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Cytisin: Wie gut hilft Asmoken zur Rauchentwöhnung?

Hilft Cytisin besser als Vareniclin oder eine Nikotinersatztherapie bei der Tabakentwöhnung? | Bild: puhhha / AdobeStock

Cytisin in Asmoken 1,5 mg Tabletten ist wohl das jüngste Arzneimittel zur Rauchentwöhnung, das im Dezember 2020 auf den deutschen Markt kam. Derzeit berät der Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) beziehungsweise das von ihm beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), welche Arzneimittel zur Tabakentwöhnung die Krankenkassen schwer Abhängigen künftig erstatten – mit dabei: Bupropion, Cytisin, Nikotin und Vareniclin

Aktuell gelten alle als „Lifestyle-Arzneimittel, und die Tabakabhängigen kommen für die Kosten zur Rauchentwöhnung selbst auf“. Erst im September 2021 beschloss der G-BA auch Cytisin in die Liste der nicht erstattungsfähigen Arzneimittel aufzunehmen.

Raucherentwöhnung und Verminderung des Verlangens nach Nikotin bei Rauchern, die willens sind mit dem Rauchen aufzuhören. Das Ziel der Behandlung mit Asmoken ist die dauerhafte Beendigung der Verwendung bzw. des Konsums nikotinhaltiger Produkte.“

Fachinformation zu Asmoken 1,5 mg Tabletten, Stand September 2021

Am besten ohne Rauchentwöhnungsmittel?

Bis die Einschätzung zur Wirksamkeit von Cytisin (und den anderen Präparaten zur Tabakentwöhnung) vorliegt, könnte es Ende 2023 werden. Die Autoren des „Arznei-Telegramm“ – einer medizinischne Fachzeitschrift, die eigenen Angaben zufolge neutral, unabhängig und anzeigenfrei ist – haben sich die Daten zu Asmoken bereits angeschaut und sind skeptisch bezüglich der Wirksamkeit zur langfristigen Tabakentwöhnung. Wie auch bei anderen Arzneimitteln zur Rauchentwöhnung und der Nikotinersatztherapie halten sie den „Nutzen“ für „gering“. 

Erfolgreiche Abstinenz werde in den meisten Fällen ohne Entwöhnungsmittel erreicht, wie 2010 im Fachjournal „PLOS Medicine“(„The Global Research Neglect of Unassisted Smoking Cessation: Causes and Consequences“)  beschrieben: Zwei Drittel bis drei Viertel der Ex-Raucher hörten ohne Hilfe auf zu rauchen, schrieben die Studienautoren damals. Und: „Viele Studien zur unterstützten Raucherentwöhnung, aber nur wenige oder gar keine Studien zur nicht unterstützten Raucherentwöhnung werden von Pharmaunternehmen finanziert, die Entwöhnungsprodukte herstellen“, bemerkten die Wissenschaftler und appellierten an die Gesundheitsbehörden: Diese sollten die „positive Botschaft betonen, dass die erfolgreichste Methode, die von den meisten Ex-Rauchern angewandt wird, die nicht unterstützte Entwöhnung ist“.

Doch wie sieht es jetzt konkret mit Asmoken aus? Die wirksame Substanz – ein Inhaltsstoff aus dem Samen des Goldregens (Laburnum anagyroides) – ist nicht neu. Andere Länder wie Polen nutzen Cytisin (dortiger Handelsname Tabex) bereits seit Jahrzehnten zur Tabakentwöhnung.

Gut zu wissen: So wirkt Cytisin

Cytisin ähnelt von der Struktur dem Nikotin und wirkt als teilweiser (partieller) Agonist am Nikotinrezeptor. „Die Wirkung von Cytisin ist der von Nikotin vergleichbar, aber generell schwächer“, heißt es in der Fachinformation zu Asmoken. Allerdings bindet Cytisin stärker an den Rezeptor, verdrängt so Nikotin und erhöht die Dopaminspiegel im Gehirn „mäßiggradig“, was die Symptome des Nikotinentzugs zentral lindert. 

In der Peripherie stimuliert Cytisin die Atmung und sorgt für die Ausschüttung von Noradrenalin und Adrenalin (Katecholamine), der Blutdruck erhöht sich, was ebenfalls die Entzugssymptome abschwächt.

