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PTA, Apotheker & Co. in der DDR

Bild: DAZ

Die Personalsituation in den Apotheken war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Ost und West schwierig. Weil Männer fehlten, wurden Frauen als Arbeitskräfte in westdeutschen wie ostdeutschen Apotheken gebraucht. Allerdings wurde das Recht von Frauen auf Bildung, Ausbildung und Berufstätigkeit in der DDR bereits früher gesetzlich verankert als im Westen.

Eine vollständige Gleichberechtigung von Männern und Frauen wurde jedoch trotz des hohen Anteils berufstätiger Frauen auch in der DDR nicht erreicht: Zum einen waren auch weibliche Vollzeitbeschäftigte weiterhin für den Haushalt und die Kindererziehung (zumindest außerhalb der Betreuungszeiten) zuständig. Zum anderen waren die Leitungsfunktionen wie beispielsweise die Funktion des Kreisapothekers überwiegend von Männern besetzt. In den unteren Hierarchieebenen der Apotheken betrug der Frauenanteil dagegen fast hundert Prozent.

Apothekenfacharbeiterin

Der Helferinnenberuf, der sich schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausbildete und ab 1940 staatlich anerkannt war, entwickelt sich nach Kriegsende in der sowjetischen Zone anders als in den Westzonen. Hüben wie drüben ergriffen aber fast ausschließlich Frauen diesen Beruf. 1952 wurde der Lehrberuf der Apothekenhelferin mit zweijähriger Lehrzeit vom Staatssekretariat für Berufsbildung anerkannt und gehörte damit zu den „mittleren medizinischen Berufen“. 1962 wurde die Ausbildungsdauer auf 18 Monate verkürzt. Sie endete nun mit einem Facharbeiterabschluss, sodass die Helferinnen in der DDR ab diesem Zeitpunkt „Apothekenfacharbeiter“ hießen. 

Die Ausbildung fand sowohl schulisch als auch in den Apotheken statt. Später wurde der praktische Teil auch in zentralen Lehrstätten durchgeführt, den sogenannten Lehrkabinetten. Anfang der 1970er-Jahre entsprach die eineinhalbjährige Ausbildung nicht mehr den fachlichen und politischen Ansprüchen. Deshalb wurde die Ausbildungsdauer ab 1976 wieder auf zwei Jahre verlängert. Um die Ausbildung abzuschließen, musste eine eigenständige schriftliche Abschlussarbeit verfasst werden. 

Bei sehr guten Abschlüssen war anschließend das Pharmazieingenieur-Studium möglich. Die Aufgabenbereiche von Apothekenfacharbeiterinnen waren mit denen von PKA vergleichbar. Sie waren für die Lagerwirtschaft und die Mitarbeit bei der Herstellung von Arzneimitteln zuständig. Eine Apothekenfacharbeiterin bekam Mitte der 1970er-Jahre ein Einstiegsgehalt von 250 Mark, bei langjähriger Berufserfahrung konnte sie rund 700 Mark im Monat verdienen. Lehrlinge erhielten etwa 60 bis 80 Mark im Monat. In den Apotheken gab es Lehrfacharbeiterinnen, die für die Lehrlingsausbildung zuständig waren. Wie alle anderen pharmazeutischen Fachkräfte waren auch Apothekenfacharbeiterinnen zur kontinuierlichen Fortbildung verpflichtet.

Apothekenassistentin

Der DDR-Beruf der Apothekenassistentin darf nicht mit dem der Apothekerassistentin (bzw. Vorexaminierten) verwechselt werden. Apothekenassistentinnen dürfen – ähnlich wie die PTA – pharmazeutische Tätigkeiten lediglich unter Aufsicht eines Apothekers ausführen und gehören damit zum mittleren pharmazeutischen Personal in der Apotheke. Außerdem besitzen Apothekenassistentinnen die Sachkunde zum Verkauf von Arzneimitteln in der Drogerie und die Sachkenntnis als Pharmaberaterin. 2019 arbeiteten noch 61 Apothekenassistentinnen in der Apotheke.

Voraussetzung für das zweijährige Studium an der Ingenieurschule für Pharmazie in Leipzig war der Abschluss der zehnten Klasse der Polytechnischen Oberschule und eine Ausbildung als Apothekenfacharbeiterin.

