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In 6 Schritten zu mehr Zusatzverkäufen

PTA berät Kundin im HV
Mit den richtigen Fragen und Einfühlungsvermögen gelingen auch Zusatzverkäufe in der Apotheke. | Bild: Schelbert / PTAheute

Zusatzverkäufe empfinden viele Apothekenmitarbeitende noch immer als unangenehm. Dabei sind sie eine Chance, den Kunden zu zeigen, dass sie von dem Besuch ihrer Vor-Ort-Apotheke profitieren können. 

Und die Praxis zeigt: Kunden wollen mehr – mehr Empfehlungen, mehr Ergänzungen, mehr Klarheit in der Beratung. Doch auch wenn Apothekenteams zu der Erkenntnis gelangt sind, dass das Thema angegangen werden muss, tun sie sich oft schwer in der Umsetzung.

Mitgefühl und echtes Interesse am Kunden punkten in der Beratung

Bei der Verbesserung der Gesprächsrhetorik geht es nicht um das Auswendiglernen von Formulierungen oder Verkaufsargumenten. Es geht vielmehr um eine gekonnte Mischung aus Natürlichkeit und absoluter Professionalität. 

Die Apothekenteams sollten dabei eine Fähigkeit nutzen, die sie alle haben: das Mitfühlen. In der Fachsprache wird das „Emotional Selling“ genannt. Genau diese Fähigkeit ist jene, die sie im Beratungsgespräch vom Versandhandel abgrenzt. Denn automatische Beratungsprogramme sind zwar im Bereich der Zusatzverkäufe oft erfolgreicher (da sie keine Hemmungen haben), jedoch sind sie nicht in der Lage, echtes Mitgefühl oder Interesse für die Kunden und ihre Sorgen zu zeigen. Sie hingegen können genau damit punkten, um Zusatzempfehlungen optimal vorzubereiten. Finden Sie heraus, was Ihren Kunden wichtig ist.

Und damit gelangen wir zum ersten Schritt einer 6-Schritte-Strategie, die für erfolgreiche Zusatzverkäufe eingesetzt werden können, hier am Beispiel Metformin.

Schritt 1: öffnende Fragen stellen

„Hat der Arzt Ihnen die Einnahme erklärt?“ oder „Eine kleine oder große Packung?“ – Kennen Sie diese oder ähnliche Fragen aus Ihrer Apotheke? In der Tat ist es nach solchen Fragen schwierig, in einen Dialog zu kommen, zumindest wenn Ihr Ge­genüber sich nicht die Mühe macht, aktiv auf Sie zuzugehen. Beginnen Sie das Gespräch deshalb direkt mit öffnenden Fragen, die dazu anregen zu erzählen und mit denen Sie dem Kunden signalisieren: „Ich möchte mehr erfahren.“ 

Dabei erhalten Sie so viele Informa­tionen über die Bedürfnisse Ihres Gesprächspartners, seine Erkrankung und mögliche Begleiterscheinun­gen, dass Ihnen bereits die ersten Ideen zu Therapieer­gänzungen einfallen werden. Ihr Gesprächsanteil sollte in dieser Phase bei maximal 30 Prozent liegen.

Gut zu wissen: Was sind öffnende Fragen?

Öffnende Fragen beginnen oft, jedoch nicht immer, mit W. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Ihr Gesprächspartner seine Antwort frei wählen darf. Die Antworten sind deutlich umfangreicher als bei anderen Fragearten und es entsteht meist ein Dialog.

Beispiele:

  • Sie bekommen ein Medikament, um den Zuckerspiegel zu senken. Wie äußert sich Ihre Erkrankung im Alltag?
  • Seit wann nehmen Sie dieses Arzneimittel?
  • Wie vertragen Sie das Medikament? 
  • Welche anderen Medikamente nehmen Sie ein?

Lassen Sie dem Kunden Zeit zu antworten und geben Sie, wenn möglich, keine Antwortoptionen vor. So darf Ihr Gesprächspartner erzählen, was er möchte. Sie werden überrascht sein, was Sie Neues erfahren.

Schritt 2: Klären des Erstmedikamentes

Zeigen Sie sich nun als kompetenter Partner und be­friedigen Sie das erste Bedürfnis Ihres Kunden. Überreichen Sie ihm sein verordnetes Medikament bzw. das Medi­kament, das er sich gewünscht hat. 

Geben Sie dabei ruhig ein paar mehr Informationen mit. Nutzen Sie hierfür beispielsweise die Informationsfunktion Ihres Kassen­programms. Sie haben jetzt die Chance, sich als Fachpersonal zu positionieren und Vertrauen zu gewinnen. Wichtig dabei ist, dass Sie die Sprache Ihres Gegenübers übernehmen und Informationen verständ­lich verpacken. 

