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Gesundheits-Checks bei dm stehen in der Kritik

Die Drogeriekette dm geht seit diesem Sommer neue Wege. Neben Kosmetik und Nahrungsergänzungsmitteln finden Kunden nun auch Gesundheitsdienstleistungen direkt im Markt. Ob Hautscreening, Sehtest oder umfassende Blutanalyse: dm positioniert sich als vermeintlicher „Gesundheitsnahversorger“.
Für die Apothekerschaft, ärztliche Fachgesellschaften und die Politik wirft dieses Konzept jedoch viele Fragen auf.
dm: Von der Drogerie zum Gesundheitsdienstleister
Was in Arztpraxen längst Alltag ist, soll nun auch in Drogeriemärkten stattfinden. dm arbeitet dabei mit verschiedenen Kooperationspartnern: Telemedizin-Plattformen, Start-ups wie Aware Health oder Augen- und Hautärzte.
Das Angebot ist bewusst niedrigschwellig, flexibel buchbar und richtet sich an Selbstzahler. Preise und Leistungen sind klar definiert, die Ergebnisse meist digital abrufbar
Augen-Check bei dm: Wie sicher ist das Angebot?
Ein Beispiel ist das Augen-Screening. In Kooperation mit Skleo Health können Kunden für 14,95 € in circa sechs Minuten einen Sehtest und Messung von Netzhautparametern durchführen lassen. Ein Telemedizin-Team, welches Fachärzte für Augenheilkunde beinhaltet, wertet die von einer KI analysierten Aufnahmen aus und validiert diese.
Laut Skleo Health können beim Screening Erkrankungen wie etwa Glaukom, diabetische Retinopathie oder altersbedingte Makuladegeneration erkannt werden. Fachgesellschaften betonen jedoch: Das KI-gestützte Screening ersetzt weder eine umfassende augenärztliche Untersuchung noch könne es Erkrankungen wie Glaukom oder Makuladegeneration zuverlässig erkennen.
Hautuntersuchung im Drogeriemarkt
Ebenfalls im Portfolio: Hautuntersuchungen und -screenings etwa zur Früherkennung von Hautkrebs. An Tablets direkt im Markt oder per Handy gibt eine kostenlose KI-Hautanalyse Auskunft über den Hautzustand und Hauttyp. Produktempfehlungen der dm-Eigenmarke gibt es direkt im Anschluss.
Wer jedoch sein Ekzem, Hautausschlag oder Muttermal näher untersuchen lassen möchte, lädt beim Kooperationspartner dermanostic Fotos seiner Hautveränderung hoch und füllt einen Fragebogen aus. Die Preise variieren ab 28 € aufwärts, je nachdem, ob z. B. ein individueller Pflegeplan oder eine ärztliche Verlaufskontrolle gewünscht wird. Die Aufnahmen werden von Tele-Dermatologen beurteilt, Therapieempfehlungen ausgesprochen und sogar Privatrezepte ausgestellt.
Auch hier ist die Kritik groß. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) warnte jüngst, dass diese Untersuchungen mit professioneller Dermatologie „nichts zu tun“ hätten. Ein Hautkrebs-Screening sei komplex und erfordere z. B. eine Ganzkörperuntersuchung durch erfahrene Fachärzte.
Dies geht über die Begutachtung einzelner Läsionen hinaus, eine digitale Beurteilung von Fotos könne zudem wichtige Parameter wie Tastbefund, Hautstruktur oder Kontext anderer Veränderungen nicht berücksichtigen. Dies könnte zu falscher Sicherheit führen, warnt auch die Bundesärztekammer. Wenn Hautveränderungen übersehen werden oder harmlose Pigmentmale unnötige Ängste auslösen, sei der Nutzen für die Patienten fraglich.
Blutabnahme in der Drogerie
Besonders kontrovers ist der neue Service der Blutabnahme, welcher aktuell in Karlsruhe pilotiert wird. Kunden können online oder vor Ort einen Termin buchen. Die Blutentnahme erfolgt in einem abgetrennten Bereich durch medizinisch geschultes Fachpersonal des Kooperationspartners Aware Health.
Zur Auswahl stehen verschiedene Pakete: Vom klassischen großen Blutbild für rund 10 € bis hin zu umfangreicheren Profilen, die Leberwerte, Cholesterin, Diabetes-Risiko, Hormonstatus oder Mikronährstoffspiegel erfassen – die Preise reichen dabei bis etwa 70 €.