Der erste Ausbildungsjahrgang an der Pharmazieschule Leipzig-Großzschocher begann am 26. November 1951 mit 101 Schülerinnen, zwei Lehrkräften sowie Apothekern aus Leipzig als Gastlehrern. Die damaligen Lehrer seien „Universalgenies“ gewesen, heißt es in einem Bericht zum 50. Jubiläum der Leipziger Schule. Denn sie unterrichteten so außergewöhnliche Fächerkombinationen wie Rezeptur und Leibesübungen.

Es handelte sich zunächst um einjährige Fachlehrgänge, mit denen langjährige Apothekenhelferinnen weiterqualifiziert wurden. Ab 1952 bis 1970 gab es dann auch eine Direktausbildung als zweijähriges Vollstudium. Ab 1957 erschien der erste Band des Lehrbuchs für Apothekenassistentinnen. Aufgrund seines hohen fachlichen Niveaus wurde das dreibändige Werk bei der Einführung der PTA-Ausbildung 1969 in Westdeutschland mit als Grundlage herangezogen.

In der unterrichtsfreien Zeit fanden Praktika in Apotheken statt. Im Anschluss erfolgte ein praktisches Absolventenjahr, für das man an eine bestimmte Apotheke geschickt wurde („gelenkt“). Die meisten der insgesamt gut 5.300 Apothekenassistentinnen wurden an der Fachschule in Leipzig ausgebildet, ein kleiner Teil davon im Zeitraum 1966–1972 über ein Fernstudium. Die Schülerinnen wohnten weit überwiegend im angegliederten Wohnheim der Fachschule und erhielten meist ein Stipendium.

Weiterentwicklung zum Pharmazieingenieur-Studium

Nach zwei Jahrzehnten hatten sich die Apothekenassistentinnen zur zweitgrößten Berufsgruppe in Apotheken entwickelt. Und es war die Zeit gekommen, das Berufsbild zu reformieren und die Lerninhalte zu überarbeiten. Ab 1969 wurde die Assistentenausbildung in ein Ingenieurstudium überführt; aus Schülerinnen und Schülern wurden damit Studierende. 1971 immatrikulierten sich die ersten Studierenden für das neue dreijährige Studium zum Pharmazieingenieur (PI), mit dem auch die Fachhochschulreife erworben werden konnte. Integriert waren zunächst ein Praxisjahr, später nur noch ein Praxissemester, sowie eine Studienarbeit.

Mehr als die Hälfte der Apothekenassistentinnen nutzten in den folgenden Jahren die Möglichkeit, mit einem zweijährigen aufbauenden Fernstudium den Ingenieurabschluss zu erwerben. Im „Studienplan für die Fachrichtung Pharmazie zur Ausbildung an der Ingenieurschule für Pharmazie Leipzig“ vom September 1982 finden sich neben fachlichen Zielen und Schwerpunkten auch gesellschafts- und gesundheitspolitische Vorgaben: „Darüber hinaus wirkt er [der Pharmazieingenieur] verantwortungsbewußt im Sinne der Gesundheitserziehung und vertritt die Grundsätze der sozialistischen Gesundheitspolitik.“ Und: „Durch seine Leistungsbereitschaft, sein Wissen und Können, sein einfühlsames Verhalten gegenüber den Patienten und sein staatsbewußtes Auftreten trägt er zur weiteren Entwicklung des sozialistischen Gesundheitswesens bei.“

Dies spiegelt sich auch in der Stundentafel wider, die neben Pharmazeutischer Chemie, Pharmakologie und Pharmazeutischer Technologie auch über 300 Stunden für Grundlagen des Marxismus-Leninismus, je 72 Stunden Psychologie und sozialistische Arbeitswissenschaft sowie 36 Stunden Zivilverteidigung vorsieht. Außerdem gibt es in der Einführungswoche zu Beginn des Studienjahres Vorlesungen in Umweltschutz und Pharmaziegeschichte sowie Seminare zur Arbeit mit Fachliteratur sowie Hinweise zum Anfertigen der Abschlussarbeit.