In unserem Beispiel zu Metformin käme eine Dosierungs- und Anwendungsempfehlung hinzu, wie zum Beispiel: „Sie nehmen morgens und abends eine Tablette zu oder direkt nach einer Mahl­zeit. Das ist wichtig, damit das Metformin direkt mit dem Zucker aus Ihrem Essen weiterarbeiten kann.“

Sie glauben, das wissen Ihre Kunden alles schon? Studien haben ergeben, dass über 70 Prozent der häufigsten Nebenwirkungen durch Einnahmefeh­ler in der Dauermedikation entstehen.

Schritt 3: Schlüsselfragen stellen

Nachdem Sie im Dialog zu Anfang viele Informatio­nen über den Kunden und seine Bedürfnisse sammeln konnten, liegt es jetzt an Ihnen, aktiv auf Ihren Ge­sprächspartner zuzugehen. Machen Sie ein Bera­tungsangebot. Signalisieren Sie, dass Sie sich wirklich in­teressieren und Lust haben, noch weiter über das ent­sprechende Thema zu sprechen.

Sie haben erfahren, dass der Kunde mehrere Arzneimittel bekommt, die einen Vitamin-B12-Mangel verursachen? Oder er erzählt Ihnen von wiederkehrenden Magen-Darm-Problematiken und Sie als Experte wissen, dass es unter der Einnahme von Metformin bei vielen Patienten zu Blähungen kommt? 

Vielleicht startet Ihr Gesprächspartner gerade mit der Einnahme, und sein Diabetes ist für ihn noch neu – dann ist das Thema Hautpflege für ihn möglicherweise von Bedeu­tung. Jetzt ist der Moment, in dem Sie emotionales In­teresse an einer tiefergehenden Kundenbindung sig­nalisieren können. Am einfachsten gelingt der Übergang zur Zusatzemp­fehlung mit einer Schlüsselfrage. Doch Vorsicht: Schlüsselfragen gelingen nur dann, wenn Sie in Phase 1 wirklich zugehört haben.

Beispiele:

  • Hat Ihnen schon mal jemand erklärt, dass durch den Diabetes Ihre Haut sehr viel trockener ist als sonst und auch bei kleinen Verletzungen schlechter hei­len kann?
  • Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie sich tagsüber oft schlapp oder antriebslos fühlen?
  • Viele unserer Kunden, die Metformin einnehmen, berichten vom sogenannten Ameisenlaufen an Fü­ßen oder Beinen. Kennen Sie das auch?

Kreieren wir ein umgekehrtes Szenario: Ihr Kunde bekommt in Ihrer Apotheke keine Therapieergän­zungsempfehlung zu seinem Metformin. Durch Zufall besucht er im nächsten Monat eine andere Apotheke, in der er darauf angesprochen wird, ob er manchmal Krämpfe in den Beinen hat. Er kauft ein Vitamin-B12-Präparat und niedrigdosiertes Magnesium und be­merkt eine dauerhafte Linderung. Er hätte Sie nur fra­gen müssen, oder?

Schritt 4: Zusatzempfehlung aussprechen

Hat Ihr Kunde positiv auf eine Ihrer Schlüsselfragen reagiert, sprechen Sie nun eine sichere und konkrete Empfehlung aus. Machen Sie sich dabei nicht zu viele Gedanken über die richtige Rhetorik. Natür­lich ist es gut, wenn Sie einen Nutzen für den Kunden herausstellen (siehe Praxistipp unten), doch das Wichtigste ist, dass Sie sich Ihrer Sache sicher sind.

Die deutsche Sprachwelt hat sich in den letz­ten Jahren deutlich verändert. Haben wir früher komplizierte Verkaufsformeln aufgebaut, in denen Merkmal, Vorteil und Nutzen vorkamen, so dürfen Sie heute die gelernte Sprache Ihrer Kunden benutzen. In dieser Sprache fühlen wir alle uns zu Hause. Wir verstehen sie und wissen, was auf uns zukommt. Men­schen leben, fühlen und kaufen unterschiedlich, und doch gibt es immer wiederkehrende Muster, die es sich lohnt zu kennen. Schauen Sie sich dort um, wo Menschen schnell und einfach kaufen. Öffnen Sie die Internetseite des größten Onlinehändlers weltweit und geben dort ein Produkt Ihrer Wahl ein, so können Sie die folgenden Rhetoriken zum Thema Zusatzverkäufe identifizieren:

  • Kunden mit Ihren Interessen schauten sich auch an
  • Rezensionen von anderen Kunden
  • Genau passend dazu gibt es

Es ist der Sprachgebrauch von Milliarden kaufenden Kunden. Ad­aptieren Sie ihn. Das geht dann beispielsweise so:

  • „Viele unserer Kunden berichten sehr positiv von der zusätzlichen Einnahme von …“
  • „Genau passend zur diabetischen Haut gibt es eine Pflege, die dafür sorgt, dass ...“
  • „Die meisten Patienten kaufen bei uns zusätzlich …“

Kombinieren Sie Ihre Aussagen gerne mit einem starken Nutzen für Ihren Kunden und lassen Sie ihm dann die freie Wahl. Nur etwa 50 Prozent der Menschen können eine sofortige Entscheidung vor Ort treffen, die anderen 50 Prozent brauchen schon von Natur aus Bedenkzeit. Drucken Sie einen Empfehlungszettel aus, auf dem der Name Ihrer Apotheke steht. Seien Sie sich sicher, dass er Sie als kompetenten An­sprechpartner in Erinnerung behält und bei der nächs­ten Frage auf Sie zukommt.

