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Wann und wie viel Vitamin D für Säuglinge und Kinder?

Säuglinge dürfen im ersten Lebensjahr keiner direkten Sonne ausgesetzt werden. Deshalb wird ab der zweiten Lebenswoche die Vitamin-D-Supplementierung empfohlen. | Bild: Dmitry Naumov / AdobeStock

Der Mensch kann unter günstigen Bedingungen ausreichende Mengen von Cholecalciferol, auch bekannt als Vitamin D3, selbst herstellen. Unter Lichteinwirkung wird aus der Vorstufe, 7-Dehydrocholesterol, in der Haut Vitamin D3 gebildet. Im Körper erfolgen dann zwei Reaktionsschritte, bis das biologisch aktive Vitamin D, auch bekannt als Calcitriol entsteht. Die wichtigste Funktion dieses Steroidhormons ist die Aufrechterhaltung der Calcium- und PhosphathomöostaseQuelle: https://viamedici.thieme.de/lernmodul/8659091/4915657/subject/pharmakologie/harns%C3%A4urestoffwechsel+fettstoffwechsel+knochenstoffwechsel/wirkstoffe+mit+einfluss+auf+den+knochenstoffwechsel , es hat aber auch eine direkte Wirkung auf Knochenumbau und -wachstum. 

Säuglinge können ihren Bedarf weder selbst im Körper herstellen noch durch die Ernährung decken, da sie im ersten Lebensjahr gar keiner direkten Sonne ausgesetzt werden sollen. Deshalb wird ab der zweiten Lebenswoche die Zufuhr von 400 bis 500 IE Vitamin D3 täglich empfohlen – die sogenannte „Rachitisprophylaxe“. 

Gut zu wissen: Rachitis und Vitamin-D-Mangel

Rachitis entsteht durch einen Vitamin-D-Mangel in der Kindheit. Das stört die Mineralisierung und Struktur der Knochen, wodurch Knochenauffälligkeiten wie z. B. Skoliose, Glockenthorax oder Achsenabweichungen auftreten können. Quelle: S1-Leitlinie Vitamin-D-Mangel-Rachitis https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/174-007l_S1_Vitamin-D-Mangel_Rachitis_2016-04-abgelaufen.pdf 

Diese Knochendeformationen waren insbesondere in Industriestädten des 19. Jahrhunderts weit verbreitet. Betroffene wurden zunächst symptomatisch mit Lebertran und natürlichem Sonnenlicht therapiert, ehe die Synthese des Vitamins gelang. Seit Einführung der Vitamin-D-Prophylaxe tritt Rachitis hierzulande glücklicherweise nur noch sehr selten auf.

Vitamin D als Tropfen und Tabletten

In Deutschland stehen hierfür ölige Tropfen oder Tabletten zur Verfügung. Tropfen können bei gestillten Kindern direkt auf die Brustwarze gegeben werden. Insbesondere verschreibungspflichtige hochdosierte Tropfen bergen jedoch das Risiko einer versehentlichen Überdosierung.

Tabletten werden am besten auf einem Löffel in etwas Wasser zerfallen gelassen und anschließend direkt in den Mund gegeben. Eine Untermischung in Brei ist kritisch, da die volle Dosis nur bei Verzehr der gesamten Mahlzeit gewährleistet ist.

Wie lange sollte Vitamin D supplementiert werden?

Vitamin D soll bis zum zweiten erlebten Sommer supplementiert werden. Herbst- und Winterkinder ergänzen also anderthalb Jahre, während Frühlingskinder nach einem Jahr in den Sommermonaten selbst genügend Vitamin D herstellen. Hierfür genügen täglich zehn bis fünfzehn Minuten Sonnenlicht auf Gesicht und unbedeckte Arme. Ein Sonnenbrand muss aber unbedingt vermieden werden! Die Sonnenstärke genügt in Deutschland rund sechs Monate, um eine ausreichende Vitamin-D-Synthese zu gewährleisten. 

In anderen Ländern wird die Supplementierung teilweise sogar noch länger empfohlen, wie beispielsweise in den Niederlanden bis zum vierten LebensjahrQuelle: https://kinderformularium.nl/geneesmiddel/486/colecalciferol-vitamine-d . In Finnland, Kanada und Amerika werden hingegen systematisch Nahrungsmittel mit Vitamin D angereichertQuelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30065699/ , um die Versorgung in allen Altersklassen sicherzustellen. 

Wollen Eltern in Deutschland in den Wintermonaten bei Kindern über zwei Jahren Vitamin D ergänzen, besprechen sie dies am besten mit ihrem Kinderarzt.

Körper passt sich vermehrter Sonneneinstrahlung an

Die Synthese von Vitamin D wird auf mehreren Ebenen reguliert. Bei einem Überangebot an Calcitriol wird es beispielsweise enzymatisch inaktiviert. In der Epidermis wiederum ist das vorhandene 7-Dehydrocholesterol limitiert. Eine Intoxikation durch zu viel Sonne ist also unmöglich. Im Idealfall können Erwachsene bis zu 20.000 IE pro Tag synthetisieren. Je nach Sonnenstand und Bekleidung genügen dafür mitunter sogar 10–15 Minuten. Das bedeutet jedoch auch, dass eine längere Bestrahlungsdauer keine höhere Vitamin-D-Synthese bringt, sondern nur das Risiko für einen Sonnenbrand erhöht.

Langfristig passt sich der Körper an zu viel Sonneneinstrahlung durch vermehrte Bildung von Melanin an. Durch die Bräunung gelangt weniger UV-Licht in die Haut, sodass sich dunkelhäutige Menschen 5- bis 10-mal länger dem Sonnenlicht aussetzen müssen, um ausreichende Mengen an Vitamin D zu synthetisieren. Einige Quellen empfehlen bei dunkelhäutigen Kindern daher 800 IE pro Tag als RachitisprophylaxeQuelle: https://kinderformularium.nl/geneesmiddel/486/colecalciferol-vitamine-d . Bei ihnen, sowie voll verschleierten Mädchen, sollte in der Beratung unbedingt auf die Bedeutung einer Vitamin-D-Zufuhr hingewiesen werden.

Gut zu wissen: erhöhtes Risiko für Vitamin-D-Mangel

Folgende Faktoren können das Risiko für einen Vitamin-D-Mangel im Kinder- und Jugendalter erhöhen:

  • Brustmilchernährung ohne Vitamin-D-Prophylaxe oder durch Mütter mit Vitamin-D-Mangel
  • dunkle Hautfarbe
  • chronische Erkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus oder chronische Niereninsuffizienz
  • Malabsorptionssyndrome wie Zöliakie, Morbus Crohn oder Mukoviszidose
  • mangelndes Sonnenlicht beispielsweise durch Immobilisation, Verschleierung oder Lebensstil
  • dauerhafte Anwendung von Sonnenschutzmitteln
  • starke Wachstumsphasen in Kindheit oder Pubertät
  • bestimmte Arzneistoffe wie z. B. Antiepileptika und Glucocorticoide