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Nahrungsergänzungsmittel: EuGH schränkt Werbung ein

Ein Melonensaftextrakt gegen Erschöpfung, Ginkgo gegen Demenz, Johanniskraut für die Stimmung: Im wachsenden Markt für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) gelten künftig klarere Regeln dafür, welche Werbeaussagen erlaubt sind und welche nicht.
Ungeprüfte gesundheitsbezogene Angaben zu sogenannten Botanicals, also pflanzlichen Inhaltsstoffen, seien bis auf Weiteres verboten, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH). Was das für Unternehmen und Verbraucher bedeutet.
Zur Erinnerung: Was ist ein Nahrungsergänzungsmittel?
Nach § 1 der deutschen Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NEMV) sind NEM Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Sie werden in dosierter Form in den Verkehr gebracht und sind ein Konzentrat aus Vitaminen und Mineralstoffen.
Tatsächlich ist es so, dass die NEMV in Deutschland bislang nur Vitamine und Mineralstoffe regelt – alle „sonstigen Stoffe wie Aminosäuren, Fettsäuren oder Pflanzenextrakte“ nicht.
Nach § 2 dürfen NEM gewerbsmäßig auch nur in „Fertigpackungen“ in den Verkehr gebracht werden – was rein von der Packung eine enge Nähe zu Arzneimitteln schafft. Zudem erschwert die Darreichungsform in „dosierter Form“ – seien es Tabletten, Kapseln, Dragees, Portionsbeutel, Flüssigampullen – die klare Abgrenzung zum Arzneimittel.
Health Claims für Botanicals verboten
Eigentlich regelt eine Liste der EU, welche gesundheitsbezogenen Angaben zulässig sind. Für Vitamine und Mineralstoffe ist der Prozess klar: Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) prüft die Aussage und legt Grenzwerte fest. Sie schreibt zum Beispiel vor, ab welchem Wert die Aussage rechtens ist, dass das Vitamin Biotin zu einer normalen Funktion des Nervensystems beiträgt. Hersteller und Verbraucher können sich dann danach richten.
Allerdings lehnte die Efsa Anträge mit Werbeaussagen zu sogenannten Botanicals in großer Zahl ab – auch weil es an Studien fehlt. In der Folge setzte die Kommission die Prüfung von Aussagen zu Botanicals bereits im Jahr 2010 auf Eis. Daraus habe sich eine Art Graubereich entwickelt, beklagen Verbraucherschützer, in dem mit teils kreativen Versprechungen geworben werde.
Zur Erinnerung: Was sind gesundheitsbezogene Angaben?
Seit 2007 gilt die sogenannte Health-Claims-Verordnung. Sie legt fest, welche gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel, also auch für NEM, zulässig sind.
Demnach dürfen z. B. keine Aussagen zu einem Lebensmittel bzw. NEM gemacht werden, die eine arzneiliche Wirkung suggerieren oder eine Krankheitsheilung versprechen.
Als Beispiel wäre folgende Formulierung unzulässig: „Vitamin C – zur Linderung von Erkältungskrankheiten“.
Keine Wirkung: Dosen in NEM oft zu gering
Konkret geht es um ein Verfahren gegen die Hamburger Firma Novel Nutriology. Sie bewarb ein Nahrungsergänzungsmittel damit, dass es einen stimmungsaufhellenden Safranextrakt enthalte sowie einen Melonensaftextrakt gegen Stressgefühle und Erschöpfung. Der Verband Sozialer Wettbewerb sah darin eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe und klagte.
„Selbst wenn einige Inhaltsstoffe grundsätzlich wirksam sind, sind die Dosen im Nahrungsergänzungsmittel oft viel zu gering“, sagt Heike Silber von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Sie beklagt, gerade durch Nahrungsergänzungsmittel mit anerkannten Arzneipflanzen würden nicht erfüllbare Erwartungen geweckt.
Gesunde Menschen, die sich ausgewogen und abwechslungsreich ernähren, brauchen nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) in Berlin in der Regel gar keine Nahrungsergänzungsmittel.
Eine repräsentative BfR-Studie aus dem vergangenen Herbst zeigt aber, dass 77 Prozent der etwa 1.000 Befragten in den letzten zwölf Monaten Nahrungsergänzungsmittel genommen hätten, 63 Prozent davon sogar wöchentlich.
Verbot ein Rückschlag für Forschung?
Vor allem für den wachsenden Markt mit Nahrungsergänzungsmitteln dürfte das Urteil spürbare Folgen haben. „Wir respektieren das Urteil, halten es aber für hochproblematisch – nicht nur für uns, sondern für die gesamte Branche“, teilte Novel Nutriology mit. Für Rohstoffhersteller lohne sich die Forschung unter diesen Rahmenbedingungen nicht mehr. Das Urteil stelle ein echtes Innovationshemmnis dar.
Das Verbot gelte so lange, bis die EU-Kommission die werblichen Aussagen geprüft und in die dafür vorgesehen Liste aufgenommen habe, urteilte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.
Ausnahmen seien nur möglich, sofern eine gesonderte Regelung bestehe. Das sei im vorliegenden Rechtsstreit, der vom Bundesgerichtshof an den EuGH verwiesen wurde, allerdings nicht der Fall.