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Neuentwicklung zur Wundversorgung: Ein Pflaster, das die Wundheilung fördert

Forscher haben ein neues Pflaster entwickelt, das die Wundheilung fördern kann. | Bild: gewitterkind / AdobeStock

Bei normalen Alltagsverletzungen der Haut reicht zur Wundheilung meist das Tragen eines gewöhnlichen Pflasters aus. Bei Verletzungen auf Weichgeweben wie der Zunge oder sensiblen Oberflächen wie dem Darm sieht es schon schwieriger aus. Hier werden spezielle Wundauflagen benötigt, die zwar auf dem Gewebe haften, es aber nicht reizen oder gar beschädigen. 

Idealerweise schützt das aufgelegte Material die Wunde vor Keimen und äußeren Einflüssen und baut sich nach Abheilen der Wunde wieder rückstandsfrei ab. Eine Forschungsgruppe aus München um Oliver Lieleg, Professor für Biomechanik, hat sich nun genau damit beschäftigt und in einer kürzlich veröffentlichten Studie einen solchen, neuartigen Film zur Wundheilung vorgestellt. 

Feuchte Wundbehandlung lässt Wunden schneller heilen

Lange Jahre erfolgte die Behandlung von Wunden durch einfaches Auflegen eines Pflasters. Die Wunde wird auf diese Weise vor äußeren Einflüssen geschützt und die trockene Wundauflage kann Blut und Wundsekret aufnehmen. Nachteilig in diesem Zusammenhang ist aber, dass die Wunde während des Heilungsprozesses mit der Auflage verkleben und sich beim Wechsel des Pflasters wieder öffnen kann. Dadurch kommt es zu einer Verschlechterung der Heilung und zur Bildung unschöner Narben. 

Aus diesem Grund wird mittlerweile bei den meisten Verletzungen auf das Prinzip der feuchten Wundbehandlung gesetzt, denn im feuchten Milieu heilen Wunden schneller ab. Makrophagen, die zu den weißen Blutkörperchen gehören, reinigen die Wunde, indem sie abgestorbene Gewebezellen und Fremdkörper durch Phagozytose beseitigen. Dieser Vorgang funktioniert unter feuchten Bedingungen besser. Die Aktivität der Immunzellen wird gefördert und so einer Infektion der Wunde vorgebeugt. Auch frische Gewebezellen und Botenstoffe wie Wachstumsfaktoren können ihr Ziel schneller erreichen. Eine feuchte Wundbehandlung beugt zudem der Bildung von Narben vor. 

Mittlerweile gibt es auch für die Verwendung zu Hause feuchte Wundauflagen und spezielle Gele zur Wundbehandlung. Die Pflaster bestehen aus dünnen, flexiblen und atmungsaktiven Substanzen wie Hydrokolloiden oder Polyurethanen. Da unter feuchten Bedingungen auch Keime besser wachsen können, sind feuchte Wundauflagen allerdings nicht für infizierte Wunden geeignet. 

Neues Multifunktionspflaster fördert Wundheilung

Das von den Wissenschaftlern vorgestellte Multifunktionspflaster hört sich nun wie ein Pflaster der Zukunft an, denn es besitzt zahlreiche wichtige Eigenschaften zur Förderung der Wundheilung. 

Der neu entwickelte Film zur Wundheilung lässt sich gut auf der Wunde platzieren. Erst bei Kontakt mit feuchtem Gewebe wird die Unterseite gelartig und klebrig und haftet daher gut. Eine zusätzliche Fixierung auf der Wunde ist nicht nötig, erklärt Ceren Kimna, die Erstautorin der Studie. Auch auf glatten Oberflächen wie Knorpelgewebe oder feuchtem Untergrund wie der Zunge gibt es keine Probleme mit der Haftung. 

Der entstehende Hydrofilm wirkt dem Wachstum von Bakterien entgegen und beschleunigt die Wundheilung der Haut. Nach mehreren Tagen baut sich das neuartige Pflaster von selbst ab, ein Entfernen von der gerade verheilenden Wunde ist damit nicht nötig. Diesen Abbau konnten die Wissenschaftler durch hochauflösende Mikroskopieaufnahmen bestätigen. 

Das Filmpflaster ist auf seiner Ober- und Unterseite unterschiedlich aufgebaut, jede Seite kann daher spezielle Anforderungen erfüllen. Die Oberseite besteht aus einem biologisch abbaubaren Kunststoff, der für die Stabilität des dünnen Films wichtig ist. Weiterhin enthält diese Seite sogenannte Mucine, die natürlicherweise Bestandteile des Schleims auf Schleimhäuten sind. 

Chemisch gesehen handelt es sich bei Mucinen um Glykoproteine, also Makromoleküle mit einer zentralen Eiweißkette und langen Seitenketten aus Zuckerverbindungen. Diese langkettigen Zucker (Polysaccharide) sind für die hohe Wasserbindungskapazität des Mucins verantwortlich. Die Forscher haben nun erstmals Mucine für pflasterartige Filme eingesetzt. Sie übernehmen dabei eine wichtige Schutzfunktion für die Wunde. Die Biomoleküle wirken antibakteriell, entzündungshemmend und sorgen dafür, dass sich keine unerwünschten Zellen in der Wunde anreichern können.

Die Unterseite des Filmpflasters enthält unter anderem Hyaluronsäure, eine Verbindung mit wasserbindenden und wundheilungsfördernden Eigenschaften. Die Säure ist mit weiteren Molekülen verbunden, die beim Kontakt mit Feuchtigkeit für Klebrigkeit sorgen und so für die gute Haftung des Pflasters am Gewebe verantwortlich sind. Zudem können in die untere Schicht auch Antibiotika eingelagert werden, welche dann gezielt in Richtung Wunde abgegeben werden können. 

Multifunktionales Pflaster soll medizinisch angewendet werden

Bisher wurde das neue Pflaster auf verschiedenen tierischen Gewebeproben getestet. Im Tierversuch konnte auch schon die beschleunigte Wundheilung gezeigt werden. Für einen möglichen Einsatz am Menschen muss zunächst die Verträglichkeit des Pflasters in klinischen Studien überprüft werden. 

Vermutlich wird der neue Film aus Biomolekülen dann nicht gleich zur Versorgung normaler Schürfwunden verwendet werden. Seine Vorzüge kann das selbst abbauende Pflaster am besten auf Wunden im Körperinnern nach chirurgischen Eingriffen zeigen, denn dort lassen sich normale Wundauflagen nur schlecht wieder entfernen. Quellen:
https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/details/37409
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/adfm.202105721