Die Proben werden an ein Partnerlabor weitergeleitet und dort nach den Richtlinien der Bundesärztegesellschaft für Qualitätssicherung (RiliBÄK) analysiert. Die Ergebnisse stehen in der Regel nach zwei Werktagen digital über eine App zur Verfügung und beinhalten eine Erklärung der Ergebnisse sowie Gesundheitstipps. Optional ist eine telemedizinische, ärztliche Nachbesprechung buchbar.
Blutabnahme: Diese Fehler können auftreten
Doch schon bei der Blutentnahme selbst können Fehler entstehen, die die Qualität der Analyse mindern:
- Präanalytische Faktoren wie unzureichende Desinfektion, zu lange Stauung oder unsachgemäße Handhabung und Lagerung der Probe können Laborwerte verfälschen.
- Transportzeiten und Temperaturbedingungen sind entscheidend – vor allem in einer nicht-klinischen Umgebung besteht die Gefahr von Verzögerungen oder Schwankungen.
- Auch die Kommunikation mit dem Patienten spielt eine Rolle: Wird vor der Abnahme ausreichend über Nüchternheit, Medikamenteneinnahmen oder Einflussfaktoren (z. B. Alkohol, Drogen, morgendliche Blutabnahme, um tagesrhythmische Schwankungen bestimmter Messgrößen zu berücksichtigen, körperliche Belastung und Stress) informiert, um korrekte Ergebnisse zu sichern?
Offen bleibt auch, wie in einem nicht-medizinischen Setting mit unvorhergesehenen Zwischenfällen wie etwa einem Kreislaufkollaps umgegangen wird.
Doch selbst wenn die Analysen technisch korrekt durchgeführt werden, bleibt die Frage der Interpretation. Ein einzelner Parameter kann stark von Ernährung, Tageszeit oder Begleiterkrankungen beeinflusst sein. Ohne ärztliche Anamnese und körperliche Untersuchung drohen Fehlinterpretationen, unnötige Verunsicherung oder im Gegenteil eine falsche Sicherheit.
dm weist auf der Website in einem kurzen Satz darauf hin, dass alle genannten Tests kein Ersatz für eine ärztliche Diagnose seien
Fachgesellschaften äußern Kritik zu dm-Gesundheitsangeboten
Allen Angeboten gemeinsam ist die telemedizinische Anbindung. dm wirbt mit kurzen Wartezeiten und schneller Befundübermittlung. Das Angebot schafft einen unkomplizierten Zugang zu Gesundheitsdaten, was insbesondere vor dem Hintergrund eingeschränkter Facharztversorgung in vielen Regionen attraktiv erscheint.
Mehrere ärztliche Verbände wie etwa der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) haben jedoch deutliche Kritik geäußert. In einer Pressemitteilung vom 28. August 2025 warnt Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa: „Medizinische Diagnostik ist kein Konsumprodukt zwischen Babywindeln und Nagellack.“ Er betont, dass Diagnostik ärztliche Kompetenz, Verantwortung und eine individuelle Kontextbewertung erfordert. Wenn Angebote wie Augenscans oder Blutabnahmen in diesem Kontext – ohne ärztliche Begleitung – für wenig Geld bereitgestellt werden, liefere das nicht nur eine trügerische Sicherheit, sondern könne auch potenziell gefährliche Folgen haben und unnötige Kosten im Gesundheitssystem auslösen.
Der SpiFa kritisiert weiter, dass KI-gestützte Auswertungsverfahren weder einheitlich reguliert noch fachärztlich überprüfbar seien. Dies erhöhe das Risiko von falsch-positiven Befunden, die Patienten verunsichern, und von falschnegativen Befunden, die eine rechtzeitige medizinische Versorgung verzögern könnten.
Laut SpiFa dient dieses Angebot weniger der Gesundheitsvorsorge als vielmehr Marketingzwecken – ohne echte Entlastung des Gesundheitssystems, aber mit möglichem Schaden für Patienten. Eine eindeutige gesetzliche Regulierung sei dringend notwendig: Medizinische Diagnostik und Vorsorgeuntersuchungen müssten in ärztlicher Verantwortung bleiben.