Ist Cytisin wirksamer als Nikotinersatz?

In einer 2013 im „The New England Journal of Medicine“(„Cytisine versus Nicotine for Smoking Cessation“)  veröffentlichten „pragmatischen“ Studie (1.310 Erwachsene, Open-Label, randomisiert) aus Neuseeland führte Cytisin zu einer höheren Abstinenzrate als eine Nikotinersatztherapie: 40 Prozent vs. 31 Prozent nach vier Wochen, 22 Prozent vs. 15 Prozent nach sechs Monaten. Die Studienteilnehmer hatten entweder für 25 Tage kostenloses Cytisin erhalten oder Gutscheine (gegen ein kleines Entgelt) für eine acht Wochen lange Nikotinersatztherapie (Kaugummis, Lutschtabletten, Pflaster), jeweils plus die Möglichkeit einer telefonischen Beratung. 

Den Behandlungserfolg prüften jedoch nicht die Studienärzte, sondern die Studienteilnehmer berichteten diesen lediglich. Bei den ebenfalls selbst berichteten Nebenwirkungen sorgte Cytisin für mehr unerwünschte Ereignisse (288 Ereignisse bei 204 Teilnehmern) als eine Nikotinersatztherapie (174 Ereignisse bei 134 Teilnehmern) – vor allem Übelkeit, Erbrechen sowie Schlafstörungen.

„Ein Vorteil gegenüber der Nikotinersatztherapie lässt sich für Cytisin mit dieser Studie jedoch nicht sichern“, erklärt das „Arznei-Telegramm“. So fehlten Daten zur Abstinenzrate nach einem Jahr, wie sie die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) fordert, um die als relevant angesehene langfristige Abstinenz zu beurteilen. Das Arznei-Telegramm kritisiert zudem, dass die Teilnehmer der Cytisingruppe – bei Entzugssymptomen oder wenn der Rauchstopp nicht möglich war – auch auf einen zusätzlichen Nikotinersatz zurückgreifen durften. Zu Verzerrungen beim Ergebnis könnte des Weiteren beigetragen haben, dass Cytisin im Gegensatz zur Nikotinersatztherapie kostenfrei war und dass die Studienteilnehmer ihre Abstinenz-„Erfolge“ selbst berichteten und diese nicht von den Studienautoren überprüft wurden.

Asmoken schlechter wirksam als Vareniclin?

Im Vergleich mit Vareniclin (Champix®) schnitt Cytisin in einer australischen Studie, veröffentlicht 2021 im Fachjournal „JAMA“(„Effect of Cytisine vs Varenicline on Smoking Cessation A Randomized Clinical Trial“) , sogar schlechter ab. Die 1.452 erwachsenen, australischen und täglichen Raucher erhielten entweder ein 25-tägiges Cytisin-Regime oder 84 Tage lang Vareniclin. Den Erfolg der Behandlung – eine sechsmonatige Rauchabstinenz – überprüften die Wissenschaftler nach sieben Monaten mittels CO-Atemtest (durch Bestimmung von Kohlenstoffmonoxid in der Ausatmungsluft lässt sich Tabakkonsum feststellen – eine solche Überprüfung liefert zuverlässigere Ergebnisse als von den Studienteilnehmern selbst berichtete Rauchabstinenzraten). 

In der Cytisin-Gruppe schafften 11,7 Prozent der Teilnehmer die geforderte Sechs-Monats-Abstinenz, unter Vareniclin waren es mit 13,3 Prozent etwas mehr. Allerdings war auch die Nebenwirkungsrate höher unter Vareniclin, was „bekanntermaßen zum Abbruch der Therapie“ führen könne, erklären die Wissenschaftler. Eine Nichtunterlegenheit für Cytisin konnte in dieser Studie folglich nicht gezeigt werden.

Cytisin ist besser als Placebo, aber nur gering

In eine 2016 veröffentlichte Cochrane-Analyse flossen auch Arbeiten zu Cytisin ein – eine in Polen durchgeführte Studie aus dem Jahr 2011, veröffentlicht im „NEJM“(„Placebo-Controlled Trial of Cytisine for Smoking Cessation“)  und eine aus Kirgistan von 2008, veröffentlicht im „Journal of Smoking Cessation“(„A Double-Blind, Randomised, Placebo-Controlled Trial of Cytisine for Smoking Cessation in Medium-Dependent Workers“) . Beide hatten Cytisin mit Placebo verglichen und einen Vorteil der Cytisin-gestützten Rauchentwöhnung gefunden. 

