Aktuelles
9 min merken gemerkt Artikel drucken

Leseprobe PTAheute 17/2022: Tierhaarallergie: Kuscheln mit dem Liebling?

Nicht die Tierhaare selbst sind Auslöser für eine Allergie, sondern bestimmte Proteine. | Foto: Elena_Goosen – iStockphoto.com

Die Haut und Augen jucken, der Hals kratzt und eine Niesattacke folgt der anderen. In schlimmen Fällen kann eine Tierhaarallergie sogar Atembeschwerden bis hin zu asthmatischen Anfällen verursachen. Rund sechs bis acht Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Damit stehen Tierhaarallergien nach Pollen- und Hausstaubmilbenallergien an dritter Stelle der allergischen Reaktionen.

Haare als Übeltäter?

Die Bezeichnung Tierhaarallergie ist eigentlich nicht ganz korrekt, denn nicht die Haare selbst, sondern bestimmte Proteine im Speichel, Urin oder in den Hautschuppen der Tiere lösen die Immunreaktion aus. Die winzigen Partikel binden sich unglücklicherweise auch an Staubteilchen und verteilen sich so überall in den Räumen und haften an Kleidung, Teppichen und Polstermöbeln. Die allergieauslösenden Proteine finden sich bei sämtlichen Kleinsäugern, aber auch bei Vögeln. Relativ unkritisch sind dagegen Fische, Reptilien und Amphibien.

Trennung nur im Notfall

Doch welche Möglichkeiten haben Tierhalter – oder deren Besucher –, die nicht auf ihre behaarten und gefiederten Freunde verzichten möchten? Das kommt vor allem auf die Stärke der Symptome an. Juckt gelegentlich die Nase, wenn eng gekuschelt wurde, oder zeigen sich auf der Haut nach einer intensiven Leckattacke gerötete, juckende Bereiche, ist das sicher noch kein Grund, sich von seinem Haustier zu trennen. 

Treten jedoch starke allergische Reaktionen auf, ist eine Trennung meistens unvermeidbar. Besonders wenn Kinder betroffen sind, ist es ratsam, frühzeitig zu intervenieren. Am besten sollte es jedoch gar nicht erst so weit kommen.

Das Wichtigste in Kürze

Sechs bis acht Prozent der Bevölkerung leiden unter Tierhaarallergien.

  • Nicht die Haare, sondern Proteine in Speichel, Urin und Hautschuppen der Tiere lösen die allergischen Reaktionen aus.
  • In schlimmen Fällen, insbesondere bei asthmatischen Beschwerden, ist eine Trennung vom Tier manchmal nicht vermeidbar.
  • Bei Beschwerden oder am besten vor Anschaffung eines Tieres kann ein Allergietest aufschlussreich sein.
  • Sofortiges Waschen von Kleidung und Händen nach Tierkontakt kann helfen, die allergischen Reaktionen zu verringern.

Allergietest am besten vorab

Daher ist es – vor allem bei bekannter allergischer Veranlagung – durchaus sinnvoll, vor der Anschaffung des Haustiers einen Allergietest machen zu lassen. Dieser erfolgt meist in Form eines Hauttests (Pricktest). Alternativ oder zusätzlich kann eine mögliche Allergie auch durch eine Blutuntersuchung nachgewiesen werden. Solche Tests können inzwischen sogar schon in Eigenregie durchgeführt werden (z.  B. von Cerascreen). Dazu wird mit dem im Testkit befindlichen Zubehör eine Blutprobe aus der Fingerbeere entnommen und in ein Labor zur Auswertung geschickt.

Eine andere Rasse vielleicht?

Die Anschaffung sogenannter hypoallergener Rassen, also solcher Rassen, die ein vermeintlich niedrigeres Allergiepotenzial aufweisen, oder gar von Tieren ohne Behaarung ist nur bedingt wirksam. Dies liegt daran, dass, wie schon erwähnt, nicht das Fell, sondern der Speichel und die Hautschuppen allergieauslösend sind. Im Einzelfall hat sich jedoch tatsächlich gezeigt, dass die Symptome bei bestimmten Rassen oder sogar auch bei weiblichen Tieren für manche Allergiker geringer ausfallen.

Oder eine andere Tierart?

Es gibt Unterschiede zwischen den verschiedenen Tierarten. So muss beispielsweise ein Katzenhaarallergiker nicht zwingendermaßen auch auf Hunde allergisch sein. Allerdings sollte ein Allergiker generell darüber nachdenken, ob die Anschaffung eines Haustiers im Einzelfall sinnvoll ist.