Risiken der Gesundheitsangebote: Fehlende Nachsorge & gefährdete Patientensicherheit
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KV) äußert Bedenken: Im Zentrum steht die Sorge um die unzureichende Nachsorge bei auffälligen Befunden. Es fehle an klaren Strukturen für die fachärztliche Integration und schnelle Weiterleitung der Kunden an geeignete Anlaufstellen. Ohne solche Mechanismen erscheine die Patientensicherheit gefährdet, da potenziell relevante Befunde ohne angemessene Diagnostik oder Behandlung bleiben könnten.
Gesundheitspolitiker wie der SPD-Abgeordnete Dr. Christos Pantazis fordern zudem, dass Bluttests in einen ärztlichen Kontext eingebettet sein müssen und nicht als „Einzelbaustein im Supermarkt“ angeboten werden sollten. Der Patientenschutz stehe hier im Zentrum.
Es bleibt die Sorge, dass solche Plattformen keine kontinuierliche Patientenbetreuung gewährleisten und im Ernstfall wertvolle Zeit verloren geht. Während die Drogeriekette auf niederschwelligen Zugang und Gesundheitsvorsorge setzt, sehen Fachgesellschaften vor allem Gefahren: Scheindiagnostik, fehlende Nachsorge und die Kommerzialisierung medizinischer Leistungen. Die Blutabnahme markiert dabei die Spitze der Diskussion – denn Laboranalysen ohne ärztliche Begleitung sind weniger Vorsorge, sondern vor allem ein riskantes Konsumprodukt.
So können Apotheken zu Gesundheitsangeboten unterstützen
Auch das Apothekenpersonal stellen die Dienstleistungen vor neue Aufgaben. Schnell verfügbare Blutwerte bieten Ansatzpunkte, Patienten auf mögliche Abweichungen anzusprechen – und sie zum Arzt zu vermitteln, wenn nötig.
Blutwerte ohne Kontext (z. B. Referenzbereiche, Einflussfaktoren) können zu Selbstdiagnose und Überinterpretation führen. Die RiliBÄK-Konformität der Labore sichert zwar die technische Qualität, ersetzt aber nicht die ärztliche Bewertung. Apothekenpersonal kann hier Unterstützung bieten:
- Aufklärung: Patienten über die Grenzen solcher Angebote informieren: Selbsttests sind keine ärztliche Diagnose.
- Beratung: Auffällige Werte nicht beschönigen, sondern zur fachärztlichen Abklärung raten.
- Kooperation: Mit Ärzten in der Region Netzwerke aufbauen, um schnelle Betreuung bei Folgebedarf zu ermöglichen.
Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2025/08/21/dm-bietet gesundheitsdienstleistungen-an
- https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Grosses-Blutbild-bei-dm-Drogeriekette-offeriert Basisdiagnostik-fuer-Selbstzahler-459884.html
- https://www.dm.de/services/gesundheitsdienstleistungen
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/dm-geht-bei-gesundheitsvorsorge-in-die-offensive 158358/seite/alle/?cHash=f5d246b5b75fb85f06dfa6467ad278d0
- https://www.aerzteblatt.de/news/berufsverband-kritisiert-hautuntersuchungen-in drogeriemarkten-470907f9-f302-4cf6-ade7-b6ce6a45d62d
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/dm-vorstoss-besorgt-auch-die-politik-158418/
- https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/dm-hautchecks-hat-mit-dermatologie nichts-zu-tun/#
- https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/fachaerzte-warnen-vor-pseudo diagnostik-bei-dm/
- https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/telemedizin-dm-sorgt-sich-um facharztversorgung/
- https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/dm-gesundheitschecks-aerzte-warnen vor-folgen/
- https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/noch-mehr-telemedizin-blutanalysen bei-dm/
- https://www.aware.app/de/dm?utm_source=affiliate&utm_medium=dm&utm_campaign=de de_affiliate_dm
- https://www.augeninfo.de/offen/pressetext.php?pm=nur-mal-kurz-die-augen-checken-lassen
- https://spifa.de/wp-content/uploads/2025/08/2025-08-28-PM-Medizinische-Diagnostik-in Drogeriemaerkten.pdf
- https://www.ladr.de/fuer-praxisteams/probe-ins-labor/praeanalytik/blut/blutabnahme