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Kinderarzneistoffe: Ist Cefaclor bei Blasenent­zündung für Kinder sinnvoll?

Bei welchen Diagnosen ist eine Gabe von Cefaclor-Saft sinnvoll? | Bild: Africa Studio / AdobeStock

Nässen Kinder plötzlich wieder ein, klagen über Schmerzen beim Wasserlassen oder haben Spuren von Blut im Urin, könnte eine Harnwegsinfektion (HWI) dahinterstecken. Säuglinge und Kleinkinder leiden dabei mitunter nur unter Fieber, unspezifischen oder sogar keinen Symptomen. Übeltäter ist meist E. coli.

Viel trinken und kurzfristige Kontrollen

In unklaren sowie leichten Fällen eines HWI ohne Fieber, etwa einer unkomplizierten Blasenentzündung, kann der Kinderarzt durchaus zunächst eine erhöhte Trinkmenge und kurzfristige Kontrolle anordnen. Doch oft geht es nicht ohne Antibiose.  

Grundsätzlich sind dann besonders gut Antiinfektiva geeignet, die eine hohe Urinkonzentration erreichen. Nach der Einnahme des Oralcephalosporins Cefaclor landen innerhalb von 8 Stunden 50 bis 70 Prozent als mikrobiologisch aktive Substanz im Urin. Cefaclor scheint damit besonders gut für Infektionen der Niere und ableitenden Harnwege geeignet.

Kein Cefaclor bei unkomplizierter Blasenentzündung 

Doch bei einer unkomplizierten Blasenentzündung (Zystitis) im Kindes- und Jugendalter sollten Ärzte möglichst kein Cefaclor (oder andere Oralcephalosporine wie Cefalexin, Cefpodoximproxetil, Cefixim) verordnen, um eine Resistenzbildung zu vermeiden. Eine geeignete Wahl ist gemäß Leitlinie Nitrofurantoin, Trimethoprim (TMP) – mit oder ohne Sulfamethoxazol (SMX) –, Nitroxolin, Amoxicillin/Clavulansäure und ab 12 Jahren auch Fosfomycin.

Gut zu wissen: Was tun bei Harnwegsinfektion beim Kind?

Wann immer der Verdacht einer HWI besteht, sollte das Kind ärztlich untersucht werden. Obwohl bakterielle Harnwegsinfektionen bei Kindern recht häufig vorkommen, könnte auch eine Fehlbildung dahinterstecken.  

Die aktuelle S2k-Leitlinie zu Harnwegsinfektionen im Kindesalter empfiehlt daher, bei der ersten fieberhaften Harnwegsinfektion im Säuglings- und Kleinkindalter eine orientierende Ultraschalluntersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege durchzuführen. 

Wie wird eine Blasenentzündung bei Kindern behandelt?

Laut Leitlinie sollten zur Therapie einer unkomplizierten Zystitis im Kindes- und Jugendalter prinzipiell keine hochwirksamen Reserveantibiotika eingesetzt werden. Gemeint sind damit z. B. Ciprofloxacin und Cephalosporine der Gruppe 2 oder 3 (z. B. Ceftriaxon, Cefotaxim oder Ceftazidim). Cefaclor ist laut Leitlinie ein Oralcephalosporin der Gruppe 1. Gegen Cefaclor sollen bei E. coli derzeit jedoch noch geringere Resistenzraten als gegen Trimethoprim bestehen. Deshalb kann es eine Alternative zu TMP sein – in Gebieten mit hoher Resistenzrate gegen TMP. 

Außerdem ist Cefaclor in den ersten Lebenswochen eine Alternative zu Trimethoprim und Nitrofurantoin. Denn beide sind in dieser Altersphase nicht zugelassen. Allerdings ist im Säuglingsalter an die relativ hohe Inzidenz von Enterococcus faecalis zu denken. Dieser Keim ist natürlicherweise resistent gegenüber Cephalosporinen, Cefaclor also wirkungslos.  

Resistenzbildung möglich

Zur Prophylaxe sollten Cephalosporine laut Leitlinie jedenfalls nicht oder nur „äußerst zurückhaltend“ eingesetzt werden. Als problematisch gilt der Einfluss der Cephalosporine auf die Selektion von ESBL(Extended Spectrum Beta-Lactamase)-produzierende Bakterien, deren Anteil bei kindlichen HWI laut Leitlinie beunruhigend zunimmt.

