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Erste Leitlinie zum Einsatz von physikalischem Plasma: Kaltplasma: Neue Option zur Wundbehandlung

Die Behandlung chronischer Wunden stellt einen langwierigen Prozess dar. Der Einsatz von Kaltplasma scheint hier hilfreich. | Bild: Universitätsmedizin Greifswald

Plasmatechnologie ist auf dem Vormarsch – doch auch wenn es zunächst so klingen mag, mit Science-Fiction hat das wenig zu tun. Denn seit geraumer Zeit findet physikalisches Plasma auch in der Medizin zur Behandlung von Wunden Anwendung. Ende Februar wurde nun die erste Leitline hierzu veröffentlicht.

Was ist Kaltplasma?

Als Plasma wird ein vierter Aggregatzustand bezeichnet, der durch Zufuhr von Energie aus einem Gas (z. B. Argon oder Sauerstoff) erzeugt werden kann. Bei der Erzeugung verlieren die Gas-Moleküle bzw. Atome zumindest einen Teil ihrer Elektronen (sog. Ionisierung), weshalb Plasmen elektrisch leitfähig sind.

Das zur Wundbehandlung eingesetzte Kaltplasma (auch kaltes Atmosphärendruckplasma bzw. Cold Atmospheric Pressure Plasma [CAP] genannt) besitzt etwa Körpertemperatur (max. 40°C) und wird während der Behandlung mit Hilfe von zertifizierten Medizinprodukten erzeugt. Dabei kommen verschiedene Technologien zum Einsatz.

Bereits 2013 wurden die ersten Geräte zur medizinischen Verwendung zugelassen. Eine Option stellt das sogenannte Jet-Konzept dar. Hier wird ein Edelgas (z. B. Argon) in einem Handstück durch ein elektrisches Feld ionisiert, wodurch ein pinselartiger Plasmastrahl – ähnlich einem Düsenstrahl – entsteht. Bei anderen Techniken wird hingegen zwischen Handstück und Hautoberfläche eine „Teppich-artige“ Plasmafläche erzeugt.

Wie wirkt Kaltplasma?

Im Gegensatz zu anderen antimikrobiellen Behandlungsmethoden bietet Kaltplasma den Vorteil, auch gegen multiresistente Bakterien und Viren wirksam zu sein.

Das Wirkprinzip basiert dabei auf der Bildung von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies (ROS, RNS). Darüber hinaus werden durch die angeregten Moleküle bzw. Atome elektromagnetische Strahlung (im Wellenlängenbereich von UV-Strahlung und sichtbarem Licht) ausgesendet und elektrische Felder erzeugt.

Durch dieses Zusammenspiel kommt es zur Abtötung von Mikroorganismen, zur Regeneration von verletztem Gewebe und zur Auslösung des regulierten Zelltodes. Letzteres könnte künftig auch bei der Behandlung von Tumoren zum Einsatz kommen. Internationale Forschungsanstrengungen hierzu laufen bereits. 

Beschleunigte Wundheilung und reduzierte Bakterienlast

Die Wirksamkeit von Kaltplasma bei chronischen und/oder infizierten Wunden wurde in klinischen Studien belegt. So konnten die in der Leitlinie erwähnten Studien zeigen, dass die Anwendung von Kaltplasma die Bakterienlast von infizierten Wunden senkt, die Verkleinerung von Wunden beschleunigt und dadurch die Lebensqualität verbessert.

In einer Studie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen sowie am Klinikum Karlsburg in Mecklenburg-Vorpommern konnte zudem gezeigt werden, dass viele vom diabetischen Fußsyndrom verursachte chronische Wunden durch eine Behandlung mit Kaltplasma schneller heilen.

Wann wird Kaltplasma eingesetzt?

Laut Leitlinie sind die entsprechenden Medizinprodukte zur Behandlung

  • von Wunden mit gestörter oder verzögerter Heilung,
  • von u. a. durch multiresistente Erreger bedingte Hauterkrankungen
  • sowie von mikrobiell kontaminierten und infizierten Haut‐, Schleimhaut‐, Wund‐ und Tumoroberflächen zugelassen.

Wie steht es um Nebenwirkungen?

Die Kaltplasmabehandlung ist im Allgemeinen gut verträglich. In randomisierten klinischen Studien seien laut Leitlinie keine Nebenwirkungen aufgetreten. Bei Kontakt mit der Zahnoberfläche, empfindlichen Zahnhälsen oder empfindlichen Wunden wurde gelegentlich jedoch über ein Schmerzempfinden berichtet. Außerdem ist eine vermehrte Wundsekretion möglich. Zudem kann während der Behandlung ein Ozongeruch entstehen, der für Patienten mitunter unangenehm sein kann.

Gravierende Nebenwirkungen seien nicht zu befürchten. Die Leitlinie schreibt hierzu: „Da Plasmabehandlungen lokal und zeitlich begrenzt sind, ist unter normalen Bedingungen davon auszugehen, dass das mit einem Eintrag dieser ROS und RNS in das Gewebe einhergehende Nebenwirkungsrisiko außerordentlich gering ist.“ In In-vitro-Tests, tierexperimentellen Langzeitstudien und klinischer Langzeit-Nachbeobachtung (7 Jahre) konnten keine mutagenen oder genotoxischen Effekte nachgewiesen werden. Quellen:
Universitätsmedizin Greifswald Körperschaft des öffentlichen Rechts; Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF)