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Lieferengpass bei Cotrim-Saft: Wirklich ein Problem?

Cotrim-Saft ist derzeit nicht lieferbar. Was können Patienten nun als alternatives Antibiotikum, und zwar ebenfalls oral und in flüssiger Darreichungsform, erhalten? | Bild: S.Kobold / AdobeStock

Nur Ratiopharm bietet noch eine flüssige und orale Antibiose mit dem Kombinations-Antibiotikum Trimethoprim/Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol) an. Alle anderen – ohnehin nur sehr wenigen – Hersteller mit Cotrimoxazol im Portfolio setzen ausschließlich auf Tabletten. Nun berichten Apotheken über Lieferengpässe bei den beiden Suspensionen Cotrim K ratiopharm® 400 mg/5 ml + 80 mg/5 ml und Cotrim E ratiopharm® 800 mg/5 ml + 80 mg/5 ml, was eine Abfrage beim Großhandel bestätigt: Die Säfte sind nicht lieferbar.

Wie relevant ist Cotrimoxazol?

Zugelassen sind die antibiotischen Suspensionen bei Infektionen der Atem- und Harnwege, des Magen-Darm-, HNO- und Genitaltrakts, wenn diese auf Cotrimoxazol ansprechen. Daneben ist Cotrimoxazol bei einer bestimmten Form der Lungenentzündung – der Pneumocystis-Pneumonie – indiziert. Was können diese Patienten beim derzeitigen Engpass nun als alternatives, flüssig-orales Antibiotikum erhalten? Denn nicht alle Patienten können Tabletten problemlos schlucken (z. B. Kinder oder Menschen mit Schluckstörungen).

Leitlinie zweifelt an Nutzen der Wirkstoffkombination

In Apotheken dürfte Cotrimoxazol vor allem zur Kurierung von Harnwegsinfektionen (HWI) abgegeben werden. Problematisch ist allerdings die zunehmend kritische Resistenzsituation bei einem der Haupterreger von bakteriellen Blasenentzündungen, E. coli. Das betont auch die S2k-Leitlinie „Harnwegsinfektionen im Kindesalter – Diagnostik, Therapie und Prophylaxe“. Vielerorts sprechen den Leitlinienautoren zufolge mehr als 20 Prozent der E. coli nicht auf Cotrimoxazol an, womit das Antibiotikum für eine empirische Behandlung (also eine Antibiose ohne vorherigen Erregernachweis) ausscheidet. 

Ohnehin bezweifelt die Leitlinie den Nutzen von Sulfamethoxazol als Kombinationspartner für Trimethoprim. Sulfamethoxazol halten die Autoren für „in der Regel verzichtbar“, das bedeutet: Die Kombination von Trimethoprim und Sulfamethoxazol verbessert die antibiotische Wirkung verglichen mit Trimethoprim allein nicht, erhöht aber das Risiko für Nebenwirkungen. Das gilt sowohl für die Akutbehandlung einer Harnwegsinfektion als auch für eine vorbeugende Langzeittherapie bei wiederkehrenden Infekten.

Trimethoprim-Monotherapie bei Harnwegsinfektionen bei Säuglingen und Kindern?

Damit ist wohl die einfachste Alternative bei Harnwegsinfektionen im Säuglings- oder Kindesalter (nicht bei Früh- oder Neugeborenen) eine Monotherapie mit Trimethoprim. Erfreulich: Das Antibiotikum gibt es in flüssiger Darreichungsform und es ist dem Großhandel zufolge auch lieferbar. 

Eine für Säuglinge und Kinder gut verträgliche Antibiose bei Harnwegsinfekten ist auch mit einem Amoxicillin/Clavulansäure-Saft, und dann am besten in der 7:1-Formulierung, also mit 400 + 57 mg/5 ml, oder mit Cefaclor möglich. Die Leitlinie schlägt auch die Oral-Cephalosporine Cefixim oder Cefpodoximproxetil vor. Allerdings gibt es Cefixim nicht als Saft, und der Cefpodoxim-Saft ist bei Harnwegsinfektionen nicht zugelassen. 

Weitere bei Blasenentzündungen wirksame Alternativen, wie Nitrofurantoin oder Nitroxolin, liegen ebenfalls nicht in flüssiger Darreichungsform vor und dürfen erst bei Jugendlichen ab einem Alter von zwölf Jahren verordnet werden (Fosfomycin als Granulat) oder nur bei schweren Formen einer Harnwegsinfektion (Ciprofloxacin 5 Prozent oder 10 Prozent).

Bei Erwachsenen auch Fosfomycin möglich

Auch bei Erwachsenen ist Trimethoprim/Sulfamethoxazol oder Trimethoprim allein aufgrund der Resistenzsituation nicht das Mittel der ersten Wahl. Bei günstiger Resistenzlage empfehlen die Autoren der S3-Leitlinie „Interdisziplinäre Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten“ jedoch eine Trimethoprim-Monotherapie vor einer Kombination mit Sulfamethoxazol. Damit ist auch bei Erwachsenen die einfachste Alternative eine Trimethoprim-Antibiose. 

Erste Wahl bei unkomplizierten Harnwegsinfekten, wenn eine flüssige Verabreichung gewünscht ist, dürfte sonst Fosfomycin nach Auflösung des Granulats sein. Gleiches gilt auch für die Langzeitrezidivprophylaxe von Harnwegsinfekten.

Fazit: Bei Blasenentzündungen dürfte der Engpass von Cotrimoxazol-Saft nicht versorgungsrelevant sein. Es gibt Alternativen und die antibiotische Kombination ist ohnehin nicht das Mittel der ersten Wahl.

Welche Cotrim-Alternativen gibt es bei HNO-Infektionen?

Auch bei Infektionen des Hals-Nasen-Ohren-Traktes ist Cotrimoxazol nicht das Mittel der Wahl, dennoch nennt die S2k-Leitlinie „Antibiotikatherapie bei HNO-Infektionen“ die Kombination vor allem bei Mittelohrentzündung (Otitis media) oder Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis) als Option. Bevorzugt eingesetzt werden sollten jedoch Amoxicillin oder Amoxicillin plus Clavulansäure – womit die zugelassenen, flüssigen und lieferbaren Alternativen bereits klar wären.

Cotrimoxazol: Mittel der Wahl bei Pneumocystis-Lungenentzündung

Allerdings spielt Cotrimoxazol in einem anderen, etwas exotischeren Therapiegebiet eine wichtige Rolle: Bei Lungenentzündungen, die durch den Erreger Pneumocystis jirovecii ausgelöst werden. Dieser führt vor allem bei Menschen mit einer HIV-Infektion zu relevanten Pneumonien (Lungenentzündungen) und ist häufig sogar der erste Hinweis darauf, dass sich Menschen mit dem HI-Virus infiziert haben. 

Bei Pneumocystis-Lungenentzündung ist Cotrimoxazol tatsächlich nach wie vor die Antibiose der ersten Wahl. Schwer erkrankte Patienten erhalten eine hochdosierte Kombination aus Trimethoprim plus Sulfamethoxazol für 21 Tage – allerdings intravenös. Die orale Gabe ist lediglich bei leichteren Verläufen indiziert oder zur Vorbeugung einer Infektion. Im letzteren Fall kann alternativ auf Atovaquon in flüssiger Darreichungsform ausgewichen werden. Andere wirksame Arzneimittel mit Dapson und Pentamidin liegen hingegen lediglich als Tabletten (Dapson) oder zur Inhalation bzw. Infusion (Pentamidin) vor.