Somit überrascht es nicht, dass Cefaclor auch im Konsensuspapier der „Arbeitsgemeinschaft Antibiotic Stewardship ambulante Pädiatrie“ nur in wenigen Indikationen (v. a. Hautinfektionen) als Alternative genannt wird – bei Harnwegsinfekten wird es im Rahmen der Infektionsprophylaxe zwar genannt, aber eben mit dem Hinweis, Cephalosporine aufgrund von Resistenzbildung möglichst zu vermeiden.  

Wie ist Cefaclor zu dosieren?

Die oralen Cefaclor-Säfte sind bereits ab einem Monat zugelassen und werden je nach Einsatzgebiet und Alter unterschiedlich dosiert. Das „Kinderformularium.de“, eine unabhängige Datenbank für evidenzbasierte Informationen zur Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen, gibt Folgendes an:  

  • Von ≥ 1 Monat bis ≤ 5 Jahren wird Cefaclor üblicherweise mit 30 mg/kg Körpergewicht pro Tag dosiert – aufgeteilt in drei Einzeldosen.
  • Bei schweren Infektionen oder Otitis media können 40 bis 50 mg/kg KG als Gesamttagesdosis zum Einsatz kommen.
  • Für unkomplizierte Infektionen der ableitenden Harnwege genügen laut Fachinformation hingegen 20 mg Cefaclor/kg KG in zwei oder drei Tagesdosen.
  • Bei der Prophylaxe von Harnwegsinfektionen reichen laut Leitlinie sogar nur 10 mg/kg KG als einmal tägliche Abendgabe aus, Cephalosporine sind in der Prophylaxe wie erwähnt jedoch zu vermeiden.
  • Von ≥ 6 Jahre bis ≤ 10 Jahren gelten 250 mg Cefaclor alle acht Stunden als Normaldosierung.
  • Über 10 Jahre wird 500 mg alle acht Stunden verabreicht.

Cefaclor darf sowohl nüchtern als auch zu einer Mahlzeit eingenommen werden.

Gut zu wissen: Mundhygiene beachten

Cefaclor kann die Zähne verfärben. Um das zu verhindern, sollten Eltern während der Behandlung auf eine intensive Mundhygiene achten!

Wann wird Cefaclor außerdem angewendet?

Neben Infektionen der Niere und der ableitenden Harnwege, des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs, wie z. B. Otitis media, Sinusitis, Tonsillitis oder Pharyngitis, sind Cefaclor-Säfte auch bei Gonorrhö sowie Infektionen der unteren Atemwege sowie der Haut und der Weichteilgewebe indiziert. 

In der „DEGAM-Leitlinie Nr. 7“ zu Ohrenschmerzen, die 2019 allerdings abgelaufen ist, heißt es: „Cefuroximaxetil wird als einziges Oralcephalosporin zur 5-Tagesbehandlung der akuten Otitis media empfohlen“, und: „Oralcephalosporine sind Mittel der Reserve“. Auch wenn für den Einsatz von Cefaclor also zwar eine gesonderte Dosierung vorgesehen ist, sollte es auch in dieser Indikation eigentlich gar nicht zum Einsatz kommen. 

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Wie bei anderen Antibiotika treten unter Cefaclor häufig Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit oder auch weicher Stuhl und Durchfall auf. Meist treten diese Nebenwirkungen nur leicht auf und vergehen spätestens mit Beendigung der Therapie wieder. Insbesondere bei schweren, langanhaltenden Durchfällen muss ein Arzt hinzugezogen werden. Allergische Reaktionen wie Juckreiz oder Ausschläge treten häufig auf, gelegentlich sind auch schwere Haut- oder Überempfindlichkeitsreaktionen möglich.

Vorsicht Interaktionspotenzial!

Die gleichzeitige Kombination mit bakteriostatischen Antibiotika wie Tetrazyklinen, Chloramphenicol oder Erythromycin vermindert die Wirkung von Cefaclor und sollte unterbleiben. Ansonsten müssen Wechselwirkungen mit dem Urikosurikum Probenecid sowie mit Antikoagulantien vom Cumarin-Typ beachtet werden. Weitere Interaktionspartner sind Clozapin, bakterielle Lebendimpfstoffe und nephrotoxische Substanzen.