Antihistaminika nur kurzfristig

Leider entwickeln sich Allergien jedoch häufig auch erst im Lauf des Lebens oder neue Familienmitglieder mit Allergien kommen hinzu. Akute Hilfe leisten können hier zunächst Antihistaminika entweder in Tablettenform (z. B. [Des-]Loratadin, Cetirizin) oder als lokale Applikation in Form von Nasensprays, Augentropfen (z. B. Azelastin, Levocabastin) oder Cremes. Diese eignen sich beispielsweise auch für Allergiker, die nur einen kurzen Besuch bei einem Tierhalter planen. 

Für einen langfristigen Einsatz sind Antihistaminika jedoch eher ungeeignet, da im Gegensatz zu anderen Allergien der Allergenkontakt bei Tierhaltern durchgängig besteht. Auch Glucocorticoide können im Einzelfall als lokale oder sogar orale Gabe nötig sein. Doch auch hier ist nur ein kurzfristiger Einsatz zur Linderung akuter Symptome empfehlenswert.

Hyposensibilisierung möglich

Eine sogenannte spezifische Immuntherapie (SIT) beziehungsweise eine Hyposensibilisierung ist prinzipiell auch bei Tierhaarallergien möglich. Da wissenschaftlich relevante Daten jedoch noch nicht ausreichend vorhanden sind, werden entsprechende Therapien bis jetzt nur sehr verhalten verordnet. Nur bei Katzenhaarallergien ist eine relativ hohe Erfolgsquote von etwa 85 Prozent zu erwarten. Trotzdem werden vor allem solche Personenkreise behandelt, die beruflich mit Tieren arbeiten müssen (z. B. Tierärzte, Förster). 

Bei einer klassischen Hyposensibilisierung wird dem Patienten in ein- bis zweiwöchentlichen Abständen anfänglich eine niedrige Allergendosis injiziert. Mit jeder Injektion wird die Allergenkonzentration erhöht, um eine langsame Gewöhnung an die allergieauslösenden Substanzen zu erreichen. Die Behandlung erstreckt sich im Schnitt über circa drei Jahre und wird normalerweise von den Krankenkassen übernommen.

Hilft der Bauernhofeffekt?

Es ist bekannt, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, oder solche, die in ihren ersten Lebensjahren häufig unverarbeitete Kuhmilch trinken, weniger von Allergien betroffen sind als andere. Neuere Studien zu diesem Thema ergaben nun, dass ein bestimmtes Protein für diesen Effekt verantwortlich ist. Das Protein Beta-Lactoglobulin wird einerseits von Kühen abgesondert und kommt andererseits auch in unverarbeiteter Kuhmilch vor. Es reduziert die Bildung von Immunglobulin E und damit auch die Allergiebereitschaft. 

Nun wohnt natürlich nicht jeder auf einem Bauernhof und unverarbeitete Kuhmilch ist auch nicht jedermanns Sache. Daher ist gegebenenfalls ein relativ neues Produkt eine mögliche Alternative: Immunobon enthält isolierte Molkeproteine und wird in Form einer Lutschtablette von Erwachsenen zweimal täglich eingenommen. Für Kinder ist es ab drei Jahren geeignet. Diese nehmen täglich eine Lutschtablette ein (sofern sie schon in der Lage sind, eine Tablette zu lutschen). Die orale Aufnahme der Beta-Lactoglobuline soll bei regelmäßiger und mindestens dreimonatiger Anwendung zu einer Linderung der allergischen Symptome beitragen.

Komplementärmedizinische Unterstützung

Mittel aus der Homöopathie oder der anthroposophischen Medizin sind insofern interessant, da sie regelmäßig und auch über einen längeren Zeitraum hinweg eingenommen werden können. Die Komplementärmedizin hat zwar ihre Grenzen, aber besonders bei leichteren Symptomen kann ein Versuch nicht schaden. Als hilfreich hat sich dabei zum Beispiel die Gabe von Histaminum C30 erwiesen. Histamin wird bei allergischen Reaktionen vom Soforttyp vermehrt aus den Mastzellen freigesetzt und ist neben anderen Entzündungsmediatoren für die unangenehmen allergischen Symptome verantwortlich. In homöopathischen Dosen verabreicht, kann es hingegen helfen, die allergischen Symptome oder sogar die Allergiebereitschaft insgesamt zu verringern.

Vorbeugend, als sogenanntes Umstimmungsmittel, kann Acidum formicicum C30 eingesetzt werden, um die allergische Neigung herabzusetzen. Falls der Kontakt mit den Tieren nur besuchsweise erfolgt, sollte die Einnahme so früh wie möglich vor dem Besuch stattfinden. Einmal wöchentlich zwei bis drei Globuli hat sich hierbei als Dosierung bewährt.