Als die Praxisphase 1978/79 um ein halbes Jahr reduziert wurde, wurden im Direktstudium die Kapazitäten an der Leipziger Schule überschritten. Daher wurde zusätzlich ein Fernstudium von viereinhalb Jahren eingeführt. Diese Möglichkeit war günstig für diejenigen, die Familie und Studium vereinbaren mussten. Im Studienplan von 1982 heißt es dazu: „Der Fernstudent muß in der Apotheke die Möglichkeit haben, für die Aneignung seines Wissens weitgehend die berufliche Tätigkeit zu nutzen und erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten bereits während des Studiums anzuwenden.“ Mit einem sehr guten PI-Abschluss hatte man auch Chancen auf ein Pharmaziestudium.

Pharmazie-Ingenieurinnen waren zur eigenverantwortlichen Herstellung und Abgabe von Arzneimitteln berechtigt und durften die Apothekenleitung befristet vertreten. In Ausnahmefällen konnte ihnen die Leitung einer Apotheke ganz übertragen werden. Kleinere Abgabestellen in Polikliniken wurden daher häufig von PI geführt. In den Pharmazeutischen Zentren waren PI mit medizinpädagogischer Zusatzausbildung angestellt. Eine frischgebackene PI erhielt nach dem Studium etwas über 500 Mark; im Laufe der Zeit und mit zunehmender Verantwortung konnten etwa 1000 Mark erreicht werden.

Noch zu DDR-Zeiten: PI-Ausbildung wird zum Auslaufmodell

Bereits wenige Jahre nach der Überarbeitung vom Herbst 1982 wurde das PI-Berufsbild erneut novelliert. Im Rahmen einer grundlegenden Neuordnung des Ausbildungssystems wurde beschlossen, die Ausbildung nicht weiterzuführen; die Bezeichnung Ingenieur sollte künftig für Hochschulabsolventen reserviert bleiben. Die letzten Direktstudien wurden 1991 und die letzten Fernstudien 1994 abgeschlossen. Entgegen landläufiger Meinung ist die Ausbildung der Pharmazieingenieure also kein „Opfer der Wiedervereinigung“, sondern wurde schon vorher von den zuständigen DDR-Ministerien zum Auslaufmodell erklärt.

Die Pharmazeutische Assistentin: Parallelen zur PTA

Als Ersatz wurde ab 1987/88 ein neuer mittlerer pharmazeutischer Beruf mit Fachschulausbildung für die DDR-Apotheken geschaffen: die Pharmazeutische Assistentin. In diesem neuen Berufsbild sollte auch die Ausbildung zur Apothekenfacharbeiterin integriert werden. Nach zweijähriger Berufstätigkeit war die Möglichkeit vorgesehen, sich zur Pharmazeutischen Fachassistentin zu qualifizieren.

Mit dieser neuen Ausbildung wurde ab September 1989 begonnen. Es gab allerdings nicht sehr viele Pharmazeutische Assistentinnen, die ihre Ausbildung beendet haben. Denn bereits 1990 wurde die Ausbildung an die der PTA angeglichen und die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für PTA übernommen. Daher werden an der Ingenieurschule für Pharmazie in Leipzig, die 1993 zunächst in Berufliches Schulzentrum 9 und 2010 in Ruth-Pfau-Schule umbenannt wurde, seitdem PTA ausgebildet.

PI: Vertretungsbefugnis und Nachdiplomierung

Nach der Wiedervereinigung war zunächst vorgesehen, dass PI nur noch die Befugnisse von PTA bekommen sollten. Erst „nach zähem Ringen“ erhielten sie den Status der Apothekerassistentinnen bzw. Vorexaminierten. Pharmazieingenieure dürfen die Apothekenleitung bis zu einem Monat pro Jahr vertreten (§ 2 Abs. 6 ApBetrO). Nicht erlaubt ist ihnen die Vertretung in einer Hauptapotheke mit Filialverbund, in krankenhausversorgenden Apotheken und in Apotheken mit Parenteralia-Herstellung oder mit Patienten-individuellem Stellen oder Verblistern von Arzneimitteln. Alle PI, die ihren Abschluss bis Ende 1990 erworben hatten, konnten sich auf Antrag beim Sächsischen Wissenschaftsministerium nachdiplomieren lassen. Dies wirkte sich jedoch weder auf das Tarifgehalt noch auf die Rente aus. Die Angleichung der Tarifgehälter für PI in Ostdeutschland an das westdeutsche Niveau erfolgte erst 2007 – als letzte Berufsgruppe.

Der vollständige Beitrag ist in der Deutschen Apotheker Zeitung Ausgabe 40/2020 erschienen.