Praxistipp: Echten Mehrwert kommunizieren

Um dem Kunden die Vorteile eines Produktes zu vermitteln, sollten Sie eine gute Nutzenargumentation aufbauen. Erläutern Sie nicht nur das Merkmal eines Arzneimittels, sondern gleich auch den Vorteil, der sich daraus ergibt, sowie den individuellen Nutzen für den Patienten.

Beispiel 1: Ibu-Lysin-Tabletten

  • Merkmal: Tabletten zum Einnehmen
  • Vorteil: Sie wirken gegen Schmerzen und Entzündungen.
  • Nutzen: Ihre Schmerzen werden schnell besser.

Beispiel 2: Lefax intens

  • Merkmal: Mikro-Granulat zur Direktanwendung
  • Vorteil: Kann ohne Wasser angewendet werden und löst Blähungen im Darm schnell auf.
  • Nutzen: Sie können Ihre Blähungen sofort mindern, wenn sie auftreten. Die Einnahme ohne Wasser ist ideal für unterwegs.

Schritt 5: Herzenswärme

Ihr Kunde hat nun Ja oder Nein gesagt. War die Antwort ein Ja, vergessen Sie bitte nicht, das Gespräch gleich mit sinnvollen Null-Euro-Empfehlungen zu schließen. Argumentieren Sie in keinem Fall nach, sondern signalisieren Sie, dass Sie sich Ihrer Sache weiter si­cher sind. 

Ihr Kunde hat sich entschieden und darf das Produkt nun haben. Geben Sie es ihm einfach. Genau das macht den Charme von emotionalen Zusatzver­käufen aus. Sie signalisieren, dass der Verkauf für Sie nicht im Vordergrund stand. Einem Kunden, der gerade zusätzlich zu einem Schmerzgel noch eine pflanzliche Tinktur für Umschläge gekauft hat, können Sie jetzt er­klären, wie man einen Wickel richtig anlegt. Ein Hin­weis auf kühlende Kompressen oder auf eine stützende Schreibtischunterlage, weil das Handgelenk schmerzt, sind Empfehlungen, die Sie ebenfalls geben können.

Auch im Rx-Bereich dürfen Sie noch mal zeigen, was Sie können. Denken Sie dabei daran, dass die meisten Kunden keine Berührung zum medizinisch-pharmazeutischen Fachwissen ha­ben und auch über kleine Tipps sehr dankbar sind. So kann es für den Diabetiker in unserem Bei­spiel wichtig sein zu wissen, dass er in den ersten zwei Wochen auf verdauungsfördernde Kost verzichten soll, damit es ihm gut geht.

Eine Zusage dürfen Sie übrigens ausführlich feiern. Sie ist eine Bestätigung Ihrer Kompetenz, und gleichzeitig haben Sie die Möglichkeit genutzt, einen Kunden vollumfänglich zu umsorgen.

Schritt 6: Wenn es mal nicht klappt

War die Antwort ein Nein, kommt es nun darauf an, dass Sie die Absage nicht persönlich nehmen. Sagen Sie sich immer wie­der, dass die Absage allein dem Produkt galt und nicht Ihnen als Mensch. 

Verändern Sie nach und nach Ihr Auftreten nach einem Nein. Denn ent­steht ein unangenehmes Gefühl für den Kunden, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit das Gespräch beim nächsten Mal schon zu einem früheren Zeitpunkt beenden. Bleiben Sie hingegen natürlich, kommt er sicher gerne auf Ihre Beratung zurück. 

Gut zu wissen: Dos and Don'ts im Beratungsgespräch

Vermeiden:

  • geschlossene Fragen am Anfang des Gesprächs
  • komplizierte Fachbegriffe verwenden
  • davon ausgehen zu wissen, was der Kunde braucht
  • komplizierte Verkaufsrhetoriken aufbauen
  • ein „Nein“ persönlich nehmen
  • Dauerpatienten nicht mehr zusätzlich beraten

Unbedingt machen:

  • Checklisten zu den häufigsten Rx-Verord­nungen anlegen und Fachwissen auffrischen: Was sind die häufigsten Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen? Welche Zusatzempfeh­lungen können ausgesprochen werden?
  • drei öffnende Fragen in jedes Gespräch einbauen
  • Strategien offenlegen: Sagen Sie dem Kunden z. B., wenn es noch eine Sache gibt, die Sie für ihn nachschauen möchten.
  • zuhören und mitfühlen
  • kleine Null-Euro-Empfehlungen aussprechen
  • nicht aufschieben, sondern starten