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AMK informiert über Verwechslungsgefahr: Pergolid für Pferde: Nicht für Menschen geeignet

Pferd wird mit Brot gefüttert
Manche Arzneimittel für Pferde werden im Futter versteckt verabreicht. Dies birgt ein relevantes Risiko für Verwechslungen. | Foto: shymar27 / AdobeStock 

Seit Mittwoch vergangener Woche weist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf die Risiken der versehentlichen Einnahme von Tierarzneimitteln durch Menschen hin. Sensibilisiert werden sollen aktuell vor allem Pferdehalter. Denn seit März soll es in Deutschland bereits vier Fälle einer Einnahme pergolidhaltiger Tiermedikamente durch Menschen gegeben haben.

Therapie des Equinen Cushing-Syndroms

In der Lauer-Taxe findet man Pergolid unter dem Handelsnamen Prascend (1 mg Tabletten für Pferde, Stand 29.11.2022). Pergolid wird laut BVL bei älteren Pferden zur Behandlung des sogenannten Equinen Cushing-Syndroms (Hormonstörung bei Pferden) eingesetzt. 

Nehmen Menschen den Wirkstoff versehentlich ein, kann er zu  

  • Schwindel,
  • Lethargie,
  • Erbrechen,
  • Blutdruckabfall und auch
  • Bewusstlosigkeit führen.

Verwechslung mit Humanarznei- und Futtermitteln

Doch wie kommt es überhaupt zur versehentlichen Einnahme von Pferde-Arzneimitteln? Das BVL erklärt:

„Ursachen für eine orale Aufnahme von Tierarzneimitteln sind oft die Verwechselung mit eigenen Medikamenten sowie die versehentliche Einnahme von Lebensmitteln, die für die Medikation von Pferden zubereitet wurden.“

Denn die Tabletten für Pferde würden häufig in Lebensmitteln wie Brot, Möhren oder Äpfeln versteckt. Deshalb sollen solche präparierten Lebensmittel, wenn sie in der Futterkammer vorbereitet werden, bis zur Verabreichung sicher gelagert werden – „zum Beispiel in einer eindeutig beschrifteten und verschließbaren Box“, erklärt das BVL. 

Tierarzneimittel sollten grundsätzlich immer nur in der Originalverpackung zusammen mit der Gebrauchsinformation des Herstellers aufbewahrt werden.

Was tun, wenn Tierarzneimittel eingenommen wurden?

Sollte es doch zu einer Verwechslung oder versehentlichen Einnahme von Pergolid kommen, rät Dr. Ann Neubert vom BVL: „Setzen Sie sich nicht an das Steuer eines Fahrzeugs und bedienen Sie keine Maschinen. Ein Arzt sollte unverzüglich zurate gezogen werden.“ 

Beim Auftreten von Symptomen soll dieses unerwünschte Ereignis (UE) auch an das BVL unter www.vet-uaw.de gemeldet werden.

AMK: Bei der Abgabe auf Verwechslungsgefahr hinweisen

Auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) warnt mittlerweile vor der versehentlichen Einnahme pergolidhaltiger Arzneimittel durch Menschen. Das synthetische Mutterkornderivat wirke als Dopaminrezeptor-Agonist. 

Die AMK bittet Apothekenmitarbeitende nun, bei der Abgabe von Arzneimitteln, die zur Anwendung am Tier bestimmt sind, angemessen zum Risiko von Verwechslungen zu beraten.

Warum gibt es Pergolid nicht mehr in der Humanmedizin?

Aktuell ist kein Pergolid-Präparat für die Anwendung am Menschen im Handel. Das war aber nicht immer so: Früher war Pergolid als Antiparkinsonmittel (der zweiten Wahl) im Einsatz. 2007 wurde in Deutschland dann jedoch vor Herzklappenfibrosen unter Pergolid- und Cabergolin-Einnahme (Dopamin-D2-Rezeptoragonist) gewarnt. 

Schon damals bestand seit Jahren der Verdacht, dass Pergolid zu fibrotischen Herzklappenveränderungen führen kann. „Im Jahr 2004 wurden daraufhin die Anwendungsgebiete eingeschränkt und regelmäßige Echokardiografien vor und während der Behandlung vorgeschrieben“, erklärte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). 

Das Risiko gelte insbesondere als erhöht bei Dosierungen von mehr als 3 mg/Tag und einer Therapiedauer länger als sechs Monate, hieß es im Jahr 2007. In den USA wurde Pergolid 2007 schließlich vom Markt genommen.

Ende 2007 erschien dann auch in Deutschland ein Rote-Hand-Brief zu Cabergolin und Pergolid. Und 2008 hat die EU-Kommission „über Änderungen der Produktinformationen hinsichtlich des Risikos zu Fibrosen und Herzklappenveränderungen für Wirkstoffe aus der Gruppe der Ergot-Dopamin-Agonisten entschieden“. Betroffen waren die Wirkstoffe Bromocriptin, Cabergolin, Dihydroergocriptin, Lisurid und Pergolid. Außerdem wurde 2007 auf die Risiken „übersteigerte Libido und Hypersexualität“ sowie „Spielsucht/pathologisches Spielen“ unter Dopamin-Agonisten hingewiesen.  

All diese Arzneimittelrisiken sind beim Menschen nicht bei einmaliger versehentlicher Einnahme zu erwarten, doch sie zeigen, warum Pergolid heute in der Humanmedizin keine Rolle mehr spielt.