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ADAC: Weite Wege bis zum Apotheken-Notdienst

Der Apotheken-Notdienst um die Ecke gehört laut einer aktuellen Studie für viele Deutsche der Vergangenheit an. | Bild: Future Image / Imago Images

Laut ADAC suchen in Deutschland jede Nacht rund 20.000 Menschen einen Apotheken-Notdienst auf. Durch die sinkende Apothekenzahl der letzten zehn Jahre (von rund 21.500 auf nur noch knapp 19.000) müssten Hilfesuchende immer weiter fahren. Wer nachts oder am Wochenende plötzlich dringend ein Medikament braucht, dürfte also zunehmend Probleme haben, einen Notdienst um die Ecke zu finden. Dies gilt vor allem in strukturschwachen Gebieten, berichtet der ADAC in einem aktuellen Beitrag. Deshalb hat der Automobilclub in einer Stichprobe untersucht, welche Entfernungen Menschen aus kleinen Ortschaften auf dem Lande dafür zurücklegen müssen. Für die bundesweite Studie wurden die Wege aus 295 ländlich gelegenen Orten mit weniger als 5.000 Einwohnern überprüft.

Die Spanne ist groß: Ein paar Meter zu Fuß oder 40 Kilometer Fahrt  

Die weiteste Entfernung zur nächsten Notdienst-Apotheke hat der ADAC in seiner Studie mit 40,4 Kilometern einfache Fahrt gemessen. Diese Strecke, so der Automobilclub, mussten Einwohner von Gager auf der Insel Rügen in Mecklenburg-Vorpommern zurücklegen, wenn sie an einem späten Samstagabend Ende Mai dringend ein Medikament brauchten. Die durchschnittlich längsten Fahrten an allen drei Tagen der Erhebung mit mehr als 30 Kilometern waren im brandenburgischen Schwielochsee nötig, in Poppenbüll (Schleswig-Holstein), in Werben/Elbe (Sachsen-Anhalt) und in den Orten Stuer sowie Gager in Mecklenburg-Vorpommern. Die kürzeste Distanz fand das ADAC-Prüfteam in Sankt Goar (Rheinland-Pfalz), wo die Notdienst-Apotheke nur 57 Meter von der Heimatadresse entfernt lag. Bewohner der Insel Langeoog hatten es durchschnittlich nur 500 Meter weit bis zum Apotheken-Notdienst. Sehr kurze Distanzen wurden auch in Seckach (Baden-Württemberg), Walkenried (Niedersachsen) sowie Malsch (Baden-Württemberg) und Lichtenberg (Bayern) ermittelt. 

Oft mehr als fünf Kilometer entfernt 

In der ADAC-Erhebung waren nur etwa acht Prozent der Wege kürzer als fünf Kilometer. Etwa ein Drittel zwischen zehn und 15 Kilometern, ein weiteres Fünftel erstreckte sich über 15 bis 20 Kilometer. Alle anderen Anfahrtswege – und damit über 20 Prozent – lagen über der 20-Kilometer-Marke, knapp neun Prozent sogar bei 25 Kilometern und mehr. Die Landesapothekerkammern, so berichtet der ADAC, strebten jedoch kürzere Distanzen an. Die meisten würden für die Entfernung ihrer Apotheken-Notdienste maximal 15 bis 20 Kilometer empfehlen, in Ausnahmefällen gehen Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern von bis zu 25 Kilometern und Sachsen von bis zu 29 Kilometern aus. Brandenburg nannte keine Höchstwerte. Allein Schleswig-Holstein gehe in dünn besiedelten Regionen von Distanzen bis zu 38 Kilometern aus. Das Bundesverwaltungsgericht befand 1989 eine Entfernung von 13 Kilometern als gerade noch zumutbar für die Bevölkerung, während das Verwaltungsgericht München 2018 den Richtwert bei 15 Kilometern sah. 

So groß sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern 

Die Menschen auf dem Land mussten nach der aktuellen Studie durchschnittlich 14,5 Kilometer zurücklegen, ehe sie ihr benötigtes Arzneimittel bekamen. Allerdings kam es dabei stark auf das Bundesland an, in dem sie wohnten. Sachsen-Anhalt etwa lag fast genau im deutschlandweiten Mittel. Noch besser sah es mit durchschnittlich knapp zwölf Kilometern Anfahrtswegen in Rheinland-Pfalz und Bayern aus. Auch Baden-Württemberg, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen blieben unter dem Mittelwert. Etwas längere Strecken waren in Schleswig-Holstein notwendig (15,5 Kilometer). Die Schlusslichter bildeten Brandenburg mit 19,4 Kilometern und Mecklenburg-Vorpommern mit 19,6 Kilometern im Mittel. Hier gab es besonders viele lange Strecken: Jeweils fast die Hälfte aller Anfahrtswege (in Brandenburg 47 und Mecklenburg-Vorpommern 46 Prozent) erstreckte sich dort über 20 Kilometer oder mehr. 

Reale Fahrtstrecken vs. Luftlinien-Angaben 

Die Abfragen des Automobilclubs erfolgten in den Monaten Mai und Juni 2021 jeweils an einem Sonntag, einem Samstag und nachts an einem Wochentag. Dafür nutzten die Prüfenden den offiziellen Notdienstfinder von aponet, einem Portal der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Hier werden die jeweils nächstgelegenen offenen Apotheken aufgelistet und die weiteren Ergebnisse nach Entfernungen sortiert. Allerdings, so berichtet der Automobilclub, handele es sich dabei um Luftlinien-Angaben. Die Folge: Im Durchschnitt sei die tatsächlich zu fahrende Strecke, vom Prüf-Team mittels Routenplaner ermittelt, 30 Prozent beziehungsweise 3,2 Kilometer länger als auf der Webseite angegeben gewesen. In Gager betrug die Kilometerabweichung zur Luftlinie laut ADAC sogar 17 Kilometer. In der Praxis führten die Luftlinien-Angaben außerdem dazu, dass an der Küste Notdienste auf den vorgelagerten Inseln als erste Treffer angezeigt wurden, diese aber nur mit der Fähre erreicht werden konnten. Der nur etwas weiter entfernte Notdienst auf dem Festland wurde dann erst auf den nächsten Plätzen der Liste angezeigt. 

Unterm Strich, so der ADAC, sei bei knapp sechs Prozent der Abfragen im Test der erste Treffer auf der aponet-Liste nicht die kürzeste Auto-Verbindung gewesen. In der Studie wurde auch der zweite und dritte Treffer per Routenplaner geprüft, wenn diese nicht mehr als fünf Kilometer weiter als die Luftlinie des ersten Treffers waren. Auf die Nutzung von Fähren mit ihren Warte- und Überfahrtszeiten wurde ganz verzichtet. War eine Strecke kürzer als 300 Meter, ging die Fußgängerstrecke in die Auswertung ein, da so kurze Distanzen selten mit dem Auto zurückgelegt werden.