Versender daher bereits 2013 auf Unterlassung sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
Das Landgericht München gab der Klage im Jahr 2014 statt. Die Berufung der Beklagten – der DocMorris-Ableger Taminis – hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht München entschied in einem bemerkenswerten Urteil zugunsten des BAV. Nun stand die Revisionsentscheidung an: Der BGH gab der Revision statt und wies damit die Klage des BAV ab.
Rx-Boni kein Wettbewerbsverstoß
Der Vorsitzende Richter führte aus, dass das Berufungsgericht zwar zutreffend angenommen habe, dass die von der Beklagten gewährten Boni als unmittelbarer Preisnachlass auf den eigentlichen Apothekenabgabepreis gegen die damals im Arzneimittelrecht verankerte Preisbindung verstoßen habe.
Es habe jedoch zu Unrecht einen hiermit verbundenen Wettbewerbsverstoß angenommen. Denn die früheren Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung sind wegen Verstoßes gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34, 36 AEUV) unionsrechtswidrig und daher gegenüber EU-Versendern nicht anwendbar.
EuGH-Urteil bleibt unberührt
Damit rührt der BGH das EuGH-Urteil von 2016 („Deutsche Parkinson Vereinigung“) nicht an. Auf der Entscheidung des BGH hatten aber deshalb so viele Hoffnungen geruht, weil das Oberlandesgericht München meinte, sie könne das damalige Urteil nochmals aufknöpfen.
Denn der EuGH hatte seinerzeit vor allem deshalb den Rx-Boni für Versender einen Freibrief gegeben, weil er die deutsche Preisbindung nicht aus Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen (Art. 36 AEUV) gerechtfertigt sah.
Ihm fehlten handfeste Nachweise. Doch das Oberlandesgericht München hatte sich lange Zeit gelassen, um hier nachzuliefern – und meinte, genügend Belege gefunden zu haben.
BGH: Begründung für Preisbindung nicht überzeugend
Doch schon bei der mündlichen Verhandlung im Mai wurde deutlich, dass der BGH die Auffassung des Münchener Gerichts nicht teilte. Und jetzt stellt der I. Zivilsenat zunächst fest:
Um einen solchen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit zu rechtfertigen, sei mithilfe statistischer Daten, auf einzelne Punkte beschränkter Daten oder anderer Mittel objektiv zu prüfen:
- ob die vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und
- ob es möglich ist, diese Ziele durch weniger einschränkende Maßnahmen zu erreichen.
Dem BGH zufolge ist eben dies dem BAV nicht gelungen. Er habe „nicht vermocht, solche Daten oder andere Mittel zum Beweis seiner Behauptung vorzutragen, dass ohne die Arzneimittelpreisbindung die Aufrechterhaltung einer sicheren und flächendeckenden Arzneimittelversorgung und deshalb die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet sei“.
Empirische Daten, wie sich einheitliche Apothekenabgabepreise auf die flächendeckende, sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auswirken, seien auch von der Bundesregierung nicht erhoben worden.
Genau das hatte das OLG München beim Bundesgesundheitsministerium angefragt – doch dessen Antwort überzeugte den BGH-Senat nicht.
Die von den Parteien vorgelegten Gutachten, Studien und Modellierungen bezögen sich sämtlich nicht auf den im Streitfall maßgeblichen Zeitraum der angegriffenen Rabattaktionen aus dem Jahr 2012.
Auch stützten sie für die Folgejahre die Annahmen des Gesetzgebers zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit einer Arzneimittelpreisbindung nicht.
BGH weist Klage ab
Auf die Frage, ob die von der Beklagten gewährten Boni – wie vom Oberlandesgericht München angenommen – gegen die im Jahr 2020 eingeführte sozialrechtliche Rx-Preisbindung nach § 129 Abs. 3 Satz 3 SGB V verstoßen, kommt es danach nicht mehr an. Weil nach dem oben Gesagten kein Wettbewerbsverstoß vorliege und keine Wiederholungsgefahr bestehe, sei schon deshalb die Klage abzuweisen.
Bis die vollständigen Urteilsgründe vorliegen, wird noch etwas Zeit vergehen. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juli 2025 - I ZR 74/24