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Abgabe durch Apotheken nur bei Bedarf: Cannabis-Legalisierung: Eckpunkte für Gesetzgebung stehen fest

Transparente Tüte mit Cannabisblüten
Die Freigabe von Cannabis in Deutschland wird vermutlich 2024 erfolgen. | Bild: juniart / AdobeStock

Gestern setzte sich das Bundeskabinett mit der geplanten Cannabis-Legalisierung auseinander. In einem ersten Schritt sollen sogenannte Eckpunkte verabschiedet werden, die das Grundgerüst für eine spätere Gesetzgebung bilden. 

Bevor es einen konkreten Gesetzentwurf gibt, muss erörtert werden, ob die EU rechtliche Einwände gegen die geplante Cannabis-Freigabe erheben wird. Das steht jedoch noch nicht fest und liegt im Bereich des Möglichen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet jedoch nicht damit, dass die Legalisierung bereits nächstes Jahr umgesetzt wird. Die Materie sei ausgesprochen komplex. „Ich könnte mir aber gut vorstellen, wenn alles gut läuft, dass dann 2024 die Legalität erreicht ist.“

Einzelheiten aus dem Eckpunktepapier zur Cannabis-Legalisierung

Das Eckpunktepapier, welches Lauterbach vorgelegt hatte und in der Regierung intern abgestimmt wurde, sieht Folgendes vor:

  • Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.
  • Der Erwerb und Besitz von maximal 20 bis 30 Gramm „Genusscannabis“ zum Eigenkonsum sollen straffrei sein, unabhängig vom konkreten THC-Gehalt. Auf eine THC-Grenze soll wegen zu großen Aufwands bei möglicher Strafverfolgung verzichtet werden.
  • Privater Eigenanbau wird mit „drei weiblichen blühenden Pflanzen pro volljähriger Person“ in begrenztem Umfang erlaubt. Diese müssen vor dem Zugriff von Kindern und Jugendlichen geschützt werden. Synthetisch hergestellte Cannabinoide sollen nicht zugelassen werden.
  • Der Verkauf soll in „lizenzierten Fachgeschäften“ – Zutritt ab 18 Jahren – und eventuell Apotheken ermöglicht werden. Werbung für Cannabisprodukte wird untersagt. Die Menge, die pro Kunde verkauft werden darf, wird begrenzt. Einen Versandhandel soll es zunächst nicht geben. Der Handel ohne Lizenz bleibt strafbar.
  • „Wegen des erhöhten Risikos für cannabisbedingte Gehirnschädigungen bei Heranwachsenden“ soll geprüft werden, ob es für unter 21-jährige Käufer eine THC-Obergrenze geben soll.
  • Neben der Umsatzsteuer auf Verkäufe ist eine gesonderte „Cannabissteuer“ geplant, die sich nach dem THC-Gehalt richtet. Einheitliche Preise, wie man es von Arzneimitteln kennt, sind nicht geplant. Ziel ist ein Endverbraucherpreis, „welcher dem Schwarzmarktpreis nahekommt“.
  • Cannabis-Produkte zum Rauchen und Inhalieren oder zur Aufnahme in Form von Kapseln, Sprays oder Tropfen sollen zum Verkauf zugelassen werden. Sogenannte Edibles, also etwa Kekse oder Süßigkeiten mit Cannabis, zunächst nicht.
  • Aufklärung, Prävention, Beratung und Behandlungsangebote sollen ausgebaut werden. Es sei insbesondere notwendig, „niedrigschwellige und flächendeckende Frühinterventionsprogramme zur Konsumreflexion für konsumierende Jugendliche einzuführen“, heißt es in den Eckpunkten.
  • Begleitend sollen Daten erhoben und analysiert werden zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Cannabis-Freigabe. Nach vier Jahren sollen die Regelungen bewertet und gegebenenfalls angepasst werden, vor allem mit Blick auf den Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutz sowie mit Blick auf die Straßenverkehrssicherheit.

„Die Erstellung dieser Eckpunkte war keine Kleinigkeit und in der Komplexität geht das über das hinaus, was durch einen schönen Sudoku-Abend abgerufen wird“, kommentiert der Bundesgesundheitsminister das Verfahren. Wenn das eigentliche Gesetzgebungsverfahren aufgenommen wird und die EU darüber abgestimmt hat, können sich einige Eckpunkte aber noch ändern. Die Vorbereitung eines konkreten Gesetzes werde keine Kleinigkeit, betont Lauterbach.