Starker Nies- und Juckreiz wird mit Sabadilla D6 behandelt, tränende und entzündete Augen dagegen mit Euphrasia D6. Hautreaktionen können durch die Gabe von Sulfur D12 gelindert werden. Diese Akutmittel dürfen dabei in stündlichen Gaben von fünf Globuli verabreicht werden.

Ein Kombinationsmittel, das unter anderem Histaminum, Acidum formicicum, Sulfur und einige weitere Mittel in sich vereint, ist zum Beispiel Adrisin. Die Tabletten werden vorbeugend dreimal täglich eingenommen, bei akuten Symptomen kann kurzfristig auch eine stündliche Gabe erfolgen.

Was außerdem noch hilft ...

Ein anthroposophisches Mittel, das sich sowohl zur Akutbehandlung als auch zur Vorbeugung eignet, ist Calcium Quercus. Ziel ist die verstärkte Abgrenzung des Organismus gegenüber äußeren Einflüssen. Dabei sollten ein- bis dreimal täglich fünf bis zehn Globuli verabreicht werden.

Zusätzlich können auch Nasenduschen und Inhalationen mit Salzwasser allergielindernd wirken, indem die angegriffenen Schleimhäute durchgespült beziehungsweise befeuchtet werden.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Für einen Kurzbesuch bei Ihrer Tochter und ihrer Katze können Sie für die Zeit Ihres Aufenthaltes einmal täglich eine Tablette mit dem Wirkstoff Desloratadin einnehmen.“
  • „Da Sie als Tierarzt in ständigem Kontakt zu Katzen sind, können Sie eine Hyposensibilisierung versuchen. Dabei wird Ihnen in bestimmten Abständen eine langsam zunehmende Allergendosis injiziert.“
  • „Diese Tabletten enthalten Beta-Lactoglobulin. Das ist ein Protein, welches in unverarbeiteter Kuhmilch vorkommt und bei längerer Gabe die allergischen Symptome lindern kann.“
  • „Das homöopathische Mittel Euphrasia D6 kann Ihnen helfen, den Juckreiz an den Augen zu lindern.“
  • „Verwenden Sie am besten einen Staubsauger mit HEPA-Filter, da hier die Allergene direkt im Filter verbleiben.“

Hilfreiche Alltagsmaßnahmen

Bei leichteren Beschwerden hilft meist schon eine konsequente Alltagshygiene im Umgang mit dem Haustier. Dazu gehört beispielsweise, dass auf enge Kontakte mit dem Tier möglichst verzichtet wird beziehungsweise sofort im Anschluss an Kuscheln oder Abgelecktwerden sowohl Haut als auch Kleidung gründlich gereinigt werden. Dabei sollten Kleidung, Bettwäsche oder andere waschbare Textilien nach Möglichkeit regelmäßig am besten bei 60 °C gewaschen werden.

Auch das tägliche Wischen und Saugen der Wohnräume und die Reinigung der Einrichtungsgegenstände gehört zu den präventiven Maßnahmen bei einer Tierhaarallergie. Am besten eignen sich hierbei Staubsauger mit einem HEPA-Filter, da die Allergene in diesem Fall – anders als bei herkömmlichen Saugern – im Filter verbleiben. Um die Allergenkonzentration in der Umgebungsluft zu verringern, können zusätzlich auch Luftreinigungsgeräte eingesetzt werden. Wer nicht so viel investieren möchte, sollte entsprechend häufiger lüften.

Kann das Haustier nicht außerhalb der Wohnung verbleiben, sollte zumindest dafür gesorgt werden, dass das Tier in möglichst wenige Räume gelangt. Vor allem das Schlafzimmer des Allergikers ist ein absolutes Tabu.

Es ist auch wichtig, das Tier selbst regelmäßig zu pflegen. Dazu gehört beispielsweise ein tägliches Auskämmen des Fells im Freien. Ebenso hilft häufiges feuchtes Abwischen des Fells, damit sich die tierischen Allergene nicht so leicht in den Wohnräumen verteilen können.

Zukunftsmusik: Antikörperspritze

Noch in der Forschungsphase befindet sich eine ganz neue Methode: eine Antikörperspritze gegen Tierhaarallergien. Diese könnte jedoch schon bald zur Verfügung stehen, allerdings zunächst nur für Katzenhaarallergiker. In der Entwicklung befindet sich ein gegen das Katzenhaarallergen gerichteter spezifischer IgG-Antikörper. Der Vorteil ist hierbei, dass die Antikörper nicht erst vom Körper selbst gebildet werden müssen, sondern sofort nach der Injektion zur Verfügung stehen. Diese Antikörper wirken dann wie eine Art Schutzschild vor der Allergie.