„Allerdings waren die absoluten Aufhörquoten niedrig“, erklärten die Cochrane-Autoren abschließend: Die polnische Studie kam zu einer Aufhörquote von 8,4 Prozent (Cytisin) vs. 2,4 Prozent (Placebo) nach einem Jahr (wie von der EMA gefordert). In der Studie an Bergarbeitern aus Kirgistan zeigte sich nach sechs Monaten eine Abstinenzrate von 10,6 Prozent (Cytisin) vs. 1,2 Prozent (Placebo) – nach acht Wochen hatte sich gar kein Unterschied in den Abstinenzraten gezeigt. 

Die Cochrane-Autoren sprechen insgesamt von einer „bescheidenen Wirksamkeit“. Als Vorteil bewerten sie die – in Polen und Kirgistan – geringen Kosten für Cytisin (in Deutschland liegt der Preis mit 399,23 Euro pro 100 Tabletten hingegen höher als für Vareniclin).

Gut zu wissen: So erfolgt die Einnahme von Cytisin 

Cytisin nehmen die Rauch-Aufhörwilligen in einem 25-Tage-Therapiezyklus: Sie starten mit sechs Tabletten à 1,5 mg Cytisin täglich. Ab Tag 21 nehmen sie täglich ein- bis zweimal je eine Tablette à 1,5 mg. Zudem sollten sie spätestens ab dem fünften Tag nach Therapiebeginn aufhören zu rauchen. In den Augen des „Arznei-Telegramm“ birgt das „komplexe“ Therapieregime die Gefahr einer schlechten Therapietreue (Adhärenz).

Die Nebenwirkungen einer Cytisin-Therapie

Die Autoren des „Arznei-Telegramm“ haben sich zudem die unerwünschten Wirkungen einer Cytisin-Therapie angeschaut. Am häufigsten kam es ihren Recherchen zufolge zu Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Durchfall, aber auch Schlafstörungen und Mundtrockenheit – und das häufiger als unter einer Nikotinersatztherapie, aber seltener als mit Vareniclin. Zentralnervöse Wirkungen seien nicht auszuschließen, in den Niederlanden gebe es bereits Verdachtsberichte über Psychosen.

Was ist das Fazit der „Arznei-Telegramm“-Autoren?

Nach Einschätzung des „Arznei-Telegramm“ ist die Datenlage „widersprüchlich“. Zwar erhöhe Cytisin verglichen mit Placebo teilweise die Abstinenzrate, jedoch lägen nur in einer Studie auch Daten nach einem Jahr vor, die mittels Biomarker (und nicht anhand von selbst berichteten Abstinenzraten der Studienteilnehmer) erfasst seien. Auch erkennen die Autoren des „Arznei-Telegramm“ keinen Vorteil gegenüber Nikotinersatz, dafür jedoch mehr Nebenwirkungen. Und: „In einem Direktvergleich mit Vareniclin (Champix®) wird Nichtunterlegenheit verfehlt.“

Das sagt die Leitlinie zur Tabakentwöhnung

Die bis 2025 gültige S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung” rät aufhörwilligen Rauchern, die jedoch nicht ohne Unterstützung „aufhörfähig“ seien, zunächst zu „niederschwelligen Verfahren“, wie Kurzberatung, Telefonberatung oder Internet- bzw. Smartphonegestützten Verfahren. Bei benötigter intensiverer Behandlung solle eine „verhaltenstherapeutische Einzel- oder Gruppenbehandlung, ggf. in Verbindung mit Medikamenten, vorgeschlagen werden“. 

An Arzneimittel sollte auch bei einer Entzugssymptomatik gedacht werden. Und weiter: „Wenn eine Nikotinersatztherapie (z. B. Pflaster + schnell wirksames Nikotinpräparat) nicht wirksam sein sollte, soll nach Prüfung von Indikationen bzw. Kontraindikationen Vareniclin oder Bupropion angeboten werden. Cytisin kann ebenfalls vorgeschlagen werden.“