Apotheken sollen nur im Bedarfsfall unterstützen

Für Apotheken interessant ist vor allem der geplante Vertriebsweg. Im Papier heißt es, dass der Vertrieb von Genusscannabis „mit Alterskontrolle in lizenzierten Fachgeschäften und ggf. Apotheken erfolgen“ darf. Es sind verschiedene Auflagen vorgesehen: Abgabestellen müssen Auflagen in Bezug auf Sachkunde, Beratung und räumliche Lage (z. B. nicht in der Nähe von Schulen) erfüllen.  

Mit Fachgeschäften und Apotheken könnte der Schwarzmarkt wegen des breiteren Angebots, insbesondere auch im ländlichen Raum, effektiver zurückgedrängt werden, so die Vorstellung. Lauterbach erläuterte hierzu allerdings, dass er nicht unbedingt damit rechnet, dass tatsächlich Apotheken zu Abgabestellen werden. „Wenn es ausreichend Angebote durch zertifizierte Geschäfte gibt, dann wird die Unterstützung durch die Apotheken nicht notwendig sein.“ Es sei derzeit noch nicht absehbar – aber es könne gut sein, dass man ohne die Hilfe der Apotheken auskommen werde. Prüfen werde man ihre Einbeziehung erst, wenn weiterer Bedarf bestehe. Quelle: daz.online / ks 

Kritik an der Cannabis-Legalisierung

Die bayerische Landesregierung kritisiert die geplante Cannabis-Legalisierung. „Cannabis besitzt eine starke stimmungs- und wahrnehmungsverändernde Wirkung“, warnt Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Er äußerte die Befürchtung, dass eine Legalisierung in Deutschland auch Cannabis-Fans aus anderen europäischen Ländern anlockt. „Deshalb muss die Bundesregierung sicherstellen, dass keine Anreize für einen Drogentourismus nach Deutschland geschaffen werden.“

Gut zu wissen: Ist Cannabis in anderen Ländern legal?

Die europäischen Länder gehen ganz unterschiedlich mit dem Kauf und Konsum von Cannabis um. Hier eine verkürzte Übersicht:

Niederlande: Erwachsene ab 18 Jahren können in den Niederlanden max. fünf Gramm Cannabis am Tag kaufen und auch Joints rauchen. Dies wird dort seit 1976 toleriert. Die Niederlande gelten damit als Vorreiter. Der Anbau und Großhandel von Cannabis – außer zu medizinischen Zwecken und fünf Pflanzen für den privaten Konsum – ist jedoch verboten. 

Italien: Im südeuropäischen Land ist Cannabis aktuell noch nicht legalisiert worden. Die neue rechte Regierung ist dagegen. Im letzten Jahr wurde jedoch über eine Teil-Legalisierung diskutiert. Für den privaten Gebrauch sollte es demnach erlaubt sein, bis zu vier Pflanzen zu Hause anzubauen. 

Spanien: In Spanien ist eine Legalisierung und Regulierung von Cannabis für medizinische Zwecke in Arbeit. Der private, freizeitliche Konsum soll jedoch nicht legalisiert werden.

Österreich: Die derzeitige Regierung in Österreich hält eine Cannabis-Legalisierung „für den völlig falschen Weg“, so Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). 

Schweiz: Cannabis-Produkte mit weniger als 1% THC unterliegen in der Schweiz nicht dem Betäubungsmittelgesetz und sind frei käuflich. Außerdem dürfen Ärzte seit August 2022 bei bestimmten Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder chronischen Schmerzen Betroffenen Cannabis-Arzneimittel verschreiben. Pilotprojekte zur Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken laufen noch.

Tschechien: In Tschechien sind der Anbau und Besitz von Cannabis als Rauschmittel nicht legal. Wird bei einer Person eine geringfügige Menge sichergestellt, erfolgt dennoch meist keine Strafverfolgung. Das liegt aber im Ermessen der Justiz. Zu medizinischen Zwecken kann Cannabis seit einigen Jahren auf Rezept verschrieben werden. 

Quelle: dpa / mia