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Unterwäsche gegen sexuell übertragbare Erkrankungen

Einwegunterwäsche zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten beim Oralsex? | Bild: Dziurek / AdobeStock

Was hat die oberste US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) mit Unterwäsche zu tun? In aller Regel wohl recht wenig – es sei denn, die Slips haben einen medizinischen Nutzen. Doch welcher könnte das sein? 

Ultradünn und mit Vanilleduft

In der Tat hat die FDA nun die erste Unterwäsche zugelassen, die vor sexuell übertragbaren Krankheiten beim Oralsex schützen soll: „Ultradünne, super-stretchy Panties mit Vanilleduft“, beschreibt die „New York Times“ („NYT“) diese „Funktionsunterwäsche“ von Lorals. „Lorals for Protection“ besteht aus Naturlatex und ist als Einwegunterwäsche für „safer Sex“ konzipiert. Derzeit verschickt Lorals seine schützenden Höschen (als Slips oder Panties) nur in den Vereinigten Staaten.

Doch braucht man das wirklich – Unterwäsche, die vor sexuell übertragbaren Erkrankungen beim Oralsex schützt? Die US-Seuchenbehörde (CDC, Centers for Disease Control and Prevention) widmet diesem Thema ein extra Factsheet und beschäftigt sich auch mit der Frage, ob sich bestimmte Infektionskrankheiten überhaupt durch Oralverkehr übertragen lassen. Die klare Antwort: „Ja.“ 

Oralverkehr nicht risikofrei

Die Ansteckung sei jedoch abhängig vom Erreger sowie der Art und der Häufigkeit des praktizierten Geschlechtsverkehrs. Dabei gibt die CDC zu bedenken, dass eine Ansteckung in beide Richtungen erfolgen kann: Eine Erregerübertragung kann von Genitalien oder Anus des einen Partners in den Mund- beziehungsweise Rachenraum des anderen Partners erfolgen oder eben umgekehrt, vom Mund-Rachen-Raum auf Genitalien bzw. Anus.

Nicht immer äußert sich eine sexuell übertragbare Infektionskrankheit direkt mit Symptomen, was die unbemerkte Weitergabe der Erreger wahrscheinlich macht. Zudem bleibe eine Infektion nicht stets auf Genitalien, Anus, Mund und Rachen beschränkt, sondern breitet sich systemisch im Körper aus, wie Syphilis, Gonorrhoe („Tripper“) oder HIV.

Bedarf an Barrieremethoden vor allem bei Teenagern

Dass Oralverkehr nicht „absolut risikofrei“ ist, erklärt auch Dr. Jeanne Marrazzo, Direktorin der Abteilung für Infektionserkrankungen von der University of Alabama at Birmingham (Bundesstaat Alabama, USA), gegenüber der „NYT“. Sie sieht einen steigenden Bedarf an derart schützenden Methoden, da Teenager ihre ersten sexuellen Erfahrungen meist beim Oralverkehr machten. Doch auch für sexuell aktive Menschen jeglichen Alters könne eine „sich gut anfühlende“ Barrieremethode Angst reduzieren und damit den Spaß am Oralsex erhöhen.  

Womit kann man sich bei Oralsex anstecken?

Laut der CDC lassen sich über Oralsex sowohl Bakterien als auch Viren und Protozoen (Trichomonaden) übertragen, wenn auch mit unterschiedlich hoher Wahrscheinlichkeit: Chlamydien (Chlamydia trachomatis) und Gonokokken (Neisseria gonorrhoe, Erreger von Gonorrhoe/Tripper) „können“ bei Infizierten (Genitalien: Penis, Vagina) in den Mund-Rachen-Raum des Partners übertragen werden (und umgekehrt). Unbehandelte Infektionen führen zu Unterleibsschmerzen, bei Frauen unter Umständen zu Unfruchtbarkeit. Behandelt wird mit Antibiotika. 

Auch mit dem Bakterium Treponema pallidum, dem Erreger der Syphilis, kann man sich beim Oralverkehr anstecken. Eine Behandlung erfolgt ebenfalls mit einem passenden Antibiotikum, wie Penicillin. Resistenzen sind dem Robert Koch-Institut (RKI) nicht bekannt.  

Bei sexuell übertragbaren Viren denkt die CDC an Herpes, HPV (humane Papillomaviren) und HIV. Anders als bei den oben genannten bakteriellen Erregern lassen sich Herpes, HPV und HIV derzeit nicht heilen, das heißt: Einmal infiziert, verbleiben die Erreger im Körper. Gegen HPV kann man sich zumindest impfen. Vor allem die Hochrisikotypen HPV 16 und HPV 18 sind krebsauslösend und stehen im Zusammenhang mit Gebärmutterhalskrebs. Bei Männern zeichnet HPV mit für Peniskarzinome verantwortlich. HPV-Erreger im Mund- und Rachenraum können zudem zu Mund- und Rachenkarzinomen führen.

Gut zu wissen: Ist Oralsex sicherer als Vaginal- oder Analsex?

Diese Frage zu beantworten ist laut CDC schwierig, denn: „Die meisten Menschen, die Oralsex haben, praktizieren auch Vaginal- oder Analsex.“ Es gebe nur wenige Studien zu dieser Fragestellung – abgesehen von Untersuchungen zu HIV. Diese zeigten, dass man sich mit HIV durch Oralverkehr deutlich seltener anstecke als beim Anal- oder Vaginalverkehr, das müsse aber für andere sexuell übertragbare Erkrankungen nicht zwingendermaßen ebenfalls gelten. 

Das Risiko, sich beim Oralsex mit HIV zu infizieren, ist nach Ansicht der CDC jedoch „möglicherweise äußerst gering“, die tatsächliche Gefahr lasse sich aber nur „schwer“ bestimmen. Zudem können bestimmte Infektionen – mit Chlamydien oder Gonokokken – das Risiko einer HIV-Infektion erhöhen und trotz lokaler Ansteckung im Rachen beim Oralsex sich wie bei Ansteckung über Anal- oder Vaginalsex auf den ganzen Körper ausbreiten. Deswegen der Rat der CDC: „Wenn Sie Oralverkehr haben, sollten Sie sich schützen.“

Dental Dam ist unbeliebt

Derzeit ist zum Schutz vor sexuell übertragbaren Infektionen ein sogenanntes „Lecktuch“ („Dental Dam“) von der FDA zugelassen und im Handel zu finden. Es ist eine dünne Latex- (oder Polyurethan-)folie, die beim Oralverkehr als Barriere zwischen Vulva oder Anus und dem Mund der Sexualpartner gelegt wird. 

Nachteilig ist, dass das Tuch während des Sexualakts meist mit der Hand festgehalten werden muss, damit es nicht verrutscht. Deshalb sind Dental Dams der Professorin Marrazzo von der University of Alabama at Birmingham zufolge „extrem unbeliebt“. Eine Studie, veröffentlicht 2010 in „Sexual Health“(„Do women use dental dams? Safer sex practices of lesbians and other women who have sex with women“) , unterstreicht diese Einschätzung: Von 330 Frauen, die in den letzten sechs Monaten Sex mit Frauen hatten, benutzten 9,7 Prozent ein Lecktuch, nur 2,1 Prozent gaben an, es „oft“ zu verwenden.

Einweg-Höschen als neue Möglichkeit für sichereren Oralverkehr

Vor dem Hintergrund der limitierten Barriereoptionen beim Oralsex könnten die Lorals-„Höschen“, die laut New York Times so „dünn wie ein Latexkondom“ sind, eine neue Möglichkeit für sichereren Oralverkehr sein. Klinische Studien am Menschen, die die Wirksamkeit der Unterwäsche demonstrieren, verlangte die FDA wohl nicht. Der Zulassungsbehörde genügten – wie auch bei Kondomen – umfangreiche Unterlagen zur Dicke, Festigkeit und Elastizität der Unterwäsche, erklärt die „NYT“.  

Wie populär die „Funktionswäsche“ werden wird, lässt sich erst einige Zeit nach Inverkehrbringen sagen. Lorals setzt derzeit 25 US-Dollar für ein Päckchen mit vier Einweg